SZ-Serie: Im Schilde geführt, Folge 6:Erinnerung an Niederlage und Not

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Nicht nur das Wappen hält die Erinnerung an die Schlacht von Hohenlinden aufrecht, sondern auch ein Denkmal und ein Museum. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Wappen der Gemeinde Hohenlinden zeigt eine Linde und zwei gekreuzte Schwerter. Sie sind ein Symbol für die politisch bedeutsame Schlacht, die im Jahr 1800 nahe dem Ort tobte

Von Franziska Bohn

Die Bäume stehen dicht nebeneinander, Stamm an Stamm. Licht schimmert durch die Äste. Heute sieht die Waldlichtung östlich von Hohenlinden am Ende des Haager Forstes friedlich aus. Am frühen Morgen des 3. Dezember 1800 fiel dichter Schnee und die Sicht war schlecht, als sich hier die französische Artillerie positionierte - mit Reitern, bewaffneten Soldaten und Kanonen. "Genau in diese Falle liefen die Österreicher, die sich von Nordwesten durch den Schnee kämpften", erklärt Rolf Kaiser, Museumsleiter in Hohenlinden. Auch die bayerische Armee kämpfte auf der Seite des österreichischen Heeres. Diese Schlacht sollte später einmal nicht nur die Gemeinde Hohenlinden zu ihrem Wappen inspirieren, sondern auch in die europäische Geschichte eingehen. Doch wie kam es dazu?

Kaiser kennt alle Einzelheiten. Er steht in seinem Museum und erzählt, ist ganz in seinem Element, läuft herum und findet mehr und mehr Bücher, Flyer und Hefte, die sich mit der Geschichte von Hohenlinden beschäftigen: Nach der Französischen Revolution 1789 zerbrach das Königtum, und die Republik wurde ausgerufen. Napoleon stieg zum Konsul auf, andere Königreiche fürchteten deshalb um ihre Stellung. Aus Angst, dass sich die Revolution ausbreiten könnte, schickten sie Militärtruppen Richtung Frankreich, ein langjähriger Krieg begann. Und Hohenlinden wurde zu einem wichtigen Kapitel im Zweiten Koalitionskrieg. In diesem standen sich auf dem europäischen Festland die österreichische und die französische Armee gegenüber. Im oberitalienischen Marengo errang Napoleon am 14. Juni 1800 einen sehr deutlichen Sieg, in Süddeutschland operierte zur gleichen Zeit die französische Rheinarmee unter General Jean-Victor Moreau. Die Österreicher und Bayern standen unter Befehl von Erzherzog Johann.

Man wolle keinesfalls irgendwelche Heldentaten auf dem Schlachtfeld rühmen, sagt Museumsleiter Rolf Kaiser, sondern der Jugend zeigen, was Krieg anrichten könne. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nachdem sie die Franzosen nach kleineren Gefechten auf dem Rückzug vermuteten, brachen sie nach Hohenlinden auf. Die Hauptmacht des Feindes bezog allerdings genau dort Stellung. Im Schneesturm blieben zwei Kolonnen der Österreicher und Bayern zurück, die Hauptkolonne zog ohne Flankensicherung durch das Waldtal gegen Westen und stieß bei Birkach auf die Franzosen. Diese griffen von Maitenbeth und von Süden her an. Die Österreicher und Bayern saßen in der Falle. Sie waren zwar zahlenmäßig überlegen, doch ihr Rückweg wurde von einer weiteren französischen Truppe abgeschnitten.

Es kam zu erbitterten Gefechten. Bis zu 12 000 Opfer soll es auf beiden Seiten gegeben haben. Wer nicht fliehen konnte, wurde getötet, verwundet oder gefangengenommen. Das Schlachtfeld war bedeckt von Toten und Verwundeten. Am Ende siegten die französischen Truppen.

Das Wappen der Gemeinde Hohenlinden zeigt eine Linde und zwei gekreuzte Schwerter. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Entscheidung in der Schlacht von Hohenlinden fiel um die Mittagszeit, danach zogen sich die österreichischen Truppen zurück. Doch für die Bevölkerung war das längst nicht das Ende des Leids: In den Dörfern gab es Vergewaltigungen und Plünderungen. "Es dauerte lang, bis sich Hohenlinden davon wieder erholt hat", erklärt Kaiser. Die harten Bedingungen des Friedensabkommens von Lunéville zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich vom 9. Februar 1801 verlängerten die Notsituation und Hungermonate, weil die fremden Truppen weiterhin auf dem Land lebten.

Mittlerweile hat Rolf Kaiser das Museum verlassen. Während er erzählt, läuft er zu einem Feldweg. Dort steht eine rote Säule aus Granit, um die vier Eisenstelen angeordnet sind. Sie stehen für die beteiligten Armeen, die Granitsäule symbolisiert die Opfer der Schlacht. Zur Erinnerung wurde in Hohenlinden aber nicht nur ein Denkmal errichtet, auch auf dem Wappen der Gemeinde findet man unter einem Lindenbaum zwei gekreuzte Schwerter, die auf die politisch bedeutsame Schlacht hinweisen sollen. Die Zustimmung zu diesem Wappen wurde 1971 von der Regierung von Oberbayern erteilt. Der Lindenbaum soll auf eine Rodungssiedlung bei mehreren hohen Linden hinweisen.

Doch wie fand das Motiv der beiden Schwerter den Weg in das Wappen? In der von Ludwig Stoeckl handgeschriebenen Hohenlindener Chronik findet man die Antwort, denn bereits auf dem Schutzumschlag der in Pergament gebundenen Chronik wurde ein ähnliches Wappen eingeprägt. "Das hat Stoeckl sich selbst ausgedacht", weiß Kaiser. Darauf zu sehen ist eine Linde auf Silbergrund und im Baumstamm ein Schwert als Hinweis auf die Schlacht von Hohenlinden. "Das Wappen fand erstmals den Weg in einige Häuser, als es Mitte der 50er Jahre im Werkunterricht der Volksschule Hohenlinden in Gips gegossen wurde", erzählt Kaiser. Der Lindenbaum mit dem Schwert auf einem Hügel sei dabei als Relief herausgearbeitet und mit den Farben blau, grün und braun bemalt worden.

Die von Ludwig Stoeckl handgeschirebene Hohenlindener Chronik zeigt einen Vorläufer des heutigen Wappens auf dem Schutzumschlag. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Heute kann man die Strecke, die die Franzosen, Österreicher und Bayern einst durch den Schnee gegangen sind, mit dem Fahrrad abfahren. Der Verein "Hohenlinden 2000" hat 2012 einen Radwanderweg eingerichtet, auf dem man verschiedene Stationen der Schlacht abfahren kann. Kaiser besucht manchmal die verschiedenen Schauplätze. Nun steht er am Rande des Haager Forsts bei Mittbach vor einem Obelisk und dreht sich einmal im Kreis. An diesem Ort fanden zwar keine Kämpfe statt, General Moreau soll aber genau hier seine Uniformhose flicken haben lassen. Der Hauptkampfplatz war woanders: "Im Süden von Hohenlinden befand sich damals ein offenes Gelände", sagt Kaiser. "Das hat sich nach Norden Richtung Forstern und zum Buchrain ausgeweitet." Dank mehrerer Berichte weiß man heute ziemlich genau, wie es damals zuging. Wolfgang Franz hat Augenzeugenberichte über die Schlacht gesammelt, die man in der Reihe "Der Landkreis Ebersberg - Geschichte und Gegenwart" nachlesen kann: "Der Anblick auf der Strasse, jenseits Hohenlinden, war jedoch weit grässlicher. Hier lagen todte Pferde und Menschen bei und nebeneinander, die letztern schrecklich zugerichtet, und beinah alle bis aufs Hemde ausgezogen oder ganz nackend, Freund und Feind waren jetzt schwer zu erkennen, der Tod hatte sie alle miteinander vereinigt."

Schon auf dem alten Wappen ist eine Linde auf Silbergrund und im Baumstamm ein Schwert als Hinweis auf die Schlacht von Hohenlinden zu sehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Hohenlinden rückte damals in den Mittelpunkt der europäischen Geschichte: Mit dieser Schlacht nahm Bayern seine heutige Gestalt an, denn es schlug sich nun auf die Seite Napoleons. Es verlor zwar die linksrheinischen Gebiete, dafür wurden Franken und Schwaben Teil des Kurfürstentums und späteren Königreichs Bayern. Noch heute findet sich Hohenlinden als Ornament auf dem Triumphbogen in Paris und als Inschrift in der Krypta des Invalidendoms, sowie als Gemälde in der Schlachtengalerie im Schloss von Versailles.

Der Kampf aber war verloren. Wieso soll das Wappen also an diese Zeit erinnern? Kaiser erklärt das so: "Man muss auch mit Negativem leben und das aufarbeiten. Wir wollen damit nicht die Schlacht bewundern, sondern der Jugend weitergeben, was Krieg anrichten kann." Das möchte Kaiser auch mit seiner historischen Forschung in Hohenlinden bewirken. "Deswegen ist es auch wichtig, dass wir mit dem Museum weitermachen", erklärt er. Franzosen, die zu ihm in die Ausstellung kommen, verstünden diesen Drang nach Aufarbeitung oft nicht. "Sie fragen mich dann, wie wir damit leben können", sagt Kaiser. "Wir haben die Schlacht ja verloren."

© SZ vom 07.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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