SZ-Serie: Im Schilde geführt, Folge 23 und Ende:Der Baum der verschwundenen Orte

Das Wappen des Landkreises ähnelt sehr jenem der Kreisstadt, es gibt jedoch ein paar Unterschiede. Einer davon verweist auf eine Zeit der großen Umbrüche

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Die Familienähnlichkeit zwischen den beiden Ebern, die als Wappentiere für die Kreisstadt und den Landkreis arbeiten, ist unbestreitbar. Allerdings wirkt der Stadt-Eber - das Original - ein wenig sportlicher als sein Vetter, der die Repräsentation für den Kreis übernommen hat, schließlich muss ersterer einen Berg erklimmen, letzterer darf im Flachland durch den Forst wandern. Denn für diesen steht der stilisierte Nadelbaum im Hintergrund - allerdings symbolisiert er noch viel mehr.

Zunächst zu den Hauptdarstellern: Ganz klar leitet sich das Wappen des Landkreises von jenem der Kreisstadt her, auf beiden läuft ein schwarzer Eber nach links über einen grünen "Dreiberg" also über drei Erhebungen. Im Stadtwappen sind diese allerdings in aufsteigender Reihenfolge angeordnet, so dass der Schwarzkittel wirklich bergauf läuft, der Landkreis-Eber dagegen spaziert über drei gleichhohe Buckel im Gelände. Weshalb er offensichtlich etwas mehr Gewicht angesetzt hat als sein kraxelnder Cousin. Der Eber vom Stadtwappen ist eher dünn und drahtig mit zotteligem Fell, der Landkreis-Eber wirkt massiger und insgesamt ein wenig naturalistischer. Etwa durch seine zwar imposanten, aber nicht ganz so säbelzahnartigen Hauer und seinen nicht geringelten Schwanz. Was wohl daran liegt, dass sich das Stadtwappen an einer Vorlage aus dem 15. Jahrhundert orientiert, das ein Tier abbildet, das Züge sowohl der zahmen wie der wilden Schweine zeigt, während man beim Landkreiswappen dagegen deutlich mehr auf die Wiedergabe der korrekten Anatomie von Sus Scrofa geachtet hat.

SZ-Serie: Im Schilde geführt, Folge 23 und Ende: Die Identifikation mit den früher eigenständigen Gemeinden ist immer noch groß, nicht nur bei den Straußdorfer Trachtlern.

Die Identifikation mit den früher eigenständigen Gemeinden ist immer noch groß, nicht nur bei den Straußdorfer Trachtlern.

(Foto: privat)

Zur Herkunft des Ebers und der Berge sei auf die Geschichte des Stadtwappens verwiesen, das in dieser Reihe bereits erschienen und im Netz jederzeit nachzulesen ist. Dass Elemente des Stadtwappens auch Teil des Landkreiswappens geworden sind, ist zum einen der Tatsache zu verdanken, dass die Stadt Ebersberg eben auch Sitz der Verwaltung des gleichnamigen Landkreises ist. Zum anderen aber Erich Miller, dem Schöpfer des Landkreiswappens und eben Ebersberger.

Die Dokumente dazu verwaltet Norbert Neugebauer, Büroleiter des Landrates und Zuständiger für Wappenangelegenheiten. Wer das Landkreisemblem verwenden will, muss bei ihm einen Antrag stellen. Was im übrigen nicht immer klappt, wie eine Begebenheit aus dem November 2016 zeigt. Damals im langsam beginnenden Bundestagswahlkampf hatten zwei mehr oder weniger seriöse politische Gruppierungen das Landkreiswappen ohne Genehmigung für ihren Internetauftritt verwendet: die AfD und die Titanic-Partei "Die Partei". Beide entfernten das Wappen aber schnell wieder, denn laut Satzung hätte auch ein Antrag nichts genutzt: Das Landkreis-Hoheitszeichen ist nämlich tabu "zu gewerblichen, parteipolitischen oder Werbezwecken" so steht es explizit in der Satzung.

SZ-Serie: Im Schilde geführt, Folge 23 und Ende: In Pöring prangt das alte Wappen am Feuerwehrhaus.

In Pöring prangt das alte Wappen am Feuerwehrhaus.

(Foto: Christian Endt)

Aber zurück zum Ursprung, und der liegt in den 1950er Jahren. Dass der Landkreis Ebersberg - wie viele andere übrigens auch - erst damals ein eigenes Wappen bekam, liegt daran, dass die Zuständigkeiten für die erst 1939 in Landkreise umbenannten Bezirke nach dem Zweiten Weltkrieg neu geregelt wurden. Und für die quasi-neuen Gebietskörperschaften brauchte es auch Hoheitszeichen, eben die damals neu auftauchenden Landkreiswappen. Die Verantwortlichen in Ebersberg beauftragten darum den oben erwähnten Erich Miller, damals Mitte 20, in zahlreichen Vereinen aktiv und als talentierter Zeichner bekannt. Miller war unter anderem der erste Faschingsprinz der von ihm mitgegründeten Faschingsgesellschaft Ebersberg, die bis heute noch jedes Jahr an Faschingsdienstag den traditionellen Umzug organisiert. In späteren Jahren hat Miller auch Dokumentarfilme zu seiner Heimat Ebersberg gedreht, der letzte wurde wenige Tage nach seinem Tod im Jahr 2009 in der Kreisstadt uraufgeführt.

Bereits 1951, so die Akten, haben sich die Verantwortlichen im Landratsamt mit Experten des Bayerischen Hauptstaatsarchives über das Aussehen des Wappens beraten, 1955 gewann der inzwischen 30-Jährige Miller einen Wettbewerb, im gleichen Jahr stimmte auch der Kreistag dem Entwurf zu. Nach Aktenlage wurde die Idee, das Stadtwappen zu verwenden, auch von den Fachleuten des Hauptstaatsarchives befürwortet. Eine andere Idee, die auf dem Wappen Verwendung findet, ist aber ein Original von Erich Miller. Und zwar der Nadelbaum - laut offizieller Beschreibung übrigens nicht, wie man erwarten könnte, eine Fichte sondern eine Tanne - mit seinen 29 Ästen.

SZ-Serie: Im Schilde geführt, Folge 23 und Ende: Auch in Elkofen wird bisweilen das frühere Wappen benutzt.

Auch in Elkofen wird bisweilen das frühere Wappen benutzt.

(Foto: Christian Endt)

Was natürlich kein Zufall ist, sondern vielmehr einer Symbolik folgt, die in Wappen und Fahnen gelegentlich Verwendung findet - unter anderem in der Flagge der USA. Dort stehen die 50 Sterne für die 50 Bundesstaaten der Union, ganz ähnlich ist es mit den 29 Tannenzweigen des Ebersberger Wappens. Sie symbolisieren die Kommunen des Landkreises. Wobei nun einige staunen dürften, denn wer die Serie aufmerksam verfolgt hat, wird nur 21 Städte und Gemeinden gezählt haben. Was zwar einerseits richtig ist - aber eben nur heute. Zur Zeit als das Wappen entstand, gab es im Landkreis nämlich noch acht Gemeinden mehr.

Dass es sie nicht mehr gibt, jedenfalls nicht als eigenständige Kommunen, hat mit einer der größten Umbrüche der bayerischen Nachkriegsgeschichte zu tun: der Ende der 1960er konzipierten und bis Anfang der 1980er umgesetzten Gebietsreform. Das damals von der Staatsregierung ausgegebene Ziel war es, die Effizienz der unteren Verwaltungsebenen des Freistaates zu steigern. Was, so die Überzeugung von Ministerpräsident Alfons Goppel und seinem Kabinett, am besten durch Zusammenlegung kleinerer Gebietskörperschaften passieren sollte. Aus zuvor 6962 Gemeinden, die teilweise seit Jahrhunderten eine eigene Geschichte hatten, wurden 2051 und von ursprünglich 143 Landkreisen, die im Wesentlichen den Grenzen der Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführten Bezirke entsprachen, blieben am Ende 71. Dabei wäre es übrigens auch fast dem Landkreiseber an die Borsten gegangen. Denn in einer ersten Version der Gebietsreform hätte der Landkreis Ebersberg zwischen München Land und dem neuen Großlandkreis Rosenheim sowie Erding aufgeteilt werden sollen.

Wappenserie, Wappen, Landkreis
(Foto: Landratsamt/oh)

Dem Landkreis blieb dieses Schicksal zwar erspart, acht seiner Gemeinden büßten aber ihre Unabhängigkeit ein und wurden anderen Kommunen eingemeindet. Am meisten Zuwachs konnte dabei die Stadt Grafing verzeichnen, sie wuchs um die Gemeinden Elkofen, Nettelkofen und Straußdorf. Den Nachbarn in Ebersberg wurde die Ortschaft Oberndorf zugeschlagen, Zorneding konnte den größeren Teil von Pöring eingemeinden, der westliche Rest ging an Vaterstetten, das vor der Reform Parsdorf hieß. Im Norden des Landkreises wurde Pliening mit Gelting zusammengelegt und stiftete den Namen für die neue Gemeinde, ganz im Süden verlor Loitersdorf seine Unabhängigkeit an Aßling. Und die Gemeinde Lampferding gehört gar nicht mehr zum Landkreis Ebersberg, sie wurde der Gemeinde Tuntenhausen im Landkreis Rosenheim zugeschlagen.

Warum man damals das Wappen nicht den neuen Gegebenheiten anpasste, ist nicht überliefert, entsprechende Bestrebungen sind keine bekannt. Ob einfach niemand daran dachte, die Landkreistanne um acht Äste zu stutzen oder ob das aus Rücksicht auf die Bewohner der aufgelösten Gemeinden unterblieb, darüber kann man heute nur spekulieren. Andererseits sind die acht Ortschaften - auch wenn sie keine eigenen Gemeinden mehr sind - ja auch nie wirklich verschwunden und haben ihre Identität bis heute bewahrt. Einige haben sogar eigene Wappen, etwa Pöring mit seinem gelben Rebhuhn über zwei Bergen und Elkofen mit den beiden Löwen, die bei vielen Gelegenheiten, wie Festen und Umzügen, immer noch geführt werden. Aber das ist eigentlich schon eine andere Geschichte. . .

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: