SZ-Serie: Im Schilde geführt, Folge 10:Geliehene Symbole

Der Entwurf für ein Poinger Wappen gestaltete sich schwierig - es gibt nämlich kaum Tatsachen in der Ortsgeschichte, die sich symbolisch darstellen lassen

Von Johanna Feckl, Poing

Wer weiß, vielleicht fiele es den Poingern inzwischen leichter, ein repräsentatives Motiv für ihre Gemeinde zu finden: Im Wildpark tummelte sich schließlich schon allerlei Getier, das sich prächtig machen würde auf so einem Wappen, etwa die drei Bärenbabys Maja, Molly und Mette, die vor ein paar Jahren entzückte Menschenmassen in den Münchner Osten lockten. Oder aber Elch Michi, eine tragische Gestalt: Mit dem Publikumsliebling, der eigentlich für sein liebenswürdiges Wesen bekannt war, gingen in der Brunftzeit die Hormone durch - er brach aus seinem Gehege aus, rannte Richtung S-Bahn und musste schließlich erschossen werden. Doch nichts davon ist zu sehen auf dem Wappen der mit knapp 16 600 Einwohnern zweitgrößten Gemeinde im Kreis Ebersberg: Statt dessen ziert das Wappen, das Poing seit Mai 1961 tragen darf, ein goldener aufrechtstehender Sparren, der zusammen mit einem silbernen horizontalen Balken ein dreieckiges Konstrukt bildet. In der Mitte davon ist ein silberner Stern mit acht Zacken; der Hintergrund ist blau. Im Vergleich zu Wappen anderer Gemeinden, wo Löwen ihre Zähne fletschen, Schwerter bereit zum Angriff stehen, Falken mit ihren Flügeln imponieren, oder Wildschweine mit den Hufen scharren - da wirkt Poing mit seinem Stern inmitten eines Dreiecks, nun ja, ein wenig langweilig. Dass die Gemeinde nicht durch ähnlich symbolträchtige Darstellungen auf seinem Wappen auftrumpfen kann, hat einen Grund.

"Im vorliegenden Fall bereitet das Fehlen besonderer ortsgeschichtlicher und zur heraldischen Symbolisierung geeigneter Tatsachen erhebliche Schwierigkeiten bei der Wappengestaltung." Das schrieb der frühere Archivdirektor der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, Klemens Stadler, vor knapp 49 Jahren, am 13. Oktober 1960 an die Verwaltung in Poing. Bringt man dieses Meisterstück eines im perfekten Amtsdeutsch formulierten Satzes auf den Punkt, bedeutet das: Kein Aspekt in Poings Geschichte eignet sich gut, um es symbolisch darzustellen.

SZ-Serie: Im Schilde geführt, Folge 10: 2009 hat der Poinger Heinz Mayerthaler das Ortswappen in einem seiner Bilder verarbeitet. Es hängt im Erdgeschoss des Rathauses.

2009 hat der Poinger Heinz Mayerthaler das Ortswappen in einem seiner Bilder verarbeitet. Es hängt im Erdgeschoss des Rathauses.

(Foto: Christian Endt)

Ein Problem, denn schließlich hat sich der Poinger Gemeinderat im Mai 1960 darauf geeinigt, sowohl ein eigenes Wappen als auch eine eigene Fahne anzunehmen - wegen "der raschen Aufwärtsentwicklung" und "im Hinblick auf die über tausendjährige Geschichte" der Gemeinde, wie es im Beschluss heißt.

Ein bisschen was hat die langwierige Recherche des Staatsarchivs letztlich aber doch ergeben: Ein bedeutender Politiker lebte einst in Poing: Corbinian Prielmayr. Der gebürtige Erdinger wurde 1662 als gerade einmal 19-Jähriger in die Geheime Kanzlei aufgenommen und war ab 1683 der Geheimsekretär von Max Emanuel, Kurfürst von Bayern von 1679 bis 1726. Um Prielmayrs Dienste zu würdigen, schenkte der Kurfürst seinem Geheimsekretär einen üppigen Hof, der "zu Poyen" gelegen war, so ein auf den 1. März 1686 datierter Beschluss. Der Hof war zuvor viele Jahre in bayerischer Grundherrschaft; 1406 kaufte ihn der Herzog von Bayern-Ingolstadt.

Poyen übrigens, das war einer der vielen Namen, die früher das heutige Poing bezeichnet haben. Poing, so erklärt es die Gemeinde selbst, gehöre gemäß seiner Endung "-ing" zu den alten "Ing-Orten" altbayerischer Herkunft. Ursprünglich hieß die Gemeinde "Piuuuingun", abgeleitet von dem Vornamen "Piuwo". Die Endsilbe "-ingun" weist daraufhin, dass der Ort einst zum Besitz eines Grundherren gehörte, und bedeutet so viel wie "bei den Leuten des Piuwo".

Poing Wappen

Zurück zum Wappen. Nach langen Recherchen im Staatsarchiv Bayern kristallisiert sich bei Archivdirektor Stadler der Vorschlag heraus, für die Gestaltung des Poinger Wappens das Familienwappen der Prielmayrs und einen Hinweis auf die bayerischen Herzöge zu einzubeziehen. Denn die Gemeinde war mit der Familie bis in die Neuzeit hinein eng verflochten, und Prielmayrs Hof gehörte schließlich zuvor bayerischen Herzögen.

Aber es ergab sich ein weiteres Problem: Das Wappen der Prielmayrs unverändert als Ortswappen zu verwenden, funktionierte nicht. Dafür eignete es sich "aus heraldischen Gründen" nicht, so die Erklärung von Stadler. Details zu diesen heraldischen Gründen nannte der Archivdirektor allerdings nicht. Und die Rauten oder den Löwen aus dem Wappen Bayerns in Gemeindewappen zu übernehmen, sei verboten.

Stadler erschien nur eine abgespeckte Version von alledem sinnvoll: Aus dem Familienwappen könne ein achtzackiger silberner Stern und der goldene Sparren übernommen werden. Um die Verbindung zu den bayerischen Herzögen herauszukehren, empfahl er die Farben Blau und Weiß in das Ortswappen aufzunehmen.

Der Gemeinderat in Poing war einverstanden mit dem Entwurf der Generaldirektion des Staatsarchivs und beauftragte Ende 1960 den Münchner Historiker und Grafiker Carl Bessling mit der Reinzeichnung. Als Hintergrund des Ortswappens entschied sich Bessling für Blau, Stern und Schildfuß färbte er silbern. Im Mai 1961 stimmte das bayerische Innenministerium dem Entwurf von Bessling zu - und Poing hatte ein offizielles Wappen. Der Einfachheit halber wird das Silber des Sterns in vielen Darstellungen zu Weiß, und das Gold des Sparrens zu Gelb.

Die Bedeutung von Corbinian Prielmayr für Poing ist nicht nur im Wappen, sondern noch an einer weiteren Stelle im Ort erkennbar. Denn seit den 1970er-Jahren führt eine Prielmayrstraße durch den Südosten der Gemeinde, das damalige Baugebiet in diesem Bereich bekam den Namen "Baugebiet Prielmayrstraße". Und mittlerweile hat das Wappen seinen Weg sogar in die Kunst gefunden: Der Poinger Heinz Mayerthaler hat es in einem Bild verewigt. Er schenkte sein Werk der Gemeinde, seitdem hängt es im Erdgeschoss des Rathauses.

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