SZ-Serie: Der Start ins Amt:Leonhard Spitzauer: Viele Baustellen in Vaterstetten

SZ-Serie: Der Start ins Amt: Vaterstetten Rathaus, Leonhard Spitzauer, 100-Tage im Amt

Vaterstetten Rathaus, Leonhard Spitzauer, 100-Tage im Amt

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Leonhard Spitzauer ist seit Mai neuer Rathauschef in Vaterstetten. Eine Gemeinde mit vielen Projekten in Arbeit, was in der Corona-Dauerkrise nicht einfacher wird.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Ein neuer Arbeitsplatz ist immer eine Herausforderung, besonders, wenn man der neue Chef der größten Landkreisgemeinde wird. Die eben schon aufgrund ihrer Größe eigentlich immer eine Baustelle ist, oder eher eine Ansammlung ganz verschiedener Baustellen. In einer davon - dem Vaterstettener Rathaus - hat Leonhard Spitzauer (CSU) seit Mai seinen neuen Arbeitsplatz. Und das ist ausdrücklich keine Metapher, denn das vor einem halben Jahrhundert eröffnete Gebäude hat ein bisschen was von einem Oldtimer: Es gibt immer irgendwas zu basteln und viel Improvisiertes.

Eines davon befindet sich direkt unter Spitzauers Bürgermeisterschreibtisch: ein etwa schuhkartongroßer Würfel. Darin bewahrt der Rathauschef aber nicht etwa die bequemen Schuhe für lange Bürotage auf, sondern es ist ein massiver, am Boden befestigter Block mit mehreren Steckdosen. Irgendwann nachträglich eingebaut, weil die vorhandenen Leitungen nicht reichten, wie so vieles im Haus. Etwa der Platz. So ist Spitzauer eigentlich Chef zweier Rathäuser, gleich gegenüber in der ehemaligen VHS ist unter anderem die Kämmerei. Die dann gleich ausrechnen kann, was die Gemeinde jedes Jahr bezahlt für die angemieteten Räume.

Oder für Reparaturen. Akut müsste die Schließanlage neu gemacht werden, "aber die Frage ist, was soll man hier noch reinrichten?" Wie bei mindestens drei Bürgermeistern vor ihm, fällt auch Spitzauers Blick des Öfteren auf einen besonderen Einrichtungsgegenstand: die Eimer im Foyer. "Wir bringen das Dach nicht dicht, wenn es regnet." Und wenn es nicht regnet, wird es bei zu viel Sonnenschein für die Kollegen im obersten Stockwerk im rundum verglasten Aufbau ungemütlich.

Sein direkter Amtsvorgänger, Georg Reitsberger, hatte einen Rathausneubau stets sehr kritisch gesehen, aber für Spitzauer ist nach den ersten drei Monaten klar: "Da muss mittelfristig was gemacht werden", sein neuer Arbeitsplatz sollte irgendwann auch wirklich ein neuer werden. Auch im Interesse der Mitarbeiter, wie er betont. In einem Büro, wie jenem des Bürgermeisters, arbeiten - wenn nicht gerade social distancing angesagt ist - bis zu drei Leute. Teilen sich ein oder zwei Steckdosen und die Internet- und Telefonleitungen sind auch nie in der ausreichenden Anzahl oder am richtigen Ort vorhanden. Ein moderner Verwaltungssitz wäre nötig, "nichts Hochtrabendes, es muss keine Preise gewinnen, man sollte nur ordentlich darin arbeiten können". Aber auch das ist für Spitzauer klar: In den nächsten sechs Jahren wird die Großgemeinde vielleicht einen Plan für ein neues Rathaus aber sicher keinen Neubau bekommen, alleine weil noch zu viele andere Baustellen in Arbeit sind.

Natürlich: Die mit Abstand größte war - und wird es wohl auf Monate hinaus auch bleiben - die Corona-Krise. Volksfest und Bürgerversammlung wurden abgesagt, das nach der Wahl übliche Vorstellungsprogramm bei Verbänden und Vereinen ersetzt durch Krisentreffen. "Die Vereine sind auf die Gemeinde zugekommen, wegen ihrer Veranstaltungen", sagt der Bürgermeister, und hätten gefragt, ob das Rathausfoyer oder die Turnhallen verfügbar sind. Waren sie auch oft, allerdings musste auch anderes trotz Corona weitergehen. Die Turnhalle der Wendelsteinschule ist bereits seit Ende April Sitzungssaal für Gemeinderat und Ausschüsse, in der Zeit dazwischen fand der Schulsport statt.

"Man hangelt sich so entlang", umschreibt Spitzauer die vergangenen Corona-Monate. Etwa bei Vorgaben und Ankündigungen aus München. Es sei ein weiter Weg "von der Presseerklärung des Ministerpräsidenten bis zu uns". Jüngstes Beispiel etwa die angekündigten Finanzmittel, welche die Gewerbesteuerausfälle ausgleichen sollen. Das vorgeschlagene Modell, einen Mittelwert der vergangenen drei Jahre zu bilden, sei für Vaterstetten grundsätzlich positiv, sagt Spitzauer. Wann und bis zu welcher Gesamtsumme aber das Geld fließt, sei derzeit völlig unklar: "Es gibt überhaupt keine Planungssicherheit."

Was für Vaterstetten, die Gemeinde mit den vielen Baustellen, natürlich besonders unglücklich ist. Erst im Juli ist wieder eine neue dazugekommen, die Bevölkerungsprognose hat aufgezeigt, dass mindestens eine der vier Grundschulen, die in der Brunnenstraße, bis Ende des Jahrzehnts erweitert werden muss. Die Dauerbaustelle Umgehungsstraßen hat noch der alte Gemeinderat in seiner letzten Sitzung einen Schritt weiter gebracht, derzeit läuft die Planung, bereits im Juni kommenden Jahres soll der Bau beginnen.

Und das ohne den Mann, der das Projekt Umgehungsstraßen in den vergangenen Jahren intensivst betreut hat. Weil Reitsberger ein erklärter Gegner der neuen Straßen ist, hatte sein Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU) übernommen. Der mit einem Vierteljahrhundert im Amt des Stellvertretenden Bürgermeisters als exzellenter Kenner der Rathausinterna gilt, aber bei der vergangenen Wahl nicht erneut für den Gemeinderat kandidiert hat. Eine zusätzliche Schwierigkeit in den ersten Monaten des neuen Bürgermeisters?

Eigentlich nicht, sagt Spitzauer, "ich bin gut reingekommen in die Arbeit und die Belegschaft hat es mir einfach gemacht". Sein Amtsvorgänger und dessen Stellvertreter hätten zudem angeboten, bei Bedarf mit Rat und Tat zu helfen. Was allerdings bisher nicht nötig gewesen sei, sagt Spitzauer - ein Zitat leiht er sich dann aber doch von seinem Vorgänger: "Wir haben eine funktionierende Verwaltung." Viele der Amtsleiter seien zudem schon sehr lange im Rathaus, es gebe also viel Erfahrung.

Ein paar Neuerungen hat Spitzauer in seinen ersten 100 Tagen auch schon auf den Weg gebracht, den weitgehend papierlosen Sitzungsdienst etwa. Die Gremienmitglieder bekommen ihre Vorlagen inzwischen digital und während der Sitzungen soll es mobiles Internet im Saal geben - wenn dieser wieder benutzbar ist. Digital, zumindest teilweise, soll auch die im Frühjahr wegen Corona ausgefallene Bürgerversammlung werden, die nun im Oktober stattfindet. Zwar nicht ausschließlich im Netz, wie es die Grünen beantragt hatten, da stehe die Gemeindeordnung entgegen, aber es werde geprüft, ob und wie sich ein Livestream der Veranstaltung in Einklang mit dem Datenschutz umsetzen lässt.

Eine weitere Neuerung ist das Referentensystem im Gemeinderat. Seit August ist fast jedes Mitglied für ein spezielles Aufgabengebiet zuständig, etwa Jugend oder Senioren, Finanzen, Wirtschaft, Mobilität und vieles mehr. Er sei überzeugt, dass dies die Arbeit im Gemeinderat verbessern werde, sagt Spitzauer, ohnehin gebe es im Gremium ja schon Spezialisten für viele Themen, nun jetzt eben auch ganz offiziell.

Fast unverändert präsentiert sich dagegen der Arbeitsplatz des neuen Bürgermeisters. Bis auf ein Bild, das Reitsberger persönlich gehört und das er nach Ende seiner Amtszeit mitgenommen hat, ist das Büro gleichgeblieben. Ein paar Änderungswünsche an der Inneneinrichtung hätte Spitzauer schon - angefangen von dem Würfel unter seinem Tisch -, aber bis beim Bürgermeister renoviert wird, könne es noch etwas dauern: "Ich kann doch nicht mitten in der Krise das Büro rausreißen." Schließlich gibt es in der Großgemeinde ja genügend andere Baustellen.

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