Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Der Adventsreporter:Grüß Gott, Allah

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Die CSU lädt zu einem vorweihnachtlichen Besuch in die Markt Schwabener Moschee ein. Dort erfahren die Besucher, dass Christen vor dem Islam keine Angst haben müssen, wenn sie ihre Scheu vor Muslimen ablegen

Karin Kampwerth

- Am Ende reichen die Frauen mit Schafskäse gefüllte Sesambrötchen, türkischen Reis und süßen, heißen Tee. "Wir wollen Sie nicht mit leerem Magen gehen lassen", sagt Aykan Inan zu den Gästen im Keller der Markt Schwabener Moschee. Er ist Landesgeschäftsführer des Vereins Ditib, dem die türkische Gemeinde Ulu Camii angehört. Deren Mitglieder betreiben seit zwölf Jahren das muslimische Gebetshaus in der alten Güterhalle neben dem Markt Schwabener Bahnhof.

Auf dem Tisch, an dem zuvor der bayerische Integrationsbeauftragte Martin Neumeyer (CSU) gesessen hat, steht ein leuchtend roter Weihnachtsstern - die einzige Reminiszenz an das bevorstehende christliche Fest. Und doch sind es ausgerechnet die Christsozialen, die sich an diesem Dienstagabend für einen adventlichen Besuch die Moschee ausgesucht haben. "Ich finde, das ist ein guter Zeitpunkt, denn während wir uns auf die Geburt Gottes vorbereiten, sprechen wir auch viel über Religion", sagt Christa Stewens, die im Namen des CSU-Kreisverbandes zu dem interkulturellen Treffen eingeladen hat. "Gläubig sind wir doch schließlich alle", fügt sie an, bevor sie von ihrem Onkel Hassan erzählt. Dieser stammte aus Ägypten, war mit der Schwester von Stewens Mutter verheiratet und Botschafter der arabischen Liga in Bonn. "Ich habe eine ganze Reihe von muslimischen Vettern", verrät die Landtagsabgeordnete und frühere bayerische Sozialministerin. Die Mahlzeit für die Gäste, das private Geständnis von Stewens und ein Abend, der schließlich vier Stunden dauert, unterstreicht, dass es sich bei dem Besuch nicht um einen politischen Pflichttermin gehandelt hat, sondern um eine Herzensangelegenheit. Auf beiden Seiten.

Mahmut Yavuz bittet die Gäste - neben dem bayerischen Integrationsbeauftragten sind das unter anderen Vaterstettens Bürgermeister Robert Niedergesäß, der Grafinger Bezirkstagsabgeordnete Thomas Huber, die Ebersberger Frauen-Unions-Vorsitzende Marina Matjanovski und Markt Schwabens katholischer Pfarrer Herbert Walter - in den Gebetsraum, der aus religiösen Gründen nur ohne Schuhe betreten werden darf. "Aber wir haben eine Fußbodenheizung", beruhigt Yavuz, während zwei türkische Frauen sich rührend um einen alten Mann kümmern, der Spezialschuhe trägt und diese nicht ausziehen kann. Ihm werden kurzerhand Plastiktüten über die Schuhe gezogen, damit auch er den Gebetsraum betreten darf. "Was wollen Sie über den Islam wissen?", fragt Yavouz und dreht sich mit einem stolzen Lächeln in dem prachtvollen Raum um. Die mit Ornamenten verzierten Kacheln seien alle aus der Türkei nach Markt Schwaben gebracht worden, flüstert ein Mitglied der Gemeinde. Fünf Tage habe es gedauert, bis der Gebetsraum fertig war. An der Decke schwingen fünfarmige, goldfarbene Leuchter mit tulpenförmigen Lampen. Doch Licht spenden Neonröhren, die die Schönheit des Raumes in einen gleißenden Schein tauchen. Yavuz erklärt die einzelnen Elemente einer Moschee mit der Mihrab, der Gebetsnische, im Zentrum. Auch ein Minarett gibt es. Das aber befindet sich nicht draußen, sondern im Gebetsraum oberhalb einer Kanzel, von der der Imam seine Festtagspredigten hält. "Eine Moschee ohne Minarett ist wie eine Kirche ohne Kreuz", antwortet Yavuz auf die Frage nach der Bedeutung, bevor er zum Abendgebet bittet.

"Stellen Sie sich die Wüste vor. Die Sonne ist gerade untergegangen und eine leichte Abendkühle macht sich breit", sagt Yavuz und stellt sich hinter dem Imam auf. "Das ist wie eine Gymnastik, die auch etwas mit der Verdauung zu tun hat", erklärt später im Keller ein Mann ganz weltlich die 13 Verbeugungen der Gläubigen zum Singsang des Imams.

Das Gebetsritual wirkt streng und folgt einer im Koran vorgegebenen Choreographie. Wie gelassen die Muslime, wahrscheinlich nicht nur in Markt Schwaben, damit umgehen, demonstriert die zweijährige Tochter des Imams. Im Herzchenpullover und mit rosafarben angezogener Puppe im Arm turnt sie zwischen den Betenden herum, um dann mit einem jauchzenden "Papa"-Ausruf dem knieenden Vater um den Hals zu fallen. Eine Leichtigkeit, von der Christa Stewens als 22-fache Großmutter bei der anschließenden Diskussion schwärmen und feststellen wird: "Angst macht uns doch nur das Fremde."

Berührungsängste abzubauen wäre letztlich ihre Motivation zu dem Besuch in der Moschee gewesen. Dass sie dafür auch ihren Parteifreund und Integrationsbeauftragten der Staatsregierung, Martin Neumeyer, begeistern konnte, sei nicht schwer gewesen. Dieser korrigierte zunächst die vielgelobte Aussage des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, der den "Islam als Teil unserer Gesellschaft" ausgemacht hatte. Dabei seien es doch die Muslime, die zur deutschen Gesellschaft gehörten, sagt Neumeyer und bekräftigt sein Credo: "Ich integriere nicht Religionen, ich integriere Menschen." Dass es zwischen Türken und Deutschen dabei auch 50 Jahre nach den ersten Gastarbeitern mitunter noch hakt, ist ebenfalls Thema des Abends. So erzählt ein Deutscher, dass die türkischen Nachbarn einer Einladung zum Straßenfest nicht gefolgt waren, während ein Türke berichtet, dass die deutschen Nachbarn nicht zu seinem Grillfest kommen wollten. Türkischen Frauen klagen über die Mühe, ein Fitnessstudio zu finden, wo sie verschleiert Sport treiben können - oder ein Schwimmbad im Landkreis, das einen reinen Frauentag anbietet. Probleme, die schwinden könnten, wenn man endlich miteinander redet und offen auf die anderen zugeht, schließt Christa Stewens. So wie an diesem Abend in Markt Schwaben, als ein Besucher den muslimischen Gebetsraum mit einem freundlichen "Grüß Gott betritt und ein ebenso freundliches "Passt schon" dafür erntet.

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SZ vom 20.12.2012
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