SZ-Porträtserie, Folge 7:Abbitte an Ebersberg

Stefania Scarabello Stadtführerin Ebersberg

Mit der Geschichte Ebersbergs kennt sich die Stadtführerin Stefania Scarabello inzwischen besser aus als so mancher gebürtige Ebersberger.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ihr Start in der Kreisstadt war ein wenig holprig, doch durch eine Eltern-Kind-Gruppe fand Stefania Scarabello schnell neue Freunde. Nach sechs Jahren hat sie sich so gut eingelebt, dass sie sogar Stadtführungen gibt

Von Annalena Ehrlicher, Ebersberg

"Ich bin von der Stadt der Zunge des heiligen Antonius in die Stadt der Hirnschale des heiligen Sebastian gewechselt", sagt Stefania Scarabello lachend. Wie jede gute Ebersbergerin weiß die gebürtige Italienerin über die Stadtgeschichte Bescheid - vermutlich sogar ein bisschen mehr als die meisten gebürtigen Ebersberger: Scarabello gibt die von Thomas Warg initiierten Stadtführungen auf Italienisch. Vor sechs Jahren hätte sie wohl noch gelacht, wenn ihr jemand von der Geschichte Ebersbergs erzählt hätte, sagt sie heute. Doch Warg habe sie mit "dem Virus angesteckt", und heute ist sie begeistert bei der Sache. "Das ist sozusagen meine Entschuldigung an Ebersberg für die negative Einstellung, die ich am Anfang hatte", so Scarabello.

Denn der Start war für die 38-Jährige etwas holprig. Sie erinnert sich gut an die Zeit vor sechs Jahren: "Mein Mann und ich sind an dem Wochenende des Supersommers hier im Landkreis herumgekurvt und haben versucht zu verstehen, wie die Orte funktionieren." Erst nach fünf Runden durch Ebersberg habe sie erkannt, wo das Zentrum der Stadt angesiedelt ist. Im September folgte dann - trotz gewisser Unsicherheiten - der Umzug. Zuvor hatte sie mit ihrem Mann und dem gemeinsamen Sohn Matteo in Frankfurt gelebt. "Wir hatten die absurde Vorstellung, unsere Altbauwohnung in Frankfurt mit einer Altbauwohnung mitten in München zu tauschen", erzählt sie lachend. Deshalb habe sie am Anfang noch Schwierigkeiten gehabt, sich in Ebersberg einzuleben: Ihre Erwartungen waren "falsch", wie sie heute sagt. "Es war eine komische Zeit - damals wurde gerade endgültig beschlossen, dass das E-Einz kommt, was kleine Läden am Marienplatz dazu gebracht hat zu schließen", erzählt sie. Doch Bürgermeister Walter Brilmayer habe damals versprochen: Es werden neue Läden kommen. "Und sie kamen - was wirklich toll ist!", so Scarabello. Dennoch kam zusätzlich in ihrem ersten Jahr in Ebersberg der Wintereinbruch sehr früh - und obwohl Scarabello aus Norditalien kommt, habe sie noch nie so viel Schnee gesehen, sagt sie.

Inzwischen hat sie sich jedoch sogar an den oberbayerischen Winter gewöhnt und ist ganz in Ebersberg angekommen. "Am Anfang habe ich mich fremd gefühlt, weil ich hier mit dem Akzent und dem Anderssein viel mehr aufgefallen bin als in Frankfurt", erinnert sie sich. Einmal habe sie ein "Müslibrötchen" bestellt: "Ich wurde angeschaut, als käme ich vom Mars." Dann aber hat sie über die katholische Pfarrgemeinde Kontakt zu einer Eltern-Kind-Gruppe bekommen. Andere Mütter wurden zu Bekannten, schließlich zu Freundinnen. "Diese Kontakte waren lebenswichtig für mich - und durch sie wurden wir jeden Tag ein bisschen mehr zu Ebersbergern", sagt die studierte Germanistin und Anglistin heute. Und so kam auch für sie und ihre Familie der Wendepunkt: der erste Frühling in Ebersberg, neue Freunde - und im April 2012 schließlich ein Jobangebot für sie bei der Messe München. Dort arbeitet sie seitdem als Sales Managerin in der internationalen Vertriebssteuerung, wo sie die weltweiten Vertretungen betreut. Derzeit ist Scarabello jedoch noch für einige Monate in Elternzeit, um für ihre im Oktober letzten Jahres geborene Tochter Letizia da sein zu können.

Ihr Studium absolvierte Scarabello in Padua - mit zwei Auslandsaufenthalten in Konstanz und Würzburg. Wie die studierte Philologin bei der Messe gelandet ist? "Ah, ich wollte nach meinem Studium einfach raus aus der Provinz", erzählt sie. Sie habe sich in Deutschland bei zahlreichen Verlagshäusern beworben mit der Idee, an mehrsprachigen Ausgaben von Büchern zu arbeiten. Das habe sich jedoch als schwierig herausgestellt. "Letztlich habe ich die Möglichkeit bekommen, in Brüssel bei der italienischen Außenhandelskammer als Quereinsteigerin anzufangen", erinnert sie sich. Einmal jedoch konnte sie sich den Traum erfüllen und ihre "germanistische Leidenschaft austoben": Sie fertigte eine Übersetzung vom Deutschen ins Italienische von Heinrich August Winklers "Der lange Weg nach Westen" an. Eine wunderbare Erfahrung, die ihr jedoch vor Augen führte, dass auf längere Sicht ein Beruf, bei dem "man den ganzen Tag allein mit einem Buch ist", nichts für sie ist. "Außerdem hat das mit der Bezahlung überhaupt nicht funktioniert." Heute bei der Messe ist sie sehr glücklich, schwärmt von ihrem Team sowie dem Arbeitsklima und ist stolz auf ihre Produkte. Selbst der heute sechsjährige Matteo ist bereits Messe-Fan.

In welcher Sprache sie mit ihren Kindern spricht? "Ich spreche daheim fast ausschließlich italienisch, da mein Mann das ebenfalls sehr gut kann", sagt sie. Ihr Sohn jedoch antwortet immer auf Deutsch, obwohl er mit den Großeltern fließend italienisch kommuniziert, so Scarabello. Warum dann nicht mit ihr? "Er sagt immer: Mama, wir sind hier in Deutschland."

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