Süddeutsche Zeitung

SZ-Hilfswerk Adventskalender für gute Werke:Immer nur sparen

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Vielen Menschen reicht die Rente nicht einmal für das Nötigste. Das Sozialamt kann mit Spenden unbürokratisch helfen

Anna Müller

710 Euro Rente erhält Magdalena S. aus Baldham monatlich. Allein für ihre Wohnung muss sie jeden Monat 700 Euro Miete bezahlen. Deshalb bekommt sie vom Sozialamt eine Aufstockung von 370 Euro. Das reicht zwar, um über die Runden zu kommen, aber viel bleibt ihr nicht. Auch im Landkreis brauchen immer mehr Leute Unterstützung vom Amt. Altersarmut macht auch vor dem Speckgürtel Münchens keinen Halt.

"Im Moment erhalten 35 Menschen im Landkreis Grundsicherung ohne eigenen Rentenanteil und weitere 202 Personen erhalten eine Aufstockung ihrer Renten", erklärt Evelyn Schwaiger, Pressesprecherin des Landratsamtes Ebersberg. Die Zahlen erscheinen auf den ersten Blick sehr niedrig, dennoch sind immer mehr Rentner von Altersarmut bedroht: "Der Trend ist auch bei uns im Landkreis steigend", bestätigt Schwaiger. Und auch Ludwig Mittermeier, Kreisgeschäftsführer der Caritas in Grafing, erkennt darin ein wachsendes Problem: "Ich sehe gerade im Landkreis Ebersberg ein hohes Potenzial der Verarmung", sagt er. "Die Zahlen sind zwar objektiv betrachtet gering, dennoch gibt es viele Menschen, die von den Statistiken nicht erfasst werden. Was ist zum Beispiel mit denjenigen, die knapp über dem Minimum liegen?"

Nach Mittermeiers Meinung ist diese Frage gerade im Landkreis entscheidend, da hier Wohnraum sehr knapp ist und sehr teuer. "Die Leute, die vielleicht 700 Euro im Monat haben, sind zwar per Definition nicht arm, aber sie haben ihr Leben lang gearbeitet und wollen dann einfach gut klar kommen", sagt er. "Sie verlangen ja nicht ein Leben in Luxus."

Ebenso ergeht es auch Magdalena S.: "Meine Rente reicht bei weitem nicht, ich muss ja Strom und alles selber zahlen", erklärt die Rentnerin. Früher war sie einmal Modedesignerin gewesen, jetzt kann sie sich nicht einmal mehr neue Kleidung leisten. Seit bei ihr im Alter von 63 Jahren Brustkrebs festgestellt wurde, konnte sie ihren Beruf nicht mehr ausführen und rutschte von der Arbeitslosigkeit in die Altersarmut. "Ich musste mir die Brust abnehmen lassen und konnte nach meiner Erkrankung nicht mehr arbeiten, hinzu kamen mehrere Bandscheibenvorfälle", erzählt sie. Ihre drei Kinder können ihr finanziell auch nicht unter die Arme greifen, "die haben ihre eigenen Sorgen".

Die mittlerweile 70-Jährige fühlt sich allein gelassen, auch vom Sozialamt. "Ich bin ja eigentlich froh, dass ich überhaupt etwas bekomme", sagt sie. "Aber alles wird immer teurer und man bekommt trotzdem nicht mehr, da weiß man wirklich manchmal nicht, wie man über die Runden kommen soll." Organisationen wie die Tafel können zumindest in ihrem Fall auch nicht weiterhelfen, denn sie darf aufgrund ihrer Erkrankung viele Lebensmittel nicht essen. "Ich darf nur bestimmte Sachen essen und die sind oft bei der Tafel nicht verfügbar", erläutert sie das Problem. Magdalena S. spart deshalb an den Lebensmitteln, die sie kauft, isst zum Beispiel kein Fleisch. "Ich lebe eben nur von Kartoffeln und Gemüse. Was soll man machen!"

Das Sozialamt Ebersberg hingegen versucht, wenigstens in einigen der vielen Fälle dieser Art zu helfen - mit Hilfe der Spenden aus der Adventskalender-Aktion der Süddeutschen Zeitung. Eva Wenzl vom Sozialamt koordiniert die Zusammenarbeit mit der Spenden-Aktion, wodurch Sozialhilfe- und Grundsicherungsempfänger schnell und unbürokratisch Hilfe erhalten, und zwar vor Ort. "Es gibt immer wieder Bedürfnisse, die durch das Gesetz nicht gedeckt sind", sagt Wenzl. Genau so beschreibt es auch Martina Wiesböck von den Sozialpsychiatrischen Diensten in Ebersberg, die vor allem ältere, einkommensschwache Menschen unter anderem durch die Spenden aus dem Adventskalender unterstützen können.

Gerade alleinstehende Frauen wie Magdalena S. sind besonders betroffen, da sie oft nur eine geringe Eigenrente haben. Das liegt meistens daran, dass sie für die Kindeserziehung zuständig waren, oft nur Teilzeitjobs ausgeübt haben, oder andere Familienangehörige pflegen mussten. Auch die Statistiken des Landratsamtes bestätigen dies: "Grundsicherung erhalten überwiegend alleinstehende Menschen", so Schwaiger. Und auch Mittermeier von der Caritas ist sich dieser Tatsache bewusst. Doch seiner Ansicht nach sind diese Entwicklungen noch an ihrem Anfang. "Das Rentenniveau wird noch deutlich niedriger werden", so seine Einschätzung. "Die Altersarmut steht uns erst noch bevor, wir sind noch nicht mitten drin."

Die kleinen - und doch so schweren - Härten, die aber schon jetzt die Realität mancher alter Menschen in Ebersberg prägen, kann das Sozialamt mit Hilfe kleiner Geldbeträge zumindest lindern. "Von Dezember 2011 bis Dezember 2012 konnten wir in 250 Fällen mit den Spendengeldern aus dem Adventskalender weiterhelfen", sagt Eva Wenzl. Das ganze Jahr über zahlt das Sozialamt vor allem viele Kleinbeträge aus, für Fahrkarten zum Arztbesuch etwa oder die Rezeptgebühr, die gerade einfach nicht übrig ist - aber auch mal den Zahnersatz.

Die Sozialpädagogen, so Wenzl, wählten aus, wer wirklich etwas brauche. Entsprechende Rückmeldungen treffen dann bei den Mitarbeitern des Sozialamts ein. "Manche bedanken sich aufs Herzlichste", erzählt Wenzl. Postkarten oder ein persönliches Dankeschön - verschiedene Wege wählen diejenigen, die eine Spende erhalten. Viele rechnen gar nicht mit einer Hilfe und erwähnen ihren Mangel nur nebenbei. "Beschämte Altersarmut", nennt die Expertin Wenzl als großes Problem. "Viele leben im Verdeckten in Armut." Die Personen, die die hohe Dunkelziffer ausmachen, von der Wenzl spricht, erreicht auch das Sozialamt mit den Spendengeldern nicht. "Aber die, denen wir helfen können, ist es ganz oft nicht nur eine finanzielle Entlastung, sondern auch eine psychische."

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Quelle:
SZ vom 08.12.2012
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