SZ-Adventsreporter:Schwerstarbeit zwischen Heiligen und Engeln

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In der Ebersberger Kirche St. Sebastian packt Pfarrer Josef Riedl selbst mit an, wenn es ans Aufstellen der Christbäume geht

Von Jonas Wengert, Ebersberg

Das leise Ächzen kommt nicht vom langen Baumstamm. Der biegt sich in schräger Position zwar sichtbar, es sind jedoch die Arbeiter, die unter seinem Gewicht mitunter stöhnen und dennoch beherzt zwischen die nadeligen Zweige greifen. Der Besuch der Christmette zu später Stunde gehört für viele zu Heilig Abend wie das gemeinsame Familienessen und die Bescherung. Dabei soll die Kirche, was Dekoration und Atmosphäre angeht, dem heimischen Wohnzimmer in nichts nachstehen. Und so werden sich die geschmückten Christbäume an den Altären der Pfarrkirche St. Sebastian in Ebersberg auch in diesem Jahr ganz selbstverständlich einfügen in das Bild der weihnachtlichen Glückseligkeit. Von selbst, soviel sei verraten, finden die Tannen jedoch nicht an ihren Platz.

"Der wiegt mit Sicherheit 150 Kilo", sagt Christian Doerr, während er versucht, einen der Bäume anzuheben. Doerr ist Verwaltungsleiter der Pfarrei und hilft an diesem Donnerstagabend erstmalig beim Aufstellen der Christbäume in St. Sebastian. Letztendlich müssen er und Pfarrer Josef Riedl die schwere Nordmanntanne, die im Seitenschiff gelagert wurde, in den Chorraum ziehen. Dort wurden die Stühle bereits vorher zur Seite geräumt und der rote Teppich aufgerollt. Obwohl noch immer eingenetzt, verliert der Baum auf dem Weg Nadeln, die sich besonders an den Stufen zu kleinen grünen Streifen ansammeln. Rechts neben dem Hochaltar soll er also aufgestellt werden. Mesner Isidor Perstorfer steht schon mit der Sackkarre bereit, auf die der angespitzte Stamm gelegt wird. Dann stemmt sich Pfarrer Riedl, heute mit Pulli und Arbeitshandschuhen statt mit Bassgeige und Stola bekleidet, gegen die Tanne und richtet sie ein Stück weit auf. Um sich weiter in die Höhe vorarbeiten zu können, holt Doerr eine Aluleiter, mit der er und Riedl den Baum nach und nach in eine aufrechte Stellung bringen. Nun folgt der kniffligste Moment. Der wackelige Riese muss von der Sackkarre in den Baumständer gehievt werden. "Eins, zwei, drei, Hopp", gibt der Pfarrer Kommando, und einen zielsicheren Moment später steht der Baum in der Halterung. "Vorsicht", ruft Doerr und bremst voreilige Gelassenheit, "wenn ich loslasse, kippt er." Tatsächlich wankt die Tanne einigermaßen bedrohlich hin und her, man möchte den Engelsfiguren am Altar raten, ihre Flügelchen sicherheitshalber einzuziehen. Derweil ist Mesner Perstorfer nicht mehr zu sehen. Er kniet am Boden neben dem Baumständer. Diesen muss er behutsam entsichern, damit die anderen Helfer den Baum zu allen Seiten richtig austarieren können.

Mir macht so was Spaß", sagt Pfarrer Josef Riedl über seinen Einsatz. (Foto: Christian Endt)

Nach einigen Versuchen lösen Riedl und Doerr ganz langsam ihren Griff, die Hände aber weiter in Hab-Acht-Stellung ausgestreckt, um ein plötzliches Kippen der Tanne immer noch abfangen zu können. Aber, Gott sei Dank, der erste Christbaum steht und wird sogleich von Pfarrer Riedl, der fix die Leiter hochgeklettert ist, mit einem dünnen Stahlseil an einem Nagel am Hochaltar festgebunden.

Währenddessen krabbelt Perstorfer unter dem Sechs-Meter-Baum hervor, ihm hängen einige grüne Tannennadeln in den kurzen grauen Haaren. "Ja, die Vorweihnachtszeit ist für Mesner auch eine potenziell unfallträchtige Zeit", sagt der 59-Jährige, seit 1993 in St. Sebastian tätig. Vor allen Dingen beim späteren Schmücken mit Lichterketten, Strohsternen und silbernem Lametta werde er vorsichtig sein müssen.

Der zweite Baum überragt den ersten sogar noch um ein paar Zentimeter, den-noch steht er deutlich schneller gesichert und angebunden an dem für ihn vorgese-hen Platz links vom Altar. Er ist um einiges schmaler von Statur und für die Arbeiter somit leichter zu handhaben. Am äußers-ten Rand des Hochaltars steht die Figur des Heiligen Ignatius. Mit seinem ausgestreckten Arm wirkt es, als versuche der Heilige nach der Spitze des Baumes zu greifen.

Mit ihm stellen Christian Doerr und Isidor Perstorfer die Bäume auf. (Foto: Christian Endt)

Im Hintergrund hört man mittlerweile den Kinder- und Jugendchor Weihnachtslieder proben und ein süßer Duft nach Tannennadeln liegt in der kalten Kirchenluft. Früher habe die Kirche von der Stadt Ebersberg noch Fichten bekommen, erzählt Perstorfer. Seines Wissens nach habe man dort jedoch vor einigen Jahren das entsprechende Waldstück als Ausgleichsfläche abgeben müssen, daher beziehe die Pfarrei nun ihre Christbäume vom Huberhof der Familie Kendlinger in Grafing. "Und seitdem sind es Tannen anstatt Fichten", sagt Perstorfer und fügt mit einem Lächeln hinzu: "Auf Wunsch des Herrn Pfarrer." Tannen würden einfach besser halten und nicht so stark nadeln, erklärt Pfarrer Riedl. "Bei uns stehen die Christbäume ja bis Maria Lichtmess Anfang Februar."

Für Riedl ist es selbstverständlich, auch mal in Arbeitsklamotten zu schlüpfen und selbst mit anzupacken. "Mir macht so was Spaß. Ich bin schließlich auf einem Bau-ernhof groß geworden", sagt der 62-Jährige und schnappt sich die Handbohrmaschine. Die Stämme der beiden kleineren Bäume für die Seitenaltäre müssen noch angebohrt und in die jeweiligen Baumständer bugsiert werden. Im Vergleich zu ihren riesigen Geschwistern im vorderen Bereich der Kirche, gestaltet sich das Unterfangen mit den circa zweieinhalb Meter hohen Tannen als ein Klacks.

Mesner Perstorfer kehrt am Ende noch die verstreuten Nadeln zusammen und rollt den Teppich wieder aus. Um den Baumschmuck werde es sich an diesem Wochenende kümmern, sagt er. Dann kann Weihnachten in St. Sebastian kommen.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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