Süddeutsche Zeitung

SZ-Adventskalender:Es bleibt nichts übrig

Albert K. war sein Leben lang fleißig, er hat einen Betrieb aufgebaut, in dem er mit 77 Jahren immer noch mitarbeitet. Doch seine Rente fließt in die Krankenkasse.

Von Alexandra Leuthner

Eigentlich hatte es nie so ausgesehen, als würde Albert K. (Name von d. Red. geändert) einmal arm sein. Sein Leben lang hat er gearbeitet, viel gearbeitet. Er hat sich selbständig gemacht, beinahe alles Geld, das er hatte, in seinen Betrieb investiert. Und jetzt ist er 77, und hat von seiner Rente fast gar nichts: Sie geht fast vollständig für die private Krankenkasse drauf, aus der er nach Jahrzehnten der Selbständigkeit nicht mehr herauskommt.

Albert K. empfängt oben am Treppenabsatz im ersten Stock. Das Treppenhaus des kleinen Mehrfamilienhauses ist eng und in die Jahre gekommen, so wie er auch. Die Stufen sind steil, der Teppich darauf abgewetzt, ehemalige Mieter in einer Wohnung weiter oben haben bei ihrem Auszug Bettenroste zurückgelassen, die hier herumstehen und den Eindruck von Enge verstärken. Albert K. bittet in die Wohnung, auch sie ist alt, aber bietet zumindest Platz. In einem Kachelofen in der Küche lodert ein Feuer aus Holzscheiten, "Briketts gibt es keine mehr", erzählt er. "Zum Glück haben wir den Ofen, ich lasse alle Türen auf, damit die Wärme überall ein bisschen hinkommt." Er lacht jenes Lachen, das die Fältchen in seinem Gesicht erklärt.

Albert K. lacht viel und gern, und immer dann, wenn ihm wieder etwas Neues einfällt, von dem er erzählen kann. Dabei ist vieles davon alles andere als lustig. Etwa die Sache mit dem Herzinfarkt, den er beim Schneeräumen hatte und irgendwie ohne Hilfe überlebt hat. Zum Arzt wollte er nicht. Bei einer Hüftoperation war sein Oberschenkel beschädigt worden - sein Vertrauen in die Mediziner hielt sich in Grenzen. Fünf Schrauben stecken seither in seinem Schenkelknochen, die ihm zunehmend Schmerzen verursachen. Nach dem Herzinfarkt ging es ihm allerdings zunehmend schlechter, Sekundenschlaf überfiel ihn regelmäßig. Beim ersten Mal ist er wieder aufgewacht, weil sein Wagen über den Grünstreifen holperte und an der Leitplanke scheuerte. Plötzliche Müdigkeitsattacken zwangen ihn fortan ständig zu Pausen auf Rastplätzen oder am Straßenrand. Als Albert K. doch zum Arzt ging - "ich war sterbenskrank" -, schlug der die Hände über dem Kopf zusammen. Seither hat er elf Stents für sein Herz bekommen. "Zum Glück hatte ich damals noch die gute Versicherung", sagt er.

Seine Lebensversicherung musste er auflösen für seinen Betrieb

Inzwischen ist sie kein Glück mehr für ihn. Für den Sohn von Vertriebenen aus dem Sudetenland, die 1946 in einem Viehwagen aus ihrer Heimat kamen und letzten Endes im Landkreis landeten, war eine Beamtenkarriere vorgezeichnet. Er arbeitete zunächst in einer Verwaltung, gab Anfang der 70er Jahre seinen Posten auf, mit dem er nicht mehr zufrieden war, und gründete in München einen Dienstleistungsbetrieb. Etliche Umschulungen waren nötig, Kurse, die er machen musste, doch Albert K. war ehrgeizig. Gemeinsam mit seiner Frau führte er das Geschäft, investierte dreimal im Laufe von 30 Jahren sechsstellige Beträge in neue Maschinen, mehr als 150 000 Euro beim letzten Mal. Seine Lebensversicherung, in die er viel eingezahlt hatte, musste er dafür auflösen, aber geänderte gesetzliche Vorgaben ließen ihm keine Wahl.

Inzwischen leitet seine Tochter den Betrieb. Weil das Geld, das er in seine Lebensversicherung eingezahlt hat, im Unternehmen steckt, bleibt ihm nur eine Rente von etwas über 600 Euro. Aus der privaten Krankenkasse, die er als Beamter abgeschlossen und in der er als Selbständiger geblieben ist, könne er in seinem Alter nicht mehr raus. So zahlt er jeden Monat 560 Euro an die Kasse, habe dafür aber den Beitrag - und damit auch die Leistungen - so weit wie möglich reduziert. Dann sind da noch die Miete, die Nebenkosten, Medikamente. Albert K.s Frau geht es "hundsmiserabel". Bei einer Gallenblasenoperation vor einigen Jahren sei das Zwerchfell beschädigt worden, seither könne sie kaum noch etwas essen. Ihre Rente und ein Zuschuss vom Amt reichen zwar für die Miete, aber ohne einmal wöchentlich die Tafel aufzusuchen, geht es nicht. Und doch, richtig große Wünsche hat Albert K. nicht. Ein kleiner Zuschuss für ein schönes Weihnachtsfest, das er und seine Frau vielleicht mit einem Teil seiner Kinder und Enkel feiern können - er nickt, ja, das wäre schön. Aber er lacht nicht.

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