SZ-Adventskalender:Allein zu Haus

SZ-Adventskalender: Seit einigen Jahren ist Andrea S. auf einen Rollator angewiesen - aber um sich ihre Wohngegend anzuschauen, ist sie selbst damit zu wackelig auf den Beinen.

Seit einigen Jahren ist Andrea S. auf einen Rollator angewiesen - aber um sich ihre Wohngegend anzuschauen, ist sie selbst damit zu wackelig auf den Beinen.

(Foto: imago stock&people)

Seit gut drei Jahren kann Andrea S. nicht mehr arbeiten - Arthrose, Osteoporose und extreme Schmerzschübe machen das unmöglich. Das Geld könnte seitdem kaum knapper sein. An guten Tagen schafft sie mithilfe ihres Rollators die Busfahrt zum Einkaufen, ansonsten kommt die 52-Jährige nicht mehr aus dem Haus.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Seit bald zwei Jahren lebt Andrea S. (Name von der Redaktion geändert) in der kleinen Erdgeschoss-Wohnung - aus ihrer alten, gut 25 Kilometer entfernt, musste sie wegen Eigenbedarf raus. Doch an ihrem neuen Wohnort kennt die 52-Jährige eigentlich nichts anderes als die Bushaltestelle. Weiter kommt sie nicht mit ihrem Rollator, mit dessen Hilfe schafft sie es immerhin zum Bus, um zum nächsten Supermarkt zu fahren. Andrea S. hat starke Arthrose, in den Knien fing es an, mittlerweile hat die Krankheit alle Gelenke befallen. Hinzu ist noch Osteoporose in der Lendenwirbelsäule gekommen und eine Krankheit, die sich Fibromyalgie nennt - das löst bei ihr manchmal solche Schmerzschübe aus, dass gar nichts mehr geht.

Das war nicht immer so. Früher, vor vielen Jahren, da hatte Andrea S. eine Arbeit, war verheiratet und hatte gemeinsam mit ihrem Mann eine Tochter. Noch früher, in ihrer Kindheit, war sie eine erfolgreiche Eiskunst- und Eisschnellläuferin. Schon mit vier Jahren begann sie den Sport, bald stand sie jeden Tag auf dem Eis. "Aber es lief eben nicht immer glatt", sagt die 52-Jährige. Oder vielleicht müsste man eher sagen: Manchmal lief es eben zu glatt. Stürze gehörten zum Training auf dem Eis dazu, oft kugelte sich Andrea S. dabei die Kniegelenke aus. "Als ich 14 oder 15 war, musste ich aufhören mit dem Sport." Ihre Kniegelenke machten die starken Belastungen und Verletzungen nicht mehr mit. Trotzdem wurden mit den Jahren die Schmerzen in den Knien schlimmer, irgendwann folgte die Diagnose Arthrose.

Weil sie hier einen Job bekam, zog Andrea S. in den Landkreis Ebersberg

Aber Andrea S. ließ sich nicht unterkriegen. Auch nicht, als ihre Ehe in die Brüche ging und sie an dem Ort, an dem sie damals lebte, einfach keine Arbeit mehr fand - die Arbeitslosenquote lag damals weit über dem deutschlandweiten Durchschnitt und ist es auch heute noch. Andrea S. aber wollte arbeiten, unbedingt, also bewarb sie sich nach der Scheidung deutschlandweit. Sie landete schließlich im Landkreis Ebersberg, das ist gut zehn Jahre her.

Es gefiel ihr in Bayern, und erst recht gefiel ihr die Ausbildung zur Sicherheitsfachkraft, die sie hier begann. Die Ausbildung sei nicht ohne, erinnert sich die 52-Jährige, man müsse schon sehr fleißig lernen, um am Ende die Prüfung zu bestehen. 25 andere Teilnehmende sind zu Beginn in dem Kurs von Andrea S. gewesen. Am Ende schafften drei die Prüfung - eine davon war sie.

Der neue Job machte ihr Spaß. Sie war gerne mit den Kollegen zusammen. In ihrer Wohnung hat 52-Jährige ein paar Fotos aus der damaligen Zeit aufgehängt. Sie zeigen eine andere Andrea S. als die, die nun vor einem sitzt. Eine lebenslustige, fitte Frau, die gerne in Gesellschaft ist.

2014 dann geschah etwas, das sie aus der Bahn warf: Ihre Tochter starb bei einem Unfall, sie war erst 23 Jahre alt. "Die Stimme am Telefon, ich erinnere diesen Anruf, als ob er gestern gewesen wäre", sagt sie. Ihre Augen werden glasig, ihre Stimme brüchig. Täglich hatte sie mit der Tochter telefoniert, so oft es ging geskypt - die Tochter wohnte einige Hundert Kilometer weit weg. Als von heute auf morgen alles anders war, wollte Andrea S. alles hinschmeißen, was sie sich bis dahin in Bayern aufgebaut hatte. Ihre Kollegen waren es, die sie auffingen, die sie motivierten, ihr Kraft gaben.

Also schwenkte Andrea S. über in das andere Extrem und stürzte sich in den Job. Sie arbeitete sich hoch bis zur Schichtleiterin. Zu Hause war sie nur noch zum Duschen und Schlafen. Doch ihre Arthrose wurde immer schlimmer, hinzu kamen starke Rückenschmerzen. Irgendwann schaffte sie die Gebäude-Rundgänge nicht mehr. Ihr Vertrag wurde 2019 nicht verlängert, seitdem ist sie arbeitslos.

Die Fibromyalgie löst extreme Schmerzschübe aus, dann geht gar nichts mehr

Bei ihrem aktuellen Gesundheitszustand ist an einen neuen Job nicht zu denken. So löst die Fibromyalgie extreme Schmerzschübe in ihr aus, einfach so, ohne Vorwarnung - dann kann Andrea S. gar nichts mehr machen. An schlechten Tagen kann sie kaum aus dem Bett aufstehen, in ihrer Wohnung stehen immer noch unausgepackte Kartons von ihrem Umzug vor zwei Jahren. "Ich schaffe alleine einfach nicht mehr." Seit kurzem unterstützt die 52-Jährige eine Haushaltshilfe, die alle zwei Wochen für eine Stunde vorbeikommt.

Aus dem Haus schafft es Andrea S. mittlerweile kaum noch. Selbst der Gang zur Haustüre kann auch mal 15 Minuten dauern, vor ein paar Wochen ist sie trotz Rollator gestürzt. Gerne wäre sie mobiler, würde sich ihre Wohngegend anschauen und mehr draußen sein. Mit einem E-Scooter mit vier Rädern wäre das möglich, damit könnte sie auch leichter zum Supermarkt gelangen. Aber die Kosten dafür werden nicht übernommen und ihr selbst bleibt zu wenig im Monat übrig, um dafür zu sparen - ohne die Unterstützung der Tafel würde Andrea S. überhaupt nicht über die Runden kommen.

So können Sie spenden

Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V.

Stadtsparkasse München

IBAN: DE86 7015 0000 0000 600700

BIC: SSKMDEMMXXX

www.sz-adventskalender.de, www.facebook.com/szadventskalender

Zur SZ-Startseite

SZ-Adventskalender
:Als das Leben noch schmerzfrei war

Ein Unfall hat alles verändert: Dana G., früher eine lebenslustige Frau, hat seit 14 Jahren Schmerzen und kann kaum noch arbeiten. Dabei bräuchte sie das Geld dringend.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: