SZ-Adventskalender:Kein Platz zum Spielen

Die Wohnung von Familie Abuchi ist viel zu klein. Deshalb können drei der sechs Kinder nicht bei den Eltern leben

Von Carolin Schneider, Ebersberg

Etwa 37 Quadratmeter ist die Wohnung groß. Neben einem kleinen Bad und einer Kochecke ist noch Platz für eine Couch, einen Esstisch, um den vier Stühle gequetscht wurden, und ein winziges Schlafzimmer. Ein Weihnachtsbaum passt da nirgends hin. Es fehlt sogar an Platz für die Kinder zum Spielen. Fünf Menschen leben auf diesem kleinen Raum. Tayo Abuchi (Name geändert) mit seiner Frau und drei Kindern: Mädchen mit zwei und vier Jahren und ein Baby, gerade einen Monat alt. "Die Wohnung ist einfach zu klein", sagt Abuchi. "Die Kinder wollen spielen, aber wo soll das gehen?" Verzweifelt schaut er sich in dem kleinen Wohnzimmer um.

Neben den drei Kindern, die zur Zeit mit ihren Eltern in der kleinen Wohnung leben, hat Abuchi noch drei weitere Kinder, die aufgrund von Platzmangel nicht bei ihrem Vater leben können. Ein sechsjähriger Sohn von Abuchi und seiner Frau lebt zurzeit beim Großvater in Nigeria. Erst wenn genug Platz da ist, kann er zu seiner Familie nach Deutschland kommen. Und dann gibt es da noch zwei Söhne, die Abuchi aus erster Ehe hat. Anfang 2017 bekam er das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Neun- und den Zehnjährigen. Doch in der Wohnung ist kein Platz für zwei Jungs, deshalb wohnen die beiden zur Zeit in einer Kindergruppe in Erding. Dort besucht Abuchi sie so oft es geht. "Die Kinder sind schon durch so viel Schlimmes gegangen", sagt der Sozialpädagoge Thomas Wicker. "Und jetzt können sie nicht einmal in einer intakten Familie leben." Wicker betreut bei der Diakonie Menschen, die in Wohnungsnot geraten sind. Dass Familie Abuchi keine größere Wohnung bekommt, ist traurig. Doch sie ist nicht die einzige Großfamilie im Landkreis, die nach mehr Platz zum Leben sucht. Die Suche ist aber fast sinnlos: Laut Wicker gibt es keine Sozialwohnungen für so viele Personen. Deshalb sucht Tayo Abuchi mit der Hilfe von Wicker auch online nach einer passenden Wohnung. Doch spätestens, wenn potenzielle Vermieter den Nachnamen des 46-Jährigen hören, kommt eine Absage. Bei nur einer Wohnungsbesichtigung war Abuchi dieses Jahr, geklappt hat es auch da nicht. "Viele denken, er sei ein Asylbewerber", so Wicker. Dabei ist Abuchi schon vor 14 Jahren aus Nigeria nach Deutschland gekommen - damals tatsächlich als Asylbewerber. Schnell hatte er jedoch alle Papiere bekommen und konnte arbeiten. Das hat er auch gleich getan, nun ist er schon seit acht Jahren bei der Kreisklinik Ebersberg als Reinigungskraft beschäftigt.

Seine Arbeit, die ihm so gut gefällt, muss jetzt jedoch erst einmal hintenanstehen. Zurzeit kümmert sich Abuchi um seine Frau und die Kinder - alles wegen einem Tag Mitte November: Es ist früh am Morgen im Ebersberger Westen, der Tag beginnt wie so viele andere auch: Tayo Abuchi lässt seine Frau und die Kinder schlafen und verlässt das Haus, um eine Runde joggen zu gehen. Nur wenig später bekommt er einen Anruf von seinem Schwager, der sich zu der Zeit gerade auch in Abuchis Wohnung befindet: Das Baby kommt! Abuchis Frau ist in der 32. Woche schwanger, es ist viel zu früh für das Einsetzen der Wehen. Doch ein Arzt in der Kreisklinik bestätigt: Es muss schnell gehen, sonst geht es weder für Kind noch für Mutter gut aus. Doch die Krankenhäuser in München, Augsburg und Rosenheim lehnen Frau Abuchi ab - sie seien voll belegt. Also wird sie mit dem Helikopter nach Landshut gebracht, dort kommt per Kaiserschnitt Abuchis jüngster Sohn auf die Welt. Baby und Mutter müssen einige Wochen auf der Intensivstation in Landshut bleiben, so lange muss Tayo Abuchi sich um seine Kinder zu Hause kümmern.

Er nimmt also seinen Resturlaub, dann unbezahlten Urlaub. Erst vor kurzem hat er einen Brief von der AOK bekommen, die im während dieser Zeit Geld für eine Haushaltshilfe beisteuert. Die Haushaltshilfe ist Tayo Abuchi selbst - in seinen eigenen vier Wänden. Das, was er von der AOK bekommt, ist weniger als sein Gehalt bei der Kreisklinik. Deshalb wird Abuchi ab Januar wieder arbeiten gehen, seiner Frau und dem Jüngsten geht es in der Zwischenzeit wieder besser, sie sind in die Wohnung in Ebersberg zurückgekehrt. Mit einem Baby wird es dort nun noch enger. Die größeren Schwestern wollen spielen, doch das ist mit einem schlafenden Baby im Zimmer fast unmöglich. Zu Weihnachten wünscht sich Abuchi nichts, außer endlich eine Wohnung zu finden, die groß genug für seine ganze Familie ist.

Die Anträge, die man stellen muss, um eine Sozialwohnung zu bekommen, hat Abuchi gemeinsam mit Wicker alle ausgefüllt. Auf diesem Weg eine Wohnung zu finden, sei allerdings beinahe unmöglich, so Wicker. Sozialwohnungen für Großfamilien gibt es in Ebersberg kaum. "Da müsste schon ein Wunder vom Himmel fallen", sagt der Sozialpädagoge. Doch Wohnungen fallen nicht vom Himmel. Deshalb bleibt Abuchi wohl nichts übrig, als weiter zu hoffen. Zu hoffen, dass ein Wunder geschieht, die Familie eine Wohnung findet und sie endlich alle zusammen leben können.

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