SZ-Adventskalender:Hausbesuch bei Heimatlosen

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Das neue Beratungsangebot der Diakonie für Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, wird gut angenommen. Wie lange es dieses noch gibt, ist indes unklar, die Finanzierung ist nur bis Ende 2018 sicher

Von Barbara Mooser, Ebersberg

In der Ebersberger Unterkunft der Diakonie leben Personen, die ihre Wohnung verloren haben. Bis zu 15 Plätze gibt es dort. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wenn der Job weg ist, und die Wohnung, dann schwindet meist auch die Hoffnung. Die Hoffnung darauf, dass es auch mal wieder aufwärts gehen kann im Leben, dass es Stellen gibt, bei denen man Hilfe erhalten kann. "Je mehr man rauskommt aus der Führung eines selbstbestimmten Lebens, desto schwieriger wird es", sagt Thomas Wicker. Seit Mai 2016 betreut der Sozialpädagoge im Landkreis Ebersberg obdachlose Menschen, hilft ihnen bei Behördenangelegenheiten oder knüpft für sie Kontakte zu Beratungsstellen. Seit August wird er unterstützt von seiner Kollegin Elisabeth Wiesböck. Das Beratungsangebot der Diakonie wird von der EU gefördert, der Bedarf ist groß - ebenso wie die Nachfrage für Wohnplätze in der neuen Unterkunft in der Eberhardstraße. Allerdings laufen beide Projekte zunächst nur bis Ende 2018, wie es danach weiter geht, ist noch unklar.

Klar ist hingegen, dass die Zahl der Menschen, die obdachlos werden oder von Obdachlosigkeit bedroht sind, auch im Landkreis Ebersberg zunimmt. Das sind jedenfalls die Beobachtungen der Fachleute der Diakonie, eine offizielle, landkreisweite Statistik gibt es nicht. "Im Großraum München haben Menschen, die vom Amt abhängig sind, schlichtweg keine Chance", sagt Wicker. Werden Menschen obdachlos, bleibt meist nur der Umzug in eine entsprechende Unterkunft der Heimatgemeinde oder in eine billige Pension. Dort schauen Wiesböck und Wicker immer wieder vorbei, fragen nach, wer Unterstützung braucht, welche Probleme es gibt.

Diese Art der Betreuung gab es bisher im Landkreis nicht, sie bietet extrem niederschwellige Hilfe - auch denen, die aus Misstrauen oder Unsicherheit niemals eine Beratungsstelle aufsuchen würden. Man müsse oft erst einmal klar machen, dass man nicht von der Gemeinde oder einer Behörde komme, und es jedem offen stehe, das Hilfsangebot anzunehmen oder auch nicht, erzählt Wiesböck: "Dann sind die meisten doch sehr dankbar und froh über unsere Hilfe." Oft seien es ganz einfache Alltagsangelegenheiten, bei denen man die Menschen unterstütze, sagt Wicker. Wie regelt man es, dass die Post auch in der Pension ankommt, in der man seit neuestem lebt? Wie findet man heraus, an wen man sich im Jobcenter wenden kann? Häufig haben die Menschen aber auch Probleme, bei denen es mit einem Anruf oder dem gemeinsamen Ausfüllen eines Formulars nicht getan ist - Suchterkrankungen, Schulden, psychische Probleme. In solchen Fällen vermitteln Wiesböck und Wicker ihre Klienten an entsprechende Beratungsstellen. Das sei auch das Ziel des Projekts, erläutert Katja Merker, die Bereichsleiterin der Wohnungsnotfallhilfe bei der Diakonie: die Menschen in bestehende Netzwerke zu integrieren, ihnen vorhandene Angebote zugänglich zu machen. Für eine sehr viel intensivere Betreuung jedes einzelnen Klienten haben die Fachleute auch gar keine Zeit, schließlich betreuen sie jährlich bis zu 150 Menschen und dazu die Unterkunft in der Eberhardstraße.

Das rosafarbene Haus bietet seit Mitte 2016 in Einzel- und Doppelzimmern und auch Appartements Platz für bis zu 15 Menschen aus dem Landkreis; es soll eine Zwischenstation sein, im Idealfall nur für ein paar Monate, bis sich eben vielleicht doch eine eigene Wohnung findet. Inzwischen besteht längst eine Warteliste, wenn es eine Vakanz gibt, sind die Fachleute der Diakonie immer wieder gezwungen zu entscheiden, wer das Zimmer am nötigsten braucht. Frauen mit Kindern sind dann meist ganz oben auf der Liste, aber der neue Bewohner muss auch zur Hausgemeinschaft passen. Die Kosten für die Unterkunft der Bewohner übernehmen die Gemeinden, aus denen die Betroffenen stammen. Ursprünglich war auch noch geplant, eine zweite Übergangsunterkunft im Norden des Landkreises einzurichten, davon habe man aber wieder Abstand genommen, weil man mit dem bisherigen Angebot schon stark in Anspruch genommen sei, erläutert Merker. Noch bis Ende 2018 ist die Finanzierung der Betreuungs- und Beratungsarbeit für die Obdachlosen gesichert, Geld gibt es dafür vom Europäischen Hilfsfonds für die am meisten benachteiligten Personen (EHAP) sowie den Bundesministerien für Arbeit und Soziales und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ob die Diakonie danach das Angebot aufrechterhalten kann, darüber müssten spätestens Anfang 2018 Gespräche stattfinden, wie Katja Merker betont. Geklärt werden muss dabei auch, ob die Unterkunft in der Eberhardstraße oder möglicherweise auch an einem anderen Ort weiter betrieben werden kann.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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