SZ-Adventskalender:Morddrohungen vom Ex-Mann

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Die Scheidung von ihrem gewalttätigen Partner hat bei Marion W. einen Berg an Schulden hinterlassen. Irgendwie schaffen sie und ihr neuer Freund es dennoch, zwei kleine Kinder zu versorgen - aber die Not ist groß.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Ein Kasten Bier und eine dreiviertel Flasche Schnaps haben gerade so gereicht, wenn der Ex-Mann von Marion W. über das Wochenende bei ihr und der gemeinsamen Tochter war. Alle paar Wochen kam er, die restliche Zeit lebte er wegen seines Jobs in einer anderen Stadt. "Das ging eigentlich schon gar nicht mehr", sagt die 36-Jährige heute. "Aber ich habe weiter um unsere Ehe gekämpft, wir haben schließlich eine Tochter gemeinsam." Widerwillig stimmte der Ex-Mann zu: Mittags nur noch höchstens zwei Bier, abends maximal drei Bier und zwei Schnaps. Trotzdem warf er im Streit Sachen nach Marion W. Einmal war es ein Masskrug. Die Tochter war fast immer dabei, während sie selbst oft weinend in der Ecke saß. "Papa, Papa, hör auf, die Mama weint schon", habe das Mädchen dann gerufen. Nach zehn Jahren Ehe hat die 36-Jährige dann kapituliert, wie sie sagt. Sie trennte sich. Doch damit ging es erst richtig los.

Die Trennung liegt mittlerweile etwa fünf Jahre zurück. Seit einiger Zeit hat Marion W., die in Wahrheit anders heißt, einen neuen Partner, ihre Jugendliebe. Er kümmert sich um die Tochter der 36-Jährigen, mittlerweile sieht das Mädchen ihn als Vater, ihren "Papa vom Herzen her". Im August kam das gemeinsame Kind des Paares zur Welt. Eigentlich könnte man sagen, dass Marion W. glücklich ist. Sie sitzt auf dem Sofa in ihrer Wohnung im Landkreis Ebersberg, das Handy vor ihr - ein Video-Telefonat. Erkältung, lieber keinen persönlichen Kontakt. Sie schwenkt ihr Handy nach unten, in ihrem Arm liegt das Baby und schaut mit großen Augen hoch zur Mutter. Die 36-Jährige dreht das Handy in die andere Richtung, wo die Tochter am Tisch sitzt und in Schularbeiten vertieft ist.

Die Scheidung zog sich über zwei Jahre hinweg

Aber Glück und Leid liegen manchmal nahe beieinander. Die Scheidung kostete Marion W. knapp 7000 Euro. Geld, das sie nicht hatte. Über zwei Jahre hinweg zog sich deshalb der Scheidungsprozess, weil sie die Anwaltskosten in Raten abstotterte, einen Teil des Geldes lieh sie sich von ihrem Onkel. Begleichen konnte sie ihre Schulden bei ihm bis heute nicht.

Als Marion W. die Scheidung einreichte, hörte ihr Ex-Mann auf, Kindesunterhalt zu zahlen. Mittlerweile überweist er wieder Geld, den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestunterhalt. Weil er so wenig verdienen würde, wie er gegenüber den Behörden angibt. Marion W. hegt starke Zweifel daran - der Ex-Mann lebt nun bei den Eltern, mietfrei. Da soll nicht mehr Geld für seine Tochter übrig bleiben?

Weitere Anstrengungen, damit die Tochter das bekommt, was ihr zusteht, kann Marion W. nicht unternehmen. Dafür habe sie nicht das nötige Geld für einen Anwalt und auch nicht die Kraft. Weder Mutter noch Tochter haben aktuell Kontakt zum Ex-Mann. Vielleicht ist das besser so, wenn man bedenkt, was die 36-Jährige weiter erzählt: Während der Scheidung sprach ihr Ex-Mann Morddrohungen ihr gegenüber aus. Mehrfach. Sie solle aufpassen, dass er eines Tages nicht vor ihrem Haus wartet - er könne nicht wissen, was dann passiert. Marion W. hatte Angst, wie sie heute sagt. Große Angst. Sie reichte eine Unterlassungsklage ein.

Dann wurde auch noch die Mutter schwer krank

Während die 36-Jährige diese Horror-Scheidung durchlebte, wurde ihre Mutter krank. Erst Brustkrebs. Dann Verdacht auf Gebärmutterhalskrebs. Später Leukämie. Und eine Thrombose im Auge. "Ich habe das alles nicht mehr ausgehalten." Geschlafen hat sie während dieser Zeit kaum. Stattdessen lag sie weinend im Bett. "Ich war völlig ausgelaugt - da war niemand, mit dem ich darüber sprechen konnte, meine Tochter und ich waren alleine."

Die Pflegeversicherung deckt die meisten Kosten, dennoch kommt es ab und an zu unkalkulierten Ausgaben. Wenn zum Beispiel der Onkel, der sich vornehmlich um die Mutter kümmert, wegen seines Jobs mal nicht zum Arzt fahren kann und ein Taxi bestellt, vorab alles mit der Frau, Praxis und Taxifahrer abspricht - und die Frau dann aber einen Tag hat, an dem ihre Verwirrtheit und Demenz so groß sind, dass sie einfach nicht ins Taxi einsteigt. Eine solche Leerfahrt wurde mit 250 Euro berechnet, wie Marion W. sagt. Finanziell beisteuern kann sie derzeit nichts, obwohl sie es gern täte. Sie könnte sich im Moment nicht einmal eine spontane Fahrt zur Mutter leisten.

In wenigen Monaten will Marion W. wieder arbeiten gehen, eine längere Elternzeit kann sich die junge Familie nicht leisten. Vor ein paar Wochen erst, so erzählt die 36-Jährige, habe die Tochter sie gefragt: "Mama, warum haben eigentlich all deine Sachen Löcher?" Das Mädchen hatte Recht: Die Kleidung von Marion W. ist alt und abgetragen. Marion W. aber ist das egal. "Ich will, dass es meinen Kindern an nichts fehlt - das ist am wichtigsten." Deshalb hofft sie auch, von einer Spende des SZ-Adventskalenders für die Tochter ein Tablet oder einen Laptop kaufen zu können. Die Geräte, die die Familie besitzt, sind so alt, dass das Mädchen damit nicht am digitalen Schulunterricht teilnehmen konnte. Und Leihgeräte von der Schule? "Die waren alle schon weg", sagt Marion W. "Es gibt Familien, die haben noch weniger als wir." Zum Homeschooling nutze die Tochter das Smartphone der 36-Jährigen.

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