SZ-Adventskalender:Dem Glück so nah

Weil sie mit ihrem Mann keine bezahlbare Wohnung in Poing findet, muss Hodan Abdi Adan aus Somalia seit einem halben Jahr mit ihren zwei Kindern in einer Obdachlosenunterkunft leben

Von Franziska Langhammer, Poing

Es könnte so schön einfach sein, wenn es nicht so kompliziert wäre: Zwei Menschen treffen sich in einem Café, tauschen Nummern aus, verlieben sich. Sie heiraten, bekommen zwei Kinder und leben glücklich zusammen. Bis auf den letzten Punkt hat die Familie, von der dieser Artikel handelt, genau das erlebt, was für viele Menschen die Vorstellung vom perfekten Glück erfüllt. Wäre da nicht das Problem, dass es hier nicht um Lisa Müller und Bernd Maier geht, sondern um Hodan Abdi Adan und Musa Ibrahim. Sie wollen zusammen sein, können es aber nicht.

Hodan Abdi Adan stammt aus Somalia, einem von Bürgerkrieg und Terror zerrütteten Land, in dem Frauen nichts zu sagen und kaum Chancen haben. Laut Terre des Femmes sind 98 Prozent der Frauen genitalverstümmelt; damit weist Somalia die weltweit höchste Rate auf. Auch die medizinische Versorgung ist schlecht, jede 18. Frau stirbt bei der Geburt ihres Kindes. Über ihre Geschichte möchte die heute 27-Jährige nicht sprechen; nur, dass sie einen Bruder hat und bei einer Tante aufgewachsen ist, erzählt sie. Und dass sie schon einmal verheiratet war, ihr Mann aber tot ist.

Adventskalender, Flüchtlingsfamilie aus Somalia

Noch haben Hodan Abdi Adan und ihr Mann Musa Ibrahim das Lachen nicht verlernt. Dabei steckt die Familie in einer schwierigen Situation: Eigentlich würden sie gerne alle zusammen leben, finden aber keine bezahlbare Wohnung.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vor drei Jahren, da ist Abdi Adan 24, macht sie sich auf in eine bessere Zukunft. Von Ägypten aus setzt sie mit einem Boot nach Italien über; auch über diese Reise schweigt sie lieber. Das Datum ihrer Ankunft in Deutschland hat Abdi Adan sofort parat: Am 10. Oktober 2016 kommt sie mit dem Bus in München an. Sie sei erleichtert gewesen, hier zu sein, sagt sie auf Somalisch. Ein Freund, der besser Englisch spricht als sie und beim Übersetzen hilft, fügt hinzu: "Sie war sehr glücklich." Zuerst kommt Abdi Adan in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Fürstenfeldbruck unter, dann in einer Unterbringung in Ingolstadt. Von dort fährt sie manchmal nach München; zum Shoppen oder um afrikanische Lebensmittel zu besorgen, die es in den Geschäften nahe Hauptbahnhof gibt, sagt sie. In einem Imbiss namens "Ali Baba" sieht sie ihn zum ersten Mal, Musa Ibrahim, ihren späteren Ehemann.

Musa Ibrahim ist zu diesem Zeitpunkt schon etwas länger als ein Jahr in Deutschland. Auch er stammt aus Somalia. In einer Mischung aus Deutsch und Englisch erzählt der heute 28-Jährige, dass er in seiner Heimat um sein Leben gefürchtet habe. Seine Mutter sei schon gestorben, seine Schwester und sein Bruder leben noch dort. Gemeinsam mit einem Freund sei er geflohen, erzählt Ibrahim, mit einem Boot kam er von Libyen nach Italien. Auch er weiß noch genau, wann er Deutschland erreichte: am 4. Oktober 2015. Zuerst wohnte er in Markt Schwaben, dann in Poing. "Ich hatte anfangs Angst, ich kannte das Land nicht und wusste nichts über die Leute", sagt er und lächelt dabei, als ob es etwas zu entschuldigen gäbe. "Aber als ich dann Menschen kennen lernte", fügt er hinzu, "war ich glücklich." Manchmal fährt Ibrahim mit der S-Bahn nach München, um dort einzukaufen; Kleidung etwa oder Halal Fleisch in den türkischen Supermärkten. Bis er eines Tages Hodan Abdi Adan trifft.

Sie kommen schnell ins Gespräch, als sie feststellen, dass sie beide aus Somalia stammen. Ihre Herkunft, ihre Geschichte, die gemeinsame Sprache verbindet. Sie tauschen Nummern aus, Abdi Adan fährt wieder zurück nach Ingolstadt. Die beiden schreiben sich viele SMS, telefonieren oft. "Und dann", Ibrahim muss grinsen, als er das sagt, "fragte ich sie, ob sie nicht einen Kaffee mit mir trinken wolle." Abdi Adan sagt gleich zu. Beide strahlen, als er davon erzählt. Bald macht Ibrahim ihr einen Antrag, die beiden heiraten. Und hier beginnt es, kompliziert zu werden.

Galt viele Jahre subsidiärer Schutz für einen Großteil der Flüchtlinge aus Somalia, wird er in letzter Zeit vereinzelt Asylsuchenden aus dem afrikanischen Land aberkannt, unter anderem auch Musa Ibrahim. Weil er somit nur noch geduldet ist, kann er sich seinen Wohnort nicht aussuchen, sondern muss in Poing bleiben. Also lebt er weiterhin in einem Wohnheim für Flüchtlinge in Poing, in dem jedoch nur Männer untergebracht sein dürfen.

Bald wird seine Frau schwanger. Weil es aussichtslos ist, gemeinsam mit ihrem Mann in Poing eine bezahlbare Wohnung zu finden, zieht sie nach der Geburt ihres Sohnes Mohamendamin in ein kleines Ein-Zimmer-Apartment am Münchner Heimeranplatz. Ibrahim strengt einen Asylprozess an, den er verliert, und muss die Kosten übernehmen. Auch der Integrationskurs, den er absolviert, kostet. Weil Abdi Adans Ummeldung vom Jobcenter aus Ingolstadt nach München nicht gleich klappt, steht die kleine Familie plötzlich ohne Geld da.

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Als Abdi Adan dann vor einem halben Jahr einmal die Miete nicht zahlen kann, sperrt die Vermieterin kurzerhand die Tür zu ihrem Apartment zu, öffnet sie auch nicht, als die 27-Jährige mit einer befreundeten Helferin darum bittet, wenigstens ihre Sachen holen zu dürfen. Sie ist da mittlerweile zum zweiten Mal schwanger und steht plötzlich auf der Straße.

Rechtlich gesehen ist Abdi Adan jetzt obdachlos. Die Caritas im Landkreis Ebersberg hilft, alle relevanten öffentlichen Stellen abzuklappern, bis sie schließlich eine Notunterkunft für die Hochschwangere und ihren Sohn finden; eine Obdachlosenunterbringung in Aubing, im Westen von München. Einen Monat später kommt ihr Sohn Munir auf die Welt. Er verbringt seine ersten Lebensmonate in einem kleinen Zimmer in einer Unterkunft, in der es Spinde statt Schränke und eine große Gemeinschaftsküche gibt. "Besser als nichts", sagt Abdi Adan. Doch die jetzige Bleibe kann nur eine Notlösung sein. Musa Ibrahim darf nicht bei seiner Familie übernachten. Jeden Tag fährt er vor und nach der Arbeit zu seiner Frau und seinen zwei Söhnen; er vermisst sie sehr, sagt er. Mohamedamin sucht manchmal nach seinem Papa, ruft nach ihm.

Was sie sich wünsche? Abdi Adan schaukelt Baby Munir im Arm und sagt: "Dass wir bald zusammen wohnen." Ein Alltag allein mit zwei kleinen Kindern kann sehr anstrengend sein. Etwa, wenn man beim Einkauf etwas vergessen hat und nochmal mit beiden Kindern los muss. Oder beim Ins-Bett-Bringen. Einfach das, was man als Eltern gemeinsam erledigt, in einer ganz normalen, glücklichen Familie.

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