SZ-Adventskalender:Alleinstehend, krank und arbeitslos

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John von Düffels Routiniertheit beim Schreiben hält alle Figuren in gewissermaßen neutraler Distanz. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Eine 33-Jährige leidet unter Fibromyalgie und hat keine Möglichkeit, einen Job auszuüben. Doch irgendwie schafft sie es, ihre drei Kinder zu ernähren.

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Es gäbe viele Stellen, an denen man ansetzen könnte, um zu erklären, warum es Susi K. (Name von d. Red. geändert) nicht so gut geht wie anderen. Bei ihrem ehemaligen Lebenspartner vielleicht, nennen wir ihn Markus, dem Vater von zweien ihrer Kinder, der sie verlassen hat, als sie ihn dringend gebraucht hätte. Bei der Fibromyalgie, einer chronischen Schmerzerkrankung, die sie in ihrem Alltag behindert, sie schlecht schlafen lässt, sie müde macht. Bei ihrer Arbeitslosigkeit, die durch die anderen beiden Faktoren bedingt ist.

Sie selbst fängt bei ihrem Vater an, als sie erzählt, warum sie jetzt in der Situation ist, in der sie ist, und in der es ihr an allen Ecken und Enden fehlt. Im Februar vergangenen Jahres ist er gestorben, nicht an Corona, aber zu Beginn der Pandemie. Sie sei gerade bei ihm gewesen, als Markus sich von ihr getrennt habe, ausgezogen sei aus der gemeinsamen Wohnung. Die habe er kurz darauf auch noch gekündigt - obwohl sie mit ihren drei Kindern noch darin wohnte und für die Miete aufgekommen war. Sie zuckt resigniert die Achseln, gefragt, wie das denn habe passieren können. "Er konnte gut mit dem Vermieter, ich nicht so", erklärt sie.

Ihren Mietanteil zahlt das Jobcenter, arbeiten kann sie im Moment nicht

Bis Silvester jedenfalls sei ihr Zeit geblieben, umzuziehen. Eine neue Bleibe fand sie dann im Landkreis Ebersberg, zusammen mit einem Freund, ihrem Schwager und ihren Kindern lebt sie inzwischen in einer kleinen Doppelhaushälfte. Ihren Mietanteil zahlt das Jobcenter, arbeiten kann sie im Moment ja nicht. Sie hat niemanden, der auf die beiden kleineren Kinder aufpasst, sechs und fünf Jahre alt, sie aus der Schule oder dem Kindergarten abholt, ihnen Mittagessen macht. Ihre beiden Mitbewohner sind tagsüber in der Arbeit. Den Job, den Susi K. in Aussicht hatte, musste sie absagen, weil sie nicht sicherstellen konnte, rechtzeitig zu Hause zu sein, wenn wieder einmal die Schule ausfällt, oder ihre Kinder heimgeschickt werden wegen Corona. Vier mal habe sie schon für einen PCR-Test nach Ebersberg fahren müssen, weil die Kinder in Kontakt mit einem infizierten Kind gekommen waren. Einen Führerschein hat sie nicht, also muss sie den Bus nehmen, um in die Kreisstadt oder nach Hause zu kommen. "Der fährt aber über Mittag nicht." Auch nicht Samstag und Sonntag. Die 33-Jährige klingt unendlich müde.

Und das ist sie auch. Ihre Krankheit lässt sie schlecht schlafen. Die REM-Phasen, also die, in denen sich der Körper wirklich erholt, seien verkürzt, "man bräuchte zehn mal so viel Schlaf wie ein normaler Mensch", erklärt sie. Wofür sie kaum Zeit hat, gar keine hatte, als die Kinder im Vorjahr im Lockdown den ganzen Tag zu Hause waren. "Das war schon eine ziemliche Umstellung, man muss funktionieren, von morgens bis abends. Praktisch ist, dass wir auf dem Land wohnen, wir sind viel durch den Wald gerannt, haben Abenteuer gespielt." Dabei bringt es ihre Krankheit mit sich, dass ihr die Muskeln und Gelenke weh tun, der Schmerz sei immer da, sagt sie. Wenn sie einen Schub hat, wird es schlimmer. "Da sind dann so Sachen wie Kartoffelschälen und Treppensteigen nicht drin."

"Die Schmerzen habe ich immer, ob ich hier herumsitze oder arbeite."

Mehrere Jahre habe es gedauert, bis die Ärzte die Ursache für ihre Beschwerden finden konnten. "Dass etwas nicht stimmt, habe ich schon früh gemerkt." Arbeiten will die gelernte Raumausstatterin dennoch wieder, sobald es sich mit den Kindern vereinbaren lässt. "Die Schmerzen habe ich ja immer, ob ich hier herumsitze oder arbeite." Bei manchen Patienten würden Antidepressiva helfen, bei ihr nicht. Opiate, die einzige Alternative, lehne sie ab, bei ihrem Ex habe sie gesehen, was Drogen anrichten könnten. "Er hat ständig gekifft." Während ihre ältere Tochter, 15 ist sie, die Woche über bei ihrem Vater lebt, in der alten Heimat in einem anderen Landkreis auch die Schule beendet, will Susi K. die zwei Kleinen nicht zu Markus schicken. Sie vertraut ihm nicht.

Die Umzugsfirma, die sie gemeinsam mit ihm betrieben und für die sie die Buchführung gemacht hatte, habe er kurz nach der Trennung aufgeben müssen, was bedeutet, dass sie auch keine Unterhaltszahlungen für ihre Kinder erwarten könne. Der Unterhaltsvorschuss vom Jobcenter wird mit der Grundsicherung verrechnet. "Die Schulsachen zu kaufen, das war schon eine schwere Geschichte." Ohne die Möglichkeit, bei der Tafel einkaufen zu können, käme sie noch schlechter über die Runden.

Soweit draußen, wie sie jetzt wohnt, hofft Susi K. darauf, eines Tages doch noch den Führerschein machen zu können. Dann wäre es ihr möglich, schnell genug zu einer Arbeitsstelle und zurück zu kommen, sich um die Kinder zu kümmern. Bis dahin aber wäre sie schon dankbar für ein bisschen Geld, um Winterkleidung zu kaufen.

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