SZ-Adventskalender:Alle Ersparnisse aufgebracht

Edith B. fehlt nach einer schweren Autoimmunerkrankung und drei Lungenentzündungen das Geld zum Leben.

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Drei Lungenentzündungen in vier Jahren haben ihr den Rest gegeben. 2008 erkrankte Edith B. (Name geändert) zum ersten Mal, zwei weitere Lungenentzündungen folgten, "bei der letzten wäre ich beinahe hops gegangen", erzählt die zierliche Frau, die sich auffallend aufrecht hält - in ihrem Rücken hat sich ein Wirbel verschoben. Noch schlimmer aber war, dass mit den Lungenentzündungen eine eigenartige Hautkrankheit einher ging, die zunächst ihre Unterarme, später ihren gesamten Körper bis auf das Gesicht befiel. Ein Juckreiz, der sie zunächst zwang, mit verbundenen Armen zu schlafen, "sonst hätte ich mich bis auf die Knochen aufgekratzt".

Lange tappten die Ärzte im Dunkeln, bis sich eine Diagnose fand: Morgellonen, eine Hautkrankheit, die mit einer umfassenden Störung des Allgemeinbefindens einhergeht. In jener Zeit hatte die alleinstehende Frau auch noch ihren Kater verloren, das Wesen, das sie, wie sie erzählt, "mehr geliebt hat als alles andere auf der Welt".

Über alle möglichen Therapieversuche, unter anderem einen Aufenthalt im Harlachinger Krankenhaus für Naturheilweisen, Besuche bei diversen Ärzten und Heilpraktikern schmolz Edith B.s Geld dahin. Fast zwei Jahre dauerte es, bis die heute 73-Jährige halbwegs genesen war. Die Erinnerung an jene Zeit verfolgt sie noch immer: "Das war das Schlimmste, was ich in meinem Leben erlebt habe, und ich hatte nicht gerade eine geborgene Jugend." Ihre Mutter hatte sich umgebracht, als sie fünf Jahre alt war. Früh war sie von ihrem Elternhaus in Leipzig ausgezogen, arbeitete als Gebrauchswerberin, war spezialisiert auf Plakatmalerei und Dekoration. Später machte sie sich als Grafikerin selbständig, hatte Aufträge für Messen und Ausstellungen, ein Atelier, "ich habe meinen Beruf geliebt und gut verdient".

Auch eine Lebensversicherung hatte sie abgeschlossen: "Ich hatte alles gut geplant." Aber dann habe der Siegeszug des Computers eingesetzt, und ihre beruflichen Fähigkeiten seien immer weniger gefragt gewesen. "Plötzlich wollten alle alles selber machen." All die Berufsgruppen, mit denen sie früher zusammen gearbeitet hatte, seien nach und nach verschwunden, Schriftsetzer ebenso wie Siebdrucker, auch die Arbeitsweise der Fotografen hatte sich verändert. "Meine Aufträge wurden immer weniger. Und dann kam auch noch der Euro."

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Das Atelier musste sie aufgeben. Um ihre Ersparnisse nicht angreifen zu müssen, übernahm sie die Hausmeisterei in dem Haus,in dem sie wohnte, bis neue Hausbewohner sie so sehr mobbten, dass sie ihr Heil in der Flucht suchte. Auf der Suche nach Frieden zog sie in den Landkreis Ebersberg. Mit ein wenig Glück fand sie eine halbwegs günstige Wohnung. Telefon, Kalt- und Warmmiete konnte sie von der Rente, die sie nun bezog, gerade noch bezahlen, ebenso einen elf Jahre alten Wagen, mit dem sie immer noch zweimal in der Woche zu einer Volkshochschule fährt, wo sie Yoga- und Qi-Gong-Kurse gibt. Seit sie Rentnerin ist, habe sie versucht, sich über Wasser zuhalten: "Ich habe seit 15 Jahren keinen Urlaub mehr gemacht, und dabei habe ich so viel gearbeitet im Leben."

Was ihr neben der Erinnerung an die Krankheit, die Suizidgedanken und die Hilflosigkeit, die sie verspürt haben muss, noch geblieben ist, ist ein leeres Konto. In diesem Jahr musste sie erstmals Grundsicherung beantragen. Das Geld, das sie mit den Kursen verdient, wird bei der Berechnung natürlich wieder abgezogen, was sie nicht so ganz verstehen will: "Wenn ich nicht unterrichten würde, hätte ich schon viel früher den Antrag stellen müssen." Rechnungen für Physiotherapie und Zahnersatz über 650 Euro, die die Krankenkasse nicht übernimmt, kann sie nicht zahlen. Zur Zahnarztrechnung steuert die Kasse knapp ein Viertel bei.

Edith B. hat jetzt eine Sozialwohnung beantragt, die Gartenarbeit, die sie in ihrer jetzigen Bleibe übernommen hat, fällt ihr zunehmend schwer. Wegen der Lungenprobleme, die ihr geblieben sind, müsste sie eine Erdgeschosswohnung haben. Es wird ein Problem werden, eine solche zu finden. "Ich bin von wohlhabenden Menschen umgeben, die einzige in meinem Freundeskreis, die keinen Besitz und nichts geerbt hat", sagt Edith B.. "Ich bin schon ein bisschen traurig, dass mir nichts geblieben ist."

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