Sylvia Bohers rechtspopulistischer Kommentar :Leserbriefe

Sylvia Bohers rechtspopulistischer Kommentar : Am 3. Oktober haben auch CSU-Politiker für ein buntes Ebersberg demonstriert .

Am 3. Oktober haben auch CSU-Politiker für ein buntes Ebersberg demonstriert .

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Von Penny Bues, Zorneding, Stephan Kruip, Zorneding, Wolfram Franke, Vaterstetten

Zum Artikel "CSU-Ortsvorsitzende hetzt gegen Flüchtlinge" vom 14. Oktober:

Übel ausländerfeindlich

Am Sonntagabend sammelten sich 24 000 Menschen in München, wo diverse Künstler für Tausende geflüchtete Menschen und für ungezählten ehrenamtliche Helfer sangen. Und am Sonntagabend komme ich von einer Wochenendreise zurück, finde den Zorneding Report im Briefkasten und mache den großen Fehler, den sofort zu lesen. Ich war entsetzt.

Der Artikel "Kritisch angemerkt" von S. Bohrer hat mich empört. Ich will nicht näher auf den Inhalt dieses üblen ausländerfeindlichen Artikels eingehen. Aber als eine seit 1983 in Zorneding lebende "Ausländerin" bin ich sprachlos: Kann das wirklich die Meinung der CSU in Zorneding sein? Ich engagiere mich seit Jahren in der Ausländerhilfe in Ebersberg. Vor kurzem attackierte eine Gruppe Rechtsradikaler einen afghanischen Imbissbesitzer. Solche Artikel wie von Boher verfasst, provozieren nur: Ausländerhass, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz, mit allen ihren üblen Konsequenzen. Hat die CSU in Zorneding solche Ansichten nötig?

Politische Brandstiftung

Kritische und besorgte Anmerkungen zur Asyldebatte wären willkommen, aber Dr. Boher betreibt mit diesem Artikel im CSU-Zorneding-Report politische Brandstiftung, und ich fühle mich verpflichtet, dagegen zu protestieren. Sie vertritt nämlich im Wesentlichen zwei Thesen: 1. Kriegsflüchtlinge aus dem Nahen Osten verdienen unsere Hilfe weniger als die Kriegsflüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg, weil die letzteren Deutsche waren. 2. Die heutigen Politiker vernachlässigen bedürftige Deutsche zu Gunsten einer Luxusversorgung für Asylbewerber.

Ist es christlich, die Staatsbürgerschaft zur Voraussetzung für Solidarität zu machen? Da lohnt sich ein Blick in die Bibel: "Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst." (3. Mose/ Lev 19, 33f ). Im Gleichnis vom guten Samariter (Lk 10,25-27) wird deutlich, dass auch ein bisher fernstehender Mensch zum Nächsten wird, den man lieben soll. Die Gemeinschaft in Christus löst ethnische Grenzen sogar völlig auf: "Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid 'Einer' in Christus Jesus" (Gal 3,28). In Mt 25,31-36 wird die Behandlung des Fremden sogar zum entscheidenden Kriterium für das Heil oder Unheil des Menschen (1). Mit dem "gläubig aufwärts" des Franz Josef Strauß wird es also bei Dr. Boher nichts.

Ist es sozial, arme Deutsche gegen Asylbewerber auszuspielen? Auf wen wird da eigentlich gezeigt?

Die Unionspolitiker haben die Altersarmut bei den Rentenreformen doch bewusst mitgestaltet. Man könnte der Altersarmut relativ leicht begegnen, wenn man nicht aus ideologischen Gründen die Vermögenssteuer für Superreiche kategorisch ablehnen würde. Da schimpft man lieber auf angeblich "linksdominierte Medien", obwohl sich die Zeitungen in Deutschland nachweislich in der Hand weniger reicher konservativer Familien befinden. Oder man redet eines der besten Gesundheitswesen der Welt schlecht ("Behandlung nur dank Spenden möglich"), um den Neid gegenüber den Asylbewerbern zu schüren. Tatsächlich haben arme Deutsche bisher kaum darunter gelitten, dass Deutschland die Asylbewerber menschlich behandelt.

Die CSU einer Dr. Boher müsste sich also umbenennen, denn ihre Überzeugung ist weder christlich noch sozial. Zur Erinnerung: Das Asylrecht für politisch Verfolgte ist im Grundgesetz verankert, weil im Dritten Reich viele Deutsche sterben mussten, die in den Nachbarstaaten kein Asyl bekamen. Ich meine: Auf dieses Grundgesetz können wir stolz sein. Was würde Franz Josef Strauß also zum Artikel von Dr. Boher sagen? "Weltanschauungen sind dogmatische Bastarde, gezeugt aus ungeduldiger Quasi-Religiosität, die gleichsam die Apokalypse nicht erwarten kann." (FJS, 1982). Strauß hat seine Gegner auch schon mal mit "Wenn's schon kein Hirn haben, dann halten Sie's Maul wenigstens", abgekanzelt. Ich finde eher: Wir müssten drüber reden. Weil der Zorneding Report a) wiederholt solche unerträglichen Artikel von Dr. Boher veröffentlicht (man denke an ihr Plädoyer gegen Klimaschutz), b) Leserbriefe grundsätzlich nicht abdruckt und c) sein Titelblatt den irreführenden Eindruck einer offiziellen Schrift der Gemeinde Zorneding erweckt (ein offensichtlicher Verstoß gegen das Presserecht), werde ich die inserierenden Firmen in Zukunft nach Möglichkeit meiden.

Perfide Gedanken

Dass auch die Heimatvertriebenen nach 1945 im westlichen Deutschland nicht willkommen waren, ist leider eine traurige Wahrheit. Diese Tatsache jedoch gegen den Zustrom der Flüchtlinge von heute auszuspielen, ist geradezu perfide. Die Ursache für die Vertreibung von Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten liegt nicht in erster Linie in der Besatzung der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg, wie es Frau Boher den Lesern und Leserinnen des Zorneding Reports weismachen will, sondern in dem von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg selbst!

Auch heute wieder wird der Krieg in Syrien zum großen Teil mit Waffen aus Deutschland geführt. Wenn Lieferungen von Kriegsmaterial aus Deutschland an Gewaltherrschaften im arabischen Raum noch nicht einmal unterbunden werden, ist es doch nur recht und billig, wenigstens die Opfer der mit deutschen Waffen geführten Kriege in unserem Land aufzunehmen!

Obwohl ich kein CSU-Fan bin und diese Partei nie gewählt habe, wünsche ich der CSU von ganzem Herzen, dass es ihr gelingt, derartige verbale Brandstifter aus ihrer Partei schnellstmöglich abzuschieben, am besten in ein für Rechtsextremisten sicheres Land.

Für eine derartige Klientel würde Viktor Orbán sicher eine zuvor nie geahnte Willkommenskultur entwickeln! Im Übrigen, Frau Dr. Boher: Selbst der von Ihnen im Zorneding-Report beschworene Franz Josef Strauß würde sich schaudernd im Grab umdrehen, wenn er lesen müsste, was Sie im Namen seiner Partei verbreiten!

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