Südumfahrungsgegner:Unwillkommene Ratschläge

Der Verein zum Schutz des Kirchseeoner Südens eckt durch seine Wahlempfehlungen gewaltig an. Jetzt darf er im Gemeindeblatt nichts mehr schreiben und ist auch aus dem Kartell geworfen worden.

Von Katharina Blum

Gerda Rothhaupt weiß nicht, wohin mit ihrer Enttäuschung. "Das ist wirklich einmalig in der Geschichte des Vereinskartells", sagt sie. "Wo kommen wir denn hin, wenn das alle machen würden?" Bisher hat "das" nur der Verein zum Schutz des Kirchseeoner Südens getan, nämlich Empfehlungen für die Kommunalwahlen abgegeben. Einen riesigen Aufstand habe es deswegen nun in der Sitzung der Kirchseeoner Vereine gegeben. Mit dem einstimmigen Ergebnis: Rauswurf aus dem Kartell. Und mehr noch: Auch im Gemeindeblatt "Kirchseeon aktuell" darf sich der Verein der Umfahrungsgegner nicht mehr mitteilen. Weil er anders als alle anderen politisch neutralen Ortsvereine agiere, entschied der Gemeinderat einstimmig, sei er auf eine Stufe mit den Parteien und den Freien Wählern zu stellen - und die haben im Ortsblatt eben nichts verloren. "Wir wollen uns dort nicht gegenseitig beharken. Dann gibt es immer wieder eins drauf, wenn einer etwas geschrieben hat, was dem anderen nicht gefällt", erklärt Bürgermeister Udo Ockel (CSU).

Südumfahrungsgegner: Mit Trillerpfeifen und Transparenten waren die Südumfahrungsgegner aus Kirchseeon im März 2013 vor die Oberste Baubehörde in München gezogen.

Mit Trillerpfeifen und Transparenten waren die Südumfahrungsgegner aus Kirchseeon im März 2013 vor die Oberste Baubehörde in München gezogen.

(Foto: Robert Haas)

Im September 2012 war aus dem losen Aktionsbündnis ein eingetragener Verein geworden. Den Mitgliedern, so hieß es damals, gehe es um den Umwelt-, Landschafts- und den Grundwasserschutz ganz allgemein, aber um die geplante Kirchseeoner Südumfahrung, genauer um deren Verhinderung im Besonderen. "Wir wollen zeigen, wie schön der Süden ist", hätten sie dem Vereinskartell bei der Aufnahme gesagt. Jener Süden, durch den die weitläufige Umgehung führen könnte, die wie auch die B-304-Tunnellösung zur Anmeldung für den Bundesverkehrswegeplan nach Berlin geschickt wurde. Man habe ihnen schon damals erklärt, dass sich Vereine politisch neutral zu verhalten haben, so steht es ja auch in der Satzung, sagt die Kartellvorsitzende Gerda Rothhaupt.

Vereine stützen sich bei der Überprüfung in der Regel auf strenge Satzungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem den Einfluss nationalsozialistischen Gedankenguts auf das Vereinsleben verhindern sollten und achten auch heute noch auf neutrale Etikette. Mit dem Rausschmiss sind für die Beschützer des Südens viele Privilegien gestrichen: Kein Platz mehr auf der Ortseingangstafel, nicht mehr willkommen beim Tag der Vereine, und auch keine Vergünstigungen für Veranstaltungsequipment wie Biertische und Toilettenhäuschen mehr. Alles futsch.

"Ein bisschen komisch" und "seltsam" nennt der Vorsitzende der Umfahrungsgegner, Andreas Scherer, die aktuellen Entwicklungen. Dass sie jetzt nicht mehr Mitglied im Kartell sind, störe ihn weniger: "Eher undramatisch", sagt Scherer. "Das Kartell brauchen wir nicht. Ich habe eh immer daran gezweifelt, ob uns das weiterbringt." Deutlich mehr ärgert ihn, dass sie ihre Beiträge jetzt nicht mehr im "Kirchseeon aktuell" platzieren können. "Dort haben wir uns immer unpolitisch gehalten." Und tatsächlich: Wer sich die Ausgaben des vergangenen halben Jahres anschaut, der findet Ankündigungen zu Mitgliederversammlungen und Stammtischen, Artikel über "Die Besonderheit unseres Trinkwassers" oder ein Suchworträtsel, bei dem einen Ster Fichtenholz gewinnen kann, wer etwa beantworten kann, wie das weibliche Reh heißt oder welcher scheue Bursche nur nachts unterwegs ist.

Doch es gibt noch andere Veröffentlichungen, die weniger politisch neutral formuliert sind. So steht auf der Homepage des Vereins bei der Rubrik Kommunalwahlkampf: "Die derzeitigen Gemeinderäte haben sich 13:7 für die weitläufige Südumfahrung ausgesprochen, ein Mehrheitsverhältnis, das sich im Bürgerentscheid - der 2012 50:50 ausging - nicht widergespiegelt hat. Das wollen wir ändern! Wir freuen uns, dass sich viele engagierte Mitglieder aus unserem Verein bereit erklärt haben, für den Gemeinderat zu kandidieren und sich dort weiter für unsere Belange einsetzen werden." Darunter sechs Kurzporträts von Andreas Scherer (CSU), Natalie Katholing, Andrea Oberhauser-Hainer, Manfred Drosta Grüne, Jan Reißmann und Brigitte Sickinger (alle Grüne). Den Sprung in das Gremium geschafft haben im März Scherer, Katholing und Oberhauser-Hainer.

Und dann ist da noch der Flyer, den die Kartellvorsitzende Rothhaupt den "Stein des Anstoßes" nennt. Dort werden nicht nur die eigenen Mitglieder beworben, sondern auch weitere Kandidaten der CSU zur Wahl vorgeschlagen. "Unser Ziel kennt jeder", erklärte Andreas Scherer jetzt. "Dass Politik eine entscheidende Rolle spielt, ist doch ganz klar." Da sei es doch "verständlich", dass man jemand empfiehlt, "der unsere Interessen vertritt". Hätte der Gemeinderat erst im Mai über die Veröffentlichungen im Ortsblatt entschieden - er hätte "definitiv anders abgestimmt".

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