Süddeutsche Zeitung

Streit in der Kommunalpolitik:Fraktionen werfen Landrat Demokratiefeindlichkeit vor

Die Ebersberger Landkreisverwaltung hat einen Prüfauftrag der SPD jüngst mit einem Preisschild versehen. Nun gerät CSU-Landrat Robert Niedergesäß dafür unter Beschuss.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Um die Arbeit im Kreistag ist eine Debatte entbrannt, die mit ebendieser Arbeit zu tun hat - genauer: mit deren Wert. Dabei geht es nicht um die von den Gremienmitgliedern geleistete Arbeit, sondern um jene, welche sie im Zuge eben dieser Arbeit der Landkreisverwaltung machen. Bereits in der vergangenen Woche bekam dies SPD-Kreisrat und Fraktionssprecher Albert Hingerl zu spüren, als ein Prüfauftrag der Genossen mit einem Preisschild zurückkam: Rund zehn Arbeitsstunden und 500 Euro habe die Bearbeitung gekostet. Hingerl zeigte sich entsprechend empört (s. SZ Ebersberg vom 15. November). In einer Pressemitteilung kritisieren nun die Fraktionen von SPD, Grünen und Freien Wählern sowie die Ausschussgemeinschaft aus ÖDP und Linken das neue Preisschild auf Anträge unter anderem als respektlos und als demokratiefeindlich.

Unterzeichnet haben neben Hingerl auch Waltraud Gruber für die Grünen, Wilfried Seidelmann für die FW und Renate Glaser für die Ausschussgemeinschaft ÖDP/Linke. Was, mit genau einer Stimme, die Mehrheit der 60 Kreistagsmitglieder repräsentiert. Die unterzeichnenden Parteien "nehmen den Vorfall sehr ernst und zum Anlass, unseren entschiedenen Protest gegen diese unterschwellige und respektlose Form von versuchter Disziplinierung unserer politischen Arbeit zum Ausdruck zu bringen".

Man stelle sich die Frage: "Was will uns der Landrat damit sagen? (...) Die möglichen Erklärungen sind vielfältig und zum Teil demokratiefeindlich." Möglich, dass die Verwaltung nur darstellen möchte, "wie fleißig gearbeitet wird und welche Kosten anfallen". Kritischer wären, wenn sich die Verwaltung vom Kreistag "gestört und in ihrem Arbeitsablauf gehindert" fühlen könne, weshalb dessen Mitglieder weniger Anträge stellen sollten - was Landrat Robert Niedergesäß (CSU) in der fraglichen Sitzung zumindest in Ansätzen bestätigte. Da verwies er auf eine gestiegene Zahl von Anträgen in dieser Wahlperiode und einem entsprechend gestiegenen Arbeitsaufwand für die Verwaltung.

Ein Problem, das man seitens der unterzeichnenden Parteien durchaus anerkennt: "Falls es Gründe gibt, die eine vorübergehende Überlastung der Verwaltung zur Folge haben - dann redet einfach mit uns im Vorfeld einer Sitzung! Wir sind selbstverständlich gerne bereit, den Sachverhalt ausführlich und zeitnah in einer interfraktionellen Sitzung persönlich zu beraten." Insgesamt wird beklagt, "dass die bisher gute Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung gefährliche Risse bekommen hat", Beschlüsse und Anregungen des Gremiums würden nicht ernstgenommen.

Als Beispiel wird jener Beschluss genannt, der den Landkreis heuer zu einer Einsparung von 2,5 Prozent des Haushaltsvolumens verpflichtet hätte - in der vergangenen Sitzung des Kreis- und Strategieausschusses hatte die Verwaltung indes erklärt, dies sei unmöglich. "Zur Erinnerung: Der Kreistag überwacht die gesamte Verwaltung. Anträge und Anfragen stehen uns rechtlich zu und sind ein wichtiges Mittel der politischen Mitgestaltung. Wir fordern deshalb den Landrat, der aus unserer Sicht die politische Verantwortung für dieses Verhalten seiner Verwaltung trägt, unmissverständlich auf, zu einem kooperativen Weg zurückzukehren."

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Quelle:
SZ vom 16.11.2021/aju
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