Streifzug am Set von "Schwarzach 23":Auf der Suche nach dem Besonderen

Drei Tage lang ist ein Filmteam in Anzing unterwegs, um dort Szenen für den vierten Fall einer ZDF-Krimireihe zu drehen - das sorgt für Aufregung im kleinen Ort

Von Johanna Feckl, Anzing

Einen Blick unter die Motorhaube werfen, hier mal ein bisschen rumschrauben, dort mal ein wenig nachölen, dem Meister über die Schulter lugen, ab und an sogar selbst den Diagnosestecker betätigen, und am Ende des Tages auf jeden Fall mit Kernseife den Schmutz von den Händen schrubben. So oder so ähnlich muss wohl ein Tag im Leben von Max Herrmann aussehen. Der 19-Jährige ist im ersten Ausbildungsjahr Lehrling zum Kfz-Mechatroniker beim Anzinger Autohaus Mirbach. In der Nacht von Freitag auf Samstag aber, da war alles ganz anders. Nicht nur, weil er nachts in der Werkstatt arbeitete, was freilich eine ungewöhnliche Uhrzeit ist. Es war dieselbe Nacht, in der Hermann zum Gangster wurde.

Nun ja, er spielte zumindest einen. Drei Tage lang war ein Filmteam zu Gast im Autohaus im Anzinger Gewerbegebiet, um dort Teile für eine Fernsehproduktion zu drehen. Vergangene Woche Donnerstag- und Freitagnacht sowie am Montag fiel immer wieder die Regieklappe für den vierten Fall der ZDF-Krimireihe "Schwarzach 23", ein "Genre-Mix zwischen Krimi und Komödie", wie es in einer Pressemitteilung heißt.

Eigentlich war Max Hermann, an den ersten beiden Drehtagen da, um eine Art Laufbursche für das Filmteam zu sein: Türen im Autohaus auf- und zusperren, die richtigen Lichtschalter an- und ausknipsen. All so etwas. Irgendwie ergab es sich dann aber, dass er beim Dreh Freitagnacht auf einmal als Komparse vor der Kamera stand: Er spielte einen von mehreren Gangstern. Und - so viel darf verraten werden - dabei handelt es sich um einige der Schlüsselszenen im Film. Die Guten treffen auf die Bösen, krach-krach, bumm-bumm.

Schwarzach 23 Dreharbeiten in Anzing.

Maximilian Brückner (hinter dem Auto) und Marlene Morreis (Fünfte von links) ermitteln zum vierten Mal in der ZDF-Produktion "Schwarzach 23" als das Geschwisterpaar Hauptkommissar Franz Germinger jr. und Polizistin Anna Germinger. Regie führt wie schon bei den drei Fällen davor Matthias Tiefenbacher (rechts).

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

So etwas heißt das für gewöhnlich. "Und bitte!", ruft Regisseur Matthias Tiefenbacher am Montagmorgen. Das hat er auch bei den drei Schwarzach-Fällen davor oft gerufen, denn schon dort führte er Regie. An diesem Montag ist der 16. Drehtag für den neuen Film, insgesamt sollen es 22 werden. Bildnummern 22 bis 25 stehen auf dem Drehplan. Ein Drehort entspricht einer Bildnummer, zum Beispiel vor dem Autohaus. Drei Setmitarbeiter sind dort gerade dabei einen silbernen Audi hinein in eine Parklücke zu schieben. Die Türen öffnen sich, Hauptkommissar Franz Germinger jr., gespielt von Maximilian Brückner, steigt aus, neben ihm seine Schwester, die Polizistin Anna Germinger, gespielt von Marlene Morreis. Beide werfen Fahrer- und Beifahrertür hinter sich zu und treten vom Auto weg. "Cut!", ruft Tiefenbacher. "Dankeschön, das machen wir nochmal."

Szenenwechsel: Mechatroniker-Azubi Max Hermann steht im Showroom des Autohauses, gegenüber von ihm Mathias Leitner, der zusammen mit Wolfgang Deutinger die Geschäftsführung bildet. Zwischen Hermann und Leitner ist ein dunkelblaues Auto. Es ist eines von denjenigen, denen man ansieht, dass sie teuer sind: Ein niedriger Schlitten, Hermann reicht er nicht einmal bis zur Brust, die Inneneinrichtung ist komplett mit Leder ausgestattet, die Karosserie schnittig - alles ist eben ein bisschen cooler und "wow-mäßiger".

Schwarzach 23 Dreharbeiten in Anzing.

Max Hermann ist nicht nur Azubi zum Kfz-Mechatroniker, sondern nun auch Darsteller im neuen Schwarzach-Film - als Komparse.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Autohaus Mirbach findet man nur solche Fahrzeuge: Ferrari, Morgan, Aston Martin, Jaguar, Lotus, Bentley. Doch der Verkauf von Luxusmodellen an sich ist noch gar nicht das Besondere hier, sondern dass sie allesamt gebraucht sind, die meisten Oldtimer. Der rote Alfa Romeo TZ, Baujahr 1962, ganz hinten in diesem Raum kostet trotzdem zwei Millionen Euro. Kein Wunder, weltweit gibt es ja auch nur acht Stück von diesem Automodell.

So besonders sei der Dreh eigentlich gar nicht gewesen, sagt Max Hermann. Er sei einer von etwa zehn Komparsen gewesen, jeder von ihnen habe genaue Anweisungen bekommen, was zu tun war. "Und es gab Nebel, also hat man uns eh nicht so richtig gesehen", sagt er und lacht.

Gedreht wurde an drei Spots im Autohaus: Im Showroom, in dem Hermann von seinem Intermezzo als Gangster erzählt, auf der Verkaufsfläche vorne und in der Werkstatt dahinter. Die Szenen in der Werkstatt wurden vergangene Woche gedreht, früh abends und nachts. "Anders hätten wir dort ja nicht arbeiten können", sagt Mathias Leitner. So hatten die Mitarbeiter bald nach Drehbeginn Feierabend. Am Montag gibt es keine weiteren Werkstatt-Szenen. Stattdessen dudelt Popmusik aus Lautsprechern, ein paar Autos parken auf Hebebühnen, Mechatroniker laufen mit Werkzeug in den Händen umher, einige beugen sich tief über offene Motorhauben. Wie es in einer Autowerkstatt eben so zugeht - ganz so, als ob hier nie etwas anderes passiert sei. Besonders ist hier jedenfalls nichts.

Schwarzach 23 Dreharbeiten in Anzing.

Klappe für den neuen Schwarzach-Film.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mittlerweile ist der Drehort in das Innere des Autohauses gewandert. Ein Setmitarbeiter hält seinen linken Zeigefinger erst vor den geschlossenen Mund, dann zeigt er nach vorne. Dort laufen im Moment Probeaufnahmen für die nächste Szene. Hier, im hinteren Bereich des Verkaufsraums, ist davon kaum etwas zu hören. Nur ein paar leise Stimmfetzen von den Schauspielern wabern herüber. Mehr nicht.

Daniel Bartoschik, Serviceberater im Autohaus, sitzt an seinem Schreibtisch und blickt auf den Computerbildschirm, wenige Meter vor ihm wird geprobt. Freilich ist das spannend, bei einem Filmdreh so mittendrin zu sein, wird er wenig später sagen. Über die Drehs vergangene Woche kann er nichts erzählen, da hatte er recht bald Feierabend. Und seine Arbeit macht sich an diesem Montag nicht von selbst - Filmteam hin oder her.

Ein Anruf bei Anzings Bürgermeister Franz Finauer. Hat er eigentlich mitbekommen, dass seine Gemeinde Schauplatz in einem großen ZDF-Krimi ist? "Ja, na klar!" Die Genehmigung dafür wanderte schließlich über seinen Schreibtisch. Auf dem Dorffest am Sonntag haben ihn ein paar Anzinger angesprochen. In der Nacht auf Samstag hätten sie ein wenig Lärm gehört. Gab es etwa ein Feuerwerk? Nein, einen Filmdreh, habe Finauer dann erklärt. Tatsächlich war es sogar eine der Schlüsselszenen, die da zu hören waren. Krach-krach, bumm-bumm eben. Aufregung unter den Anzingern habe es jedenfalls überhaupt keine gegeben, sagt Finauer.

Schwarzach 23 Dreharbeiten in Anzing.

Mathias Leitner (links) und Wolfgang Deutlinger vom Autohaus Mirbach in Anzing.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ist der Filmdreh einer großen deutschen Fernsehproduktion also gar nicht so besonders für das kleine Anzing? Zumindest die Wahl fiel nicht zufällig auf die Gemeinde. Das erklärt einer der Produzenten, Andreas Schneppe von tv60film. Im Drehbuch sei die Rede von einem Autohaus für gebrauchte Luxus-Oldtimer gewesen. "Davon gibt es nicht viele", sagt er. "Das ist schon etwas besonderes." Eines dieser außergewöhnlichen Autohäuser ist nun einmal in Anzing. Und vielleicht ist Mechatroniker-Azubi Hermann gar kein Komparse, sondern ein versteckter Hauptdarsteller hinter all dem Nebel, der ihn bei dem Dreh seiner Szene einhüllte? Das wäre doch nun wirklich etwas Besonderes.

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