Stilmix made in Ebersberg:Fulminanter Klangerguss

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Jeremy Teigans Quartett wird im Alten Kino gefeiert

Von Peter Kees, Ebersberg

Wie wandelbar die Musik von Jeremy Teigan doch ist: Kürzlich waren der Ebersberger Gitarrist und der Bassist Christian Schantz mit einem grandiosen Konzert in der Glonner Schrottgalerie aufgefallen. Ein Abend, der nicht spurlos am Publikum vorüber ging, denn da hatten sich zwei in ihre Seelen blicken lassen. Doch den Glonner Auftritt sahen die beiden Musiker eher als Generalprobe an, zu einem Konzert in erweiterter Formation: Ergänzt um den Geräuschemacher Max Bauer und den Drummer Jochen Enthammer war dies nun im Alten Kino zu erleben. Obwohl mehr oder weniger das gleiche Programm - das Ebersberger Konzert klang völlig anders. Die Intimität der Schrottgalerie war der großen Bühne gewichen, das innige, zarte, fast analog anmutende Spiel einem fulminant donnernder Klangerguss, nicht zuletzt ob der Elektronik.

Schon zu Beginn war diese unüberhörbar: William Burroughs kam vom Band, während die Musiker zu ihren Instrumente gingen. Und tontechnisches Equipment braucht auch der Geräuschemacher, ganz gleich, ob er das große Donnerblech erklingen lässt oder seine Muschelglöckchen, mit denen er Wassergeräusche simuliert. Dort wo's einst süß und melancholisch klang, war's auf einmal kräftig, derb und erinnerte mitunter sogar an Funk, Rock oder Noise. War man in Glonn im intimen Inneren angelangt, so fühlte man sich in Ebersberg schnell an eine coole Clubatmosphäre erinnert. Schon das Schlagzeug trug entscheidend dazu bei, erzeugt der scharfe trockene Rhythmus doch eine gewisse Coolness, die dem Blues allerdings nicht unbedingt steht.

Zudem war der Abend in Ebersberg mit viel mehr Theatralik verbunden, nicht nur, weil die Vier auf einer Bühne saßen, sondern auch, weil eine inszenierte Soundcollage die einzelnen Nummern verband und dramaturgische Brücken schlug. So war nach Burroughs auch erst mal eine Geräuschkulisse zu vernehmen, ehe der erste Titel begann. Apropos Tontechnik: Leider fast ein wenig dumpf und basslastig klang der Sound im Alten Kino. Vor allem den Frontmann hätte man gerne intensiver erlebt, Teigans Texte waren aber leider nicht immer verständlich. Das lag auch an der Lautstärke, die sich da auf der Ebersberger Bühne entfaltete.

Die Inhalte entsprachen gleichwohl denen in Glonn: "Schmerz, Liebe, Wahnsinn, Seelenheil und Sinn des Lebens" waren die fünf Kapitel des Konzerts übertitelt - Geschichten aus "Hölle, Himmel und Vergnügungspark". Schon beim Schmerz fiel es auf: War dieser in Glonn ein eher trauriger, so wurde er hier geradezu herausgeschrien. Er war blutig geworden. Das Publikum indes war begeistert und feierte das Debüt der Band tosend. Schon während des Konzertes fiel es dem ein oder anderen schwer, still zu sitzen, so mitreißend waren die Rhythmen. Schlagzeug, Gitarre und Bass sind Instrumente, die im Grunde zur Standardausstattung gehören - einen Geräuschemacher zu integrieren, ist hingegen weniger selbstverständlich und unbedingt bemerkenswert. Ob allerdings alle Geräusche wirklich bereichernd sind und nicht eher zu viel Farbe auf die Leinwand tragen, sei einmal dahingestellt. Als Max Bauer dann zur Mundharmonika griff, war man gebannt: Da kam ein leidenschaftlicher Musiker zum Vorschein, der wenig später sogar an den Congas zu erleben war.

Übrigens - und auch das war anders als in Glonn: Nicht nur Blues-, Country- oder Tom Waits-Anklänge waren hier zu hören, die Band spielte - Stilmix ist hier ohnehin Programm - auch eine Samba-Nummer und zog sich dabei fast schon das Kleid einer Showband an. Jeremys "Life & Death Experience", so der Titel der beide Abende, hatte in Ebersberg jedenfalls weit weniger an Empfindsamkeit als in Glonn. Teigans Existenzialismus war einer gewissen Wildheit gewichen.

© SZ vom 20.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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