Stichwahl in Grafing:Wirtshausabend

Lesezeit: 2 Min.

Grafings Grünen-Bürgermeisterkandidatin Angelika Obermayr erörtert lokalpolitische Gestaltungsmöglichkeiten.

Von Thorsten Rienth

"Ich habe drei Töchter", stellt sich Angelika Obermayr vor. "Eine ist Psychologin, eine studiert Wirtschaftsgeografie und eine lernt Veranstaltungskauffrau." Da unterbricht sie einer und ruft im tiefsten Bairisch durchs Wirtshaus: "Die wirst du als Bürgermeisterin brauchen!" Das Interesse an der 54-Jährigen, die am Sonntag für die Grünen in die Stichwahl um das Bürgermeisteramt geht, ist riesig. Der "Aschauer" ist bis zum letzten Platz besetzt. Einige stehen sogar.

Angelika Obermayr erhielt in Runde eins 28,53 Prozent der Stimmen.
Angelika Obermayr erhielt in Runde eins 28,53 Prozent der Stimmen. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Es ist kein Zufall, dass die Grünen für den Freitagabend Ernst Böhm von der SPD eingeladen haben. Mit mehr als 5000 Stimmen hatte der Unternehmer bei der Stadtratswahl mit Abstand die meisten Grafinger Stimmen geholt. Und seit er im vergangenen Mai die CSU beinahe vom Landratsposten verdrängte, lassen sich Lokalpolitiker mit ihm sehr gerne blicken. Einen richtigen Titel hat die Veranstaltung nicht. Eigentlich wollen alle nur ein bisschen reden. "Wer mich kennt, der weiß, reden fällt mir nicht schwer", sagt Böhm. Die 90 Leute im "Aschauer" schmunzeln. "Ich wollte nicht Grafinger Stadtrat werden, weil ich Frieden um mich will. Aber es braucht da einen, der etwas von Baurecht versteht. Und ich verstehe was von Baurecht." Da klatschen sie.

Eigentlich aber gehört der Abend Angelika Obermayr. Bei der Bürgermeisterwahl am Sonntag vor einer Woche war die Grüne für viele überraschend nur 372 Stimmen hinter Susanne Linhart geblieben. Bei der Stadtratswahl lag Obermayr sogar 440 Stimmen vor Linhart. Seither geht es den Grünen nicht mehr um ein gutes Ergebnis. Sondern in der Stichwahl am nächsten Sonntag um den Chefsessel im Rathaus. Politisch gesehen also um alles.

"Grafing braucht mehr Mut", sagt Obermayr. "Es heißt immer: Das geht nicht, dieses geht nicht, und das da leider auch nicht." Das müsse endlich aufhören. "Lasst uns im Kleinen anfangen - zum Beispiel mit einem Übergang am Marktplatz! Dann machen wir ein echtes Bauen für Einheimische! Die Stadt soll Grund kaufen, ihn erschließen und dann günstig an Einheimische verkaufen." Bloß keine Bauträgerhäuser mehr. Während Obermayr redet, stützt sie sich mit der rechten Hand auf dem Tresen ab. Die linke ist in der Hosentasche. Zufall ist die Pose freilich nicht. Sie soll zeigen: Ich bin locker.

"Sagen Sie mir, was Sie zu sagen haben", sagt sie. Der erste meldet sich. Er beschwert sich, dass seine Straße neu geteert werde und die Anwohner einen Teil der Baukosten bezahlen müssen. "Es braucht überhaupt keine neue Straße", sagt der Mann. Sie werde sich das anschauen, verspricht Obermayr. Jemand anders ärgert sich über die Lastwagen, die zu schnell durch Straußdorf fahren. Es sei eine Frage der Zeit, bis etwas passiere. Die Stadt habe ja deshalb versucht, am Ortseingang Kreisel zu bauen. "Dafür hätten wir Grund kaufen müssen, aber der Eigentümer wollte nicht." Lokalpolitik ist nicht immer einfach. Es geht noch um die Straßenausbaubeitragssatzung, den Marktplatz, die Ostumfahrung und ein paar Mal mehr, wie etwa beim Kreisel, um Perspektiven und Grenzen lokalpolitischer Gestaltungsmöglichkeiten. Mittendrin sitzen die CSU-Stadträte Sepp Carpus, Max Emmanuel Graf Rechberg und Josef Rothmoser, dann sind da noch Freie-Wähler-Stadtrat Josef Wieser sen. und viele andere, die dem Gremium einmal angehörten oder ihm von Mai an angehören werden.

Das zeige, wie ernst Obermayr und die Grünen inzwischen genommen werden, sagen ihre Unterstützer. Das zeige, wie ernst es die Grafinger Lokalpolitiker mit der parteiübergreifenden Zusammenarbeit meinen, sagt CSU-Chef Carpus. Irgendwann, es ist halb zehn vorbei, sagt Böhm: "So wie das hier gerade, so stelle ich mir Politik eigentlich vor."

© SZ vom 24.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: