Glonner Gaudi:Von Rittern und Räten

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Die Steinseer bringen ein neues, eigenes Theaterstück auf die Bühne. Sogar ein bisschen Pandemieerfahrung fließt in die "garantiert unwahre" Geschichte ein.

Von Alexandra Leuthner

Man stelle sich das einmal vor: Das Geklapper wild galoppierender Hufe auf dem Asphalt des Glonner Marktplatzes, eine Horde Pferde in einem Rennen um den Friedhof und die Kirche herum. Vorbei an Steinbergers Marktblick, durch den Steinbruchweg hindurch, am Polstergeschäft Gabriel vorüber und hinein in die Münchner Straße würden die rasenden Rösser stürmen. Absurd? Absurd. Aber warum auch nicht. In einer "garantiert unwahren Geschichte" dürfen auch mal tollkühne Reiter in einem Glonner Palio auftauchen, oder Ritter gegen Windmühlen kämpfen, die wie moderne Windräder aussehen.

Die Steinseer Theatertruppe hat sich, zum ersten Mal seit Coronabeginn und nach zweimaliger Verschiebung, wieder zusammengefunden und bringt ein neues Stück auf die Bühne. Auf eine Bretterbühne diesmal, fast so wie in den Anfangstagen vor mittlerweile 53 Jahren, als sich die theaterbegeisterten Laiendarsteller vom Reiterhof am Steinsee hoch auf einem Heuwagen drängten, um zu spielen. Aus dem Provisorium aus dem Juni 1968 ist schon bald ein Verein geworden, die Auftritte sind aus der Reithalle zunächst nach Oberpframmern zum Neuwirt, dann in die Mehrzweckhalle, auf eine richtige Bühne verlegt und zuletzt im Gut Georgenberg zelebriert worden. Diesmal aber ist alles anders, die Proben konnten bislang nur in kleinen Gruppen stattfinden und die Aufführung auf der selten genutzten Holzbühne im Nebenraum des Gasthofs Niederseeon ist fast ein bisserl provisorisch.

Doch nach vielen Diskussionen schon im Vorfeld, erzählt Autor und Theatermann Albert Finkenzeller, auch nach all den Einzelproben, zu denen sich die Mitglieder des Ensembles in der Werkstatt seines Hohenbrunner Betriebs für Wandverkleidungen, im Vaterstettener Win-Verlag von Mitstreiter und Pressemensch Hans Grohmann oder im Studio des für die Hintergrundmusik zuständigen Keyboarders getroffen haben, - entspricht die Aufführung nun allen, aber auch wirklich allen Coronavorgaben. So weit sogar, dass niemals mehr als vier Menschen gleichzeitig auf der Bühne stehen. Und das, wo doch ein ganzer Gemeinderat, der von Glonn nämlich, im Theaterstück darüber debattiert, was man tun könne, um dem Ort wieder etwas mehr Leben einzuhauchen.

Ganz wie im richtigen Leben besteht der Rat aus Schwarz, Rot, Gelb und Grün, und ganz wie in der echten Coronawelt diskutiert man hybrid über die notwendigen Maßnahmen. Ein Bürgermeister, eine Schreiberin und zwei Gemeinderäte sitzen auf der Bühne, zwei andere im Homeoffice. Ein riesiger Fernseher, im Hintergrund aufgebaut, macht den Kunstgriff möglich. Streiten kann man sich auch auf diesem Wege und tut das ordentlich und bis zur Pause. Von all den Vorschlägen mit ihrem Für und Wider - gegen ein Straßenfest mit Flohmarkt spricht wohl die mangelnde Dynamik, gegen das Glonner Palio, naja, das kann man sich ja vorstellen - machen schließlich die Ritterspiele das Rennen. Die gehen dann nach der Pause über die Bühne. Da treten Grafen auf und Stubenmädchen, Ritter und Dorfbewohner, alles inspiriert von Geschichten um das Kloster Zinneberg, das gleich vor den Toren Glonns liegt, und das Albert Finkenzellers Fantasie angeregt hat. "Ich versuche ja immer, ein bisschen aktuell zu sein", erklärt der mittlerweile 83-Jährige. Dass es bei der ganzen Rittergaudi keinen Dorfdeppen gibt und auch keinen Hofnarren, ist allerdings kein Zugeständnis an die Moderne, sondern an die Befindlichkeiten der imaginären Gemeinderäte: Keiner von ihnen mag die Rolle übernehmen. Würde in einer wahren Geschichte vielleicht auch nicht anders sein.

Ein bisschen kleiner ist das Ensemble als in früheren Jahren, ein paar junge Leute dabei und ein paar alte. Durch die Einschränkungen habe man auch eine ganz neue Form der Bühnendarstellung finden müssen, erklärt der Autor: Viele kleine Szenen wechseln einander ab, gehen ineinander über, so dass sich die Protagonisten immer nur in Kleingruppen begegnen - wie auch die Zuschauer, die diesmal nicht in Reihen, sondern an im richtigen Abstand stehenden Tischen platziert werden. Noch nicht mal gemeinsam geübt habe man das Stück, "das war diesmal schon etwas schwierig, aber wir sind ja auch ein Laientheater, und wir haben den Riesenvorteil, dass keiner weiß, was wir sagen müssen", scherzt Finkenzeller. Deutlich weniger Zuschauer werden es der Abstandsvorschriften wegen auch sein - jeweils 39 bei den drei Vorstellungen, und so ist es auch gar nicht so leicht, die Sache finanziell zu stemmen. Schließlich sollen die beiden einzigen Profis, der Musiker und der Techniker was verdienen. Besondere Umstände also, aber die Steinseer wollten die Tradition auf gar keinen Fall einschlafen lassen. "Es werd' scho net zu viel schiefgehen."

"Die Ritter von Glonn" des Steinseer Theaters wird am Freitag, 29. Oktober, Samstag, 30. und Sonntag, 31. Oktober im Nebenraum der Gaststätte Niederseeon gespielt. Beginn ist freitags um 20, sonst um 19 Uhr. Bewirtung gibt es vor und nach der Vorstellung, Kartenbestellung bei Inge Balk, (089) 670 12 51 oder papierstanzerei.balk@web.de.

© SZ vom 21.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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