Steinhöring:Und dann kamen die Puchners

Pflegefamilie Puchner

Am Anfang waren sie Tobias Paten, mittlerweile sind Helmut und Gabi Puchner für den 18-Jährigen wie Eltern.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Tobias war kurz davor, durch die Hauptschule zu fallen - bis er Halt bei einem Patenprojekt des Kreisbildungswerkes fand. So wurde aus einem Beinahe-Sitzenbleiber ein Abiturient

Von Sara Kreuter, Kirchseeon/Tulling

Die achte Klasse der Hauptschule hätte Tobias beinahe nicht gepackt. Er wusste, er braucht Hilfe, aber es war kein Geld dafür da - und keine Helfer. Bis Tobias über ein Patenprojekt des Kreisbildungswerkes Helmut Puchner traf, der sich seiner annahm und sein Leben umkrempelte. Aus dem Patensohn wurde mit der Zeit der Pflegesohn - und vor wenigen Wochen hat der mittlerweile 18-Jährige das Abitur gemacht. Die Geschichte von Tobi und den Puchners ist eine Geschichte der harten Arbeit, des Ehrgeizes - und des Erfolgs.

Dass er bis dahin einen Umweg nehmen musste, erklärt Tobias mit seiner Vergangenheit. Vielleicht war er ein schwieriges Kind, vielleicht die Eltern damit überfordert. Als sich in der zehnten Klasse, das war vor vier Jahren, die Probleme verdichteten, wandte sich Tobias an das Ebersberger Jugendamt. Kurz darauf lernte er Helmut Puchner kennen, über das Patenprojekt "Aktion Starthilfe". Schon damals, sagt Puchner, habe er in seinem jungen Schützling ein "enormes Potenzial gesehen", - und er sollte Recht behalten.

Tobias hatte fortan mit Helmut Puchner einen Paten, und plötzlich ging was voran in seinem Leben. Gemeinsam lernten die beiden ordnerweise Schulstoff nach, um das Dauerproblemfach Mathe in den Griff zu kriegen und endlich diese verflixte Sache mit den Atomen zu kapieren. Puchner musste einen Großteil des Stoffes selbst neu lernen, um seinem Schützling helfen zu können, sagt er. Der Diplom-Ingenieur und seine Frau Gabi bauten einen großen Sponsoring-Kreis um Tobi herum auf, Freunde, Bekannte, Wohlgesonnene. Ein ehemaliger Kollege bei BMW beispielsweise bezahlte Tobias ein Flugticket nach Atlanta, wo er einige Wochen lang an einer Schule sein Englisch verbessern konnte. Ein befreundetes Paar der Puchners schenkte Tobi einen Teil seines Hochzeitsgeldes. Und der Psychologe, der Tobi seit Jahren betreut, macht die Einheiten inzwischen kostenlos. "Wo ein Wille ist, geht auch was", sagt Puchner.

Den Aufbau der Atome kennt Tobias inzwischen auswendig, Mathe ist sein Lieblingsfach geworden. "Das kann ich mittlerweile sogar besser als du", sagt Tobi und strahlt seinen Paten an. Aus dem Durchfaller-Kandidaten wurde ein Schüler, der den besten Quali der Schule machte, der dann die M10 in Ebersberg mit einem Schnitt von 1,8 abschloss und auf der Fachoberschule in Wasserburg nun sein Abitur mit einem Schnitt von 2,7 schaffte. "Ich kann nicht glauben, dass ich vor ein paar Jahren fast durch die Hauptschule gefallen bin und jetzt an die Uni gehen werde", sagt Tobias. Wirtschaftsingenieurswesen will er studieren und dann vielleicht in die Fußstapfen seiner Paten treten, die beide jahrelang für den Münchner Autohersteller und EADS gearbeitet haben.

Die Puchners sehen sich nicht als Gutmenschen oder Idealisten. Es geht ihnen darum, Nöte um sich herum wahrzunehmen und Veränderungen zu schaffen. "Helfen kann so einfach sein", sagt Helmut Puchner. Er hofft, dass andere seinem Beispiel folgen, sich aufraffen und engagieren. Und dass mehr Kinder und Jugendliche sich trauen, Hilfe einzufordern. "Jeder braucht jemanden, der ihn anschiebt, der an einen glaubt und ihm sagt: Du schaffst das", so Puchner.

Ein Projekt ist Tobi schon längst nicht mehr, auch keine Aufgabe. Die Beziehung ist persönlicher. Vor zwei Jahren übernahmen die Puchners die Pflegschaft für Tobias, seitdem wohnt er dort auch. Aus dem Patenkind Tobias ist das Pflegekind Tobias geworden. Helmut und Gabi Puchner sind seine Ratgeber und Freunde geworden - für ihn fühlt es sich so an, wie sich ein Elternhaus anfühlen muss, sagt der 18-Jährige. Tobi weiß, wie viel Glück er hat. Aber auch die Puchners sind dankbar, dass sie helfen können, einen Unterschied in einem Leben machen können - und dass sie Tobi kennen dürfen: "Er ist eben doch toll, unser Tobi", sagt Gabi Puchner.

Natürlich bringt das Zusammenleben auch Probleme mit sich. Das ein oder andere Mal habe es ziemlich gekracht bei den dreien, da machen sie kein Geheimnis draus. "Von gar nicht kümmern zu richtig viel kümmern" beschreibt Tobi die Veränderung, "daran musste ich mich erst einmal gewöhnen." Auf einmal gibt es Regeln, Erwartungen - aber eben auch ein echtes Zuhause, Zuneigung und Sicherheit. Vor allem die Gespräche mit seinen Pflegeeltern bedeuten ihm viel, sagt er, "dass man sich über Pläne austauscht, über Hoffnungen, über Gott", sagt er. "Und manchmal auch über Mädchen."

Helmut Puchner denkt nach, über seine schönsten Erinnerungen an die bisherige Zeit mit Tobias. "Besonders schön war, wenn ihm mal ein Mama oder Papa rausgerutscht ist", sagt er. Tobias blickt seinen Pflegevater an. "Das ist mir nicht rausgerutscht", sagt Tobias ernst. "Das habe ich genau so gemeint."

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