Eine gute Portion Po ist für Thomas Böhmer wichtig. Der gelernte Bildhauer aus Steinhöring fertigt ausschließlich Frauenstatuen an, die eines gemeinsam haben: ein durchaus als mächtig zu bezeichnendes Hinterteil. Böhmer selbst ist ein großer, eher schlaksiger 48-Jähriger mit braunem, zu einem welligen Pferdeschwanz gebundenem Haar und Vollbart. Er trägt schwarze Zimmererhosen und eine blaue Wollmütze, als er an einem kalten Morgen die Tür zu der Halle öffnet, die er bei einem Bauern in Hintsberg angemietet hat. "Ursprünglich nur für die Oldtimer, meine Sammelleidenschaft", sagt er. Aber als ihn dann vor einem Jahr nach langer Zeit der kreative Schaffensdrang packte, habe sich dieser Raum auch als Werkstatt angeboten.
Deshalb sind die Abdeckungen der fünf Oldtimer Karosserien nun von Sägemehl bedeckt, und auf dem Boden um die zwei massiven Klötze, an denen Böhmer gerade arbeitet, hat sich ein Berg aus groben Spänen gebildet. In der Ecke, hinter einem runden Tisch voller Arbeitsutensilien, einer Thermoskanne und einem Aschenbecher drängt sich die Gruppe von Holzdamen, die Böhmer im Laufe des vergangenen Jahrs gesägt, gehauen und geraspelt hat. 14 ungefähr 1,30 Meter große Figuren posieren mal im Handstand, mal mit dem Kopf zwischen den Füßen oder die Hände nach oben gereckt. Form und Beschaffenheit des Rohmaterials bestimmen dabei die Grenzen der Pose.
Erotisch seien die schon, gibt Böhmer zu. Aber nicht pornografisch. "Schließlich bilde ich keine Vagina ab und auch keinen Geschlechtsakt." Dazu fehle schließlich auch der jeweilige Gegenpart. "Männer sind für mich aber einfach nicht so interessant", sagt der Bildhauer. "Keine vollen Rundungen. Das Sanfte und gleichzeitig Pralle würde da nicht gehen", fügt er hinzu und zeichnet in der Luft mit seinen großen Händen die Umrisse der Figur nach, die er erst vor kurzem aus einem Nussholzstamm gesägt hat. Die Form einer kauernden Frau ist bereits erkennbar. Ihr Haar fällt senkrecht nach unten, da sie den Kopf auf den Knien aufstützt.
Schon immer habe er gerne beobachtet und als Mann, der Frauen mag, sehe er sich eben auch Frauen genau an. Politisch oder gesellschaftskritisch will Böhmer dabei nicht sein. "Ich bin niemand, der mit seiner Kunst dogmatisch irgendeine Botschaft in die Welt bringen will", sagt er. Für ihn ist sein Werk unbedingter Schaffensdrang. Lange lag dieser Drang jedoch brach, denn obwohl er nach dem Abitur in München und einer angefangenen Schreinerausbildung, an der Berufsschule für Holzbildhauerei gelernt hat, ging es als Familienvater nach der Ausbildung erst einmal darum, Geld zu verdienen.
Hintern aus Hintsberg
14 Jahre hatte er im Einrichtungsverbund in Steinhöring gearbeitet, als er vor einem Jahr beschloss, dass es Zeit für etwas Neues sei. "Ich war zwar ein super Heilerziehungspfleger, weil ich auch da einfach meine Natürlichkeit und sozusagen mein inneres Kind mit den Bewohnern ausleben konnte", sagt er und lächelt breit. Doch nun der Versuch, mit seiner "Poart", wie er sich auf seiner Website vermarktet, durchzustarten. Nachdem er schon auf der Heim- und Handwerk-Messe ausstellen konnte, freut er sich nun auf seine erste Ausstellung in einer Münchner Galerie, da "dorthin hoffentlich auch Publikum kommt, das sich tatsächlich Kunst anschauen und keine Küche kaufen will", so Böhmer.
Sechs Stunden am Tag verbringt Böhmer durchschnittlich in der derzeit eiskalten Halle in Hintsberg. Die Arbeit ist hart, aber genau das, was er machen möchte. Darüber vergisst er sogar das Essen. Tee, Tabak und ein paar Erdnüsse reichten ihm oftmals einen ganzen Tag lang. Als Luxus bezeichnet er die Umgebung und die Freiheit, seine Kreativität in das unbehandelte Holz stecken zu können. Ziel sei es schon, irgendwann von seinen Holzfrauen leben zu können, allerdings sei er ein Mensch, der intuitiv im Jetzt lebe und sich nicht allzu viele Gedanken um die Zukunft mache. "Deshalb bin ich auch sehr dankbar, dass meine Frau mich total unterstützt", sagt Böhmer. "Sie hat eine von Grund auf positive Einstellung und würde auch nie verkopft fragen: Wieso macht er denn jetzt Frauen mit großen Hinterteilen?"
Mit solch kritischen Stimmen habe er sich schon auch konfrontiert gesehen, erzählt Böhmer. "Da kommt ja alles von pädophil bis Po-Fetischist." Aber das störe ihn nicht, für ihn gehe es darum, weibliche Schönheit darzustellen. "Bedauernswert" findet er, was nach wie vor besonders von der Modebranche als weibliches Schönheitsideal propagiert wird. "Das ist doch schlimm, wenn ausgewachsene Frauen aussehen müssen und wollen wie 13-jährige Mädchen." Also doch eine politische Botschaft? Er denkt kurz nach. "Ja", sagt er dann mit Nachdruck, "wenn ich so darüber nachdenke, ja." Natürlich, das sei sein persönlicher Geschmack, aber er halte es eben gerne mit einer amerikanischen Filmkomödie von 2002: "Echte Frauen haben Kurven".
Thomas Böhmers Werke sind vom 22. bis 28. Januar in der ABC-Westside Galerie in der Schwanthalerstraße 176 zu sehen. Geöffnet ist diese am Dienstag von 10 bis 14, am Donnerstag von 11 bis 18 und Samstag von 11 bis 16 Uhr.