OMV-Tanklager SteinhöringSchadstoff-Austritt erst fünf Jahre später gemeldet

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Das OMV-Tanklager in Steinhöring: Hier kam es 2019 zu einem Vorfall, der erst jetzt öffentlich gemacht wurde.
Das OMV-Tanklager in Steinhöring: Hier kam es 2019 zu einem Vorfall, der erst jetzt öffentlich gemacht wurde. (Foto: Christian Endt)

Bei einem Unfall im Jahr 2019 wurde das Gelände des Steinhöringer OMV-Tanklagers mit den schädlichen PFAS-Stoffen kontaminiert. Dass diese auch ins Grundwasser gelangt sein könnten, wird nicht ausgeschlossen.

Von Barbara Mooser, Steinhöring

Sie werden Ewigkeitschemikalien genannt, weil sie so extrem langlebig sind: per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS. Auf dem Gelände des Steinhöringer OMV-Tanklagers sind Stoffe dieser Art bei einem Unfall in großem Ausmaß ausgetreten – und zwar bereits 2019. Informiert wurden die zuständigen Behörden allerdings erst fünf Jahre später, im Sommer 2024. Bei der Gemeinde Steinhöring sind die Infos sogar noch später angekommen, sie habe erst am Dienstag von dem Vorfall erfahren, so Bürgermeisterin Martina Lietsch: „Ich bin natürlich entsetzt“, sagt sie über die Informationspolitik der OMV. Ob die Chemikalien auch Gewässer oder das Grundwasser in Steinhöring erreicht haben, wird derzeit geprüft. Ausgeschlossen werden kann eine Umweltgefährdung seitens des Landratsamts nicht.

Ursache für den Schadstoffaustritt war laut Landratsamt eine Fehlauslösung der automatischen Löschanlage, die dazu führte, dass das Löschmittel, das PFAS enthielt, auch in das Löschwasserbecken auf dem Betriebsgelände floss. Nach den bisherigen Erkenntnissen sei die Situation damals sofort bemerkt und abgestellt worden, heißt es aus dem Landratsamt. Ein Regenwasserüberlauf aus dem Becken in den angrenzenden, am Betriebsgelände vorbeiführenden Bach sei geschlossen und stillgelegt worden.

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An das Ebersberger Landratsamt meldete das Unternehmen den Vorfall indes erst im Juli 2024. Ein Sprecher verteidigt den Kurs: „Im Laufe der Jahre hat sich die Risikobewertung und die Regulierungen von PFAS verändert beziehungsweise stetig erhöht.“ Infolgedessen seien die bayerischen Leitlinien zur Bewertung von PFAS erst im März 2024 angepasst worden, woraus sich auch für das Unternehmen eine neue Bewertung der Situation ergeben habe.

Dass man sich erst ein Bild von der Situation und den Gegebenheiten in Steinhöring machen wollte, gibt das Landratsamt als Grund dafür an, dass es nun an die Öffentlichkeit gegangen ist. Seit Ende Februar liegt ein detailliertes Beprobungs- und Untersuchungskonzept vor, das im Auftrag der OMV durch einen akkreditierten Sachverständigen erstellt wurde, im März wurde dieses Konzept nochmals durch das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim als amtlichen Sachverständigen geprüft.

Belastbare Ergebnisse der Untersuchungen sind laut Landratsamt nicht vor dem Ende des zweiten Quartals zu erwarten. Eins kann man aber nach Einschätzung der Behörden jetzt schon sagen:  dass auf dem Betriebsgelände eindeutig eine „bodenschutzrechtlich relevante Verdachtsfläche“ vorliegt. „Der Verdacht einer möglichen Grundwassergefährdung beziehungsweise Gewässergefährdung ist bereits nach momentanen Kenntnissen belegt. Die Möglichkeit von Schadstoffverlagerungen in das Grundwasser sowie in ein Fließgewässer kann mit den vorhandenen Kenntnissen nicht ausgeschlossen werden. Insofern besteht auch parallel Erkundungsbedarf außerhalb des jetzt prioritär betrachteten Betriebsbereiches“, heißt es in einer Einschätzung aus dem Landratsamt.

Die Steinhöringer Bürgermeisterin sagt, sie sei „völlig überrumpelt“ worden

Einige Sofortmaßnahmen haben die zuständigen Behörden bereits in die Wege geleitet, etwa eine umfassende Rekonstruktion des Schadensereignisses und eine Evaluierung der Gesamtentwässerungssituation auf dem Betriebsgelände. Außerdem wurden Drainageleitungen aus Verdachtsbereichen umgeleitet und es wurde sichergestellt, dass von Verdachtsbereichen nichts mehr in Gewässer fließen kann. Auch Vorbereitungen für den Betrieb einer Wasserbehandlungsanlage laufen laut Landratsamt. Wasser- und Bodenproben sollen Aufschluss über die Ist-Situation geben.

Auf diese wartet auch die Steinhöringer Bürgermeisterin gespannt, die nach eigenen Angaben bei einem Informationstermin am Dienstag „völlig überrumpelt“ worden sei von den Erkenntnissen. Um es vorsichtig auszudrücken, so Lietsch, sei es in ihren Augen „nicht so prickelnd“, dass die Gemeinde bisher außen vor geblieben sei. Allerdings gibt es für sie auch einen Anlass zur Hoffnung, dass Steinhöring bei dem Vorfall glimpflich davongekommen sein könnte: Routinemäßig habe die Gemeinde das Wasser aus dem Brunnen Ötzmann und dem Trinkwasserhochbehälter bereits im vergangenen Jahr auf PFAS untersuchen lassen – obwohl das eigentlich erst von 2026 an vorgeschrieben ist. Bei diesen Untersuchungen seien keine PFAS im Wasser festgestellt worden, „das ist ja schon mal gut“, so Lietsch. Freilich wolle man es seitens der Gemeinde nicht dabei belassen und nun die Grundwasserstellen mit einer erweiterten Prüfung noch genauer auf PFAS untersuchen lassen.

Die PFAS sind in vielen Alltagsgegenständen enthalten

Bei der OMV unterstreicht man, dass man sich „immer an geltende Gesetze und Vorgaben“ halte. „Als Betreiber kritischer Infrastrukturen haben wir wie viele andere auch eine generelle Problematik mit PFAS-haltigen Löschschäumen. Wir sind gesetzlich verpflichtet, für unsere Anlagen und Einsatzszenarien (Brände) von den Behörden zertifizierte Löschschäume an unseren Einrichtungen zu bevorraten. Nach unseren HSSE Richtlinien stehen der Schutz von Mensch, Natur und Umwelt sowie eine maximale Betriebssicherheit unserer Anlagen an vorderster Stelle. Sobald neue, PFAS-freie Löschmittel für unsere Anwendungsfälle entwickelt und zertifiziert sind, werden wir daher im Sinne größtmöglicher Nachhaltigkeit den Tausch dieser Löschmittel vornehmen“, teilt ein Sprecher mit.

Tatsächlich werden per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen in vielen Bereichen eingesetzt. Weil sie Wasser und Schmutz abweisen, werden sie beispielsweise für Beschichtungen von Funktionskleidung oder Verpackungen genutzt. Auch in Handys, Pfannen oder Kosmetikartikeln sind sie zu finden – und eben in Löschschaum. Allerdings gibt es inzwischen Hinweise darauf, dass sie zu Gesundheitsproblemen wie Leberschäden, Schilddrüsenerkrankungen oder Krebs führen können. Dass mehr als 1500 Orte in Deutschland mit PFAS verseucht sind, hatte 2023 eine Recherche unter Mitwirkung der SZ ans Licht gebracht. Über eine Einschränkung der Nutzung wird in Deutschland und der EU diskutiert – eine Entscheidung allerdings nicht in nächster Zeit erwartet.

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