Steinhöring:Turmstübchen für Dohlen

Der Vogel des Jahres nistet in Steinhöring verborgen zwischen Kirchenglocken. Weil der alte Sakralbau saniert wird, bauen Tierschützer Brutkästen ein - in schwindelerregender Höhe.

Inga Rahmsdorf

Dohle möchte man sein. Vielleicht auch Fledermaus. Alles, nur kein Vogelschützer, der die Treppe nehmen muss, um in den engen, morschen Kirchturm zu klettern. Hier oben sieht es aus, als habe sich seit dem Bau der Kirche Sankt Gallus im 15. Jahrhundert nicht viel verändert. Und ausgerechnet an diesem unwirtlichen Ort im Steinhöringer Turm bauen zwei Vogelschützer und ein Schreiner Nistkästen ein - "Komfortwohnungen für Dohlen", wie Rainer Förderreuther sagt. Ein recht ungewöhnliches Projekt.

Steinhöring: Keine ungefährliche Arbeit: Jeder Tritt muss stimmen oben im Turm der Steinhöringer Kirche Sankt Gallus beim Einbauen der Nistkästen.

Keine ungefährliche Arbeit: Jeder Tritt muss stimmen oben im Turm der Steinhöringer Kirche Sankt Gallus beim Einbauen der Nistkästen.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Hinter der Sakristei beginnt der Aufstieg noch unspektakulär, dann wird die Treppe immer schmaler, die Holzstufen sind so morsch, dass nur noch Teile von ihnen existieren, von den Mauern fällt der Putz, kurz unter dem Dach schwankt eine Eisenleiter gefährlich zwischen den schweren Kirchturmglocken hin und her. Ohne Taschenlampe ist nicht viel zu erkennen - und vielleicht ist das auch besser so. Auf den Zwischenebenen klaffen im Fußboden große Löcher in den Holzbrettern, von dem Stahlgerüst hängen in langen Fäden Vogelexkremente und Staub, auf einem Dachbalken liegen zehn Zentimeter Fledermauskot, und im Blitzableiter hat sich eine tote Dohle verfangen. Herzlich willkommen im Kirchturm von Sankt Gallus.

Im funzeligen Licht balancieren die beiden Vorsitzenden des Ebersberger Landesbunds für Vogelschutz, Richard Straub und Rainer Förderreuther und der Schreiner Kaspar Braun in schwindelerregender Höhe über Holz- und Stahlbalken, unterm Arm Bohrmaschine, Schrauben und Laubsäge. Die drei Männer bauen Kästen aus Fichtenholz in die Luken und Fensteröffnungen des Turms, die als Nistkästen für Dohlen dienen sollen.

Zwei Treppenstufen sind schon durchgebrochen bei der Arbeit. "Zum Glück konnten wir uns noch festhalten und sind nicht wie unsere Bohrmaschine in die Tiefe geflogen", erzählt Förderreuther gut gelaunt. "Es ist ein bisschen kalt und nicht ungefährlich, aber es macht Spaß", sagt er.

Die Dohle ist nicht nur der Vogel des Jahres 2012, sondern außerdem auch in vielen Teilen Deutschlands gefährdet, weil es immer schwieriger für sie wird, ausreichend Brutplätze zu finden. Mit Vorliebe nisten die Vögel in Kirchtürmen - so trugen sie früher auch den Spitznamen "des Pastors schwarze Taube" - und auch im Steinhöringer Kirchturm fühlten sich die Tiere bisher recht wohl. Im vergangenen Jahr bauten sie acht Nester zwischen den Kirchenglocken, was auch nicht immer ganz ungefährlich war. Manche Jungvögel hätten den Weg aus dem Turm nicht hinausgefunden und seien hier verendet, sagt Straub.

Nun soll der Kirchturm renoviert und die Vögel aus dem Inneren verbannt werden. Damit die Bewohner aber nicht einfach raussaniert werden, haben sich Straub und Förderreuther das Projekt mit den Nistkästen ausgedacht, alles in ehrenamtlicher Arbeit. Die Kosten für die Schreinerarbeiten von Braun wolle das bischöfliche Ordinariat übernehmen, berichten die Vogelschützer. In Zusammenarbeit mit dem für die Sanierung der Kirche zuständigen Ingenieurbüro und dem Schreiner haben sie den Turm ausgemessen und Nistkästen geplant, die sie in den vergangenen Tagen in die Luken und Fensteröffnungen montierten. Dort können die Vögel von außen hineinfliegen und ihre Nester bauen. In den Turm hinein können sie aber nicht mehr, da die Männer Holzklappen vor die Brutkästen gebaut haben.

Unter insgesamt 18 Brutplätzen können die Dohlen nun auswählen. Bis sich die Vögel in den Turm eingenistet haben, wird es wohl nicht lange dauern. 25 Tiere hätten sie in den vergangenen Tagen schon um den Kirchturm fliegen sehen, erzählen die Männer.

Plötzlich beginnen die Kirchenglocken hin und her zu schwingen, ein ohrenbetäubendes Dröhnen erfüllt den schmalen Turm und bringt die Leiter zum Wackeln. "Haben wir wieder vergessen die Kirchenglocken abzustellen", sagt Braun. Den Dohlen und einer Kolonie der Großen-Mausohr-Fledermaus scheint der Lärm direkt neben ihren Nestern dagegen nichts auszumachen.

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