Amtsgericht Ebersberg:Vermieterin stellt Familie nach

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Ein kurioser Konflikt zwischen einer Vermieterin und deren Mietern führte nun zu einer Verhandlung am Ebersberger Amtsgericht. (Foto: Sabine Gudath/imago)

Eine alte Dame, die einen Garten verwüstet, und eine Familie, die ihre Waschmaschine vor Übergriffen bewacht: Ein Konflikt zwischen Vermieterin und Mietern nimmt skurrile Züge an.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Es gibt unterschiedliche Wahrnehmungen ein und desselben Geschehens, hält die Richterin Vera Hörauf am Ende dieser nervenaufreibenden Hauptverhandlung fest. Was aber die Angeklagte an wilden Theorien in den Raum werfe, das sei schon faszinierend. Hinter ihr und den anderen Anwesenden im Verhandlungssaal liegen dreieinhalb Stunden, die das Zeug dazu haben, in die Annalen des Amtsgerichts Ebersberg einzugehen: eine immer wieder ausrastende alte Dame auf der Anklagebank, die zu Beginn des Prozesses schwört, sie werde niemals laut - und die sich dann zwischen Aufstampfen und Händeklatschen mit einem Schlag auf das Richterpult Luft macht; vorsätzliche Urkundenfälschung vor Gericht, und am Schluss ein 15-minütiges Schlusswort, in dem die Angeklagte Interna aus dem Familienleben ihrer Mieter auspackt, und wie sie selbst diese deutet. Aber von vorn.

Die Angeklagte sieht sich als "Mobbing-Opfer"

Auf der Anklagebank sitzt eine 74-jährige Frau aus dem Norden des Landkreises, die im vergangenen Herbst mehrmals in den Garten ihrer Mieter eingedrungen sein und ihn verwüstet haben soll. Außerdem soll sie mit Insektenspray herumgesprüht und einen Pullover des Sohns der Mieter zum Herumwischen mit dem Insektengift benutzt haben. Weiterhin wird ihr zur Last gelegt, die Sicherung der Waschmaschine der Mieter ausgeschaltet sowie einen Teppich und die Wohnungstür der Mieter verschmiert zu haben. "Ich bin ein Mobbing-Opfer", sagt die Angeklagte gleich zu Beginn der Verhandlung. "Ich weiß gar nicht, was die von mir wollen." "Stimmt es denn, dass Sie im Garten mit Insektenspray gesprüht haben?", will Hörauf von ihr wissen. "Ja freilich", sagt die Angeklagte und erzählt von einer Käferplage im Garten, der nicht anders Herr zu werden war. Wochenlang habe sie sprühen müssen.

Als die Mieter aussagen, hört sich die Geschichte ganz anders an: Frau, Mann und der inzwischen 18-jährige Sohn berichten, sie hätten der Angeklagten gesagt, sie würden sich um die Käfer kümmern und selbst sprühen. Lediglich als sie für eine Woche im Urlaub waren, hätten sie die Vermieterin darum gebeten, dies zu übernehmen. Trotzdem sei die Vermieterin auch nach dem Urlaub weiterhin im Garten aufgetaucht, habe vor den geöffneten Fenstern der Mieter herum gesprüht und, darauf angesprochen, wiederholt gesagt: "Ihr könnt mir eh nichts beweisen." Sie dürfe in ihrem Garten machen, was sie wolle. Vor Gericht legt die Angeklagte den Mietvertrag vor, auf dem der Zusatz "Mitbenutzung des Gartens" vermerkt ist. Als der Mieter dann das Original des Vertrags vorlegt, muss Richterin Vera Hörauf kurz an sich halten: Im Original ist der Zusatz nicht vermerkt; er muss von der Vermieterin nachträglich hinzugefügt worden sein. "Ganz dünnes Eis", warnt Hörauf die Angeklagte, die immer wieder aufgeregt dazwischenplappert.

Ein Teppich und die Wohnungstür der Mieter wurden mit wasserfestem Stift beschmiert

Und die Sache mit dem Teppich? "Das ist die nächste Lüge", braust die Angeklagte auf. Die Mieter, die sich im November 2021 dann eine neue Bleibe gesucht haben, bekommen kurz vor ihrem Auszug einen Teppich in den Innenhof geliefert, was die Vermieterin von ihrer Küche aus beobachtet. Niemand außer die Mieter und die Vermieterin hat Zugang zu dem Hof. Als der Sohn später von der Schule kommt, sieht er, dass die Schutzfolie abgemacht und mit Edding auf den Teppich geschmiert wurde. "Wir haben sie zwar nicht dabei gesehen, aber es kommt sonst niemand in Frage", so Vater, Mutter und Sohn unisono. Dieselben Schmierereien finden sich wenige Tage später an der Wohnungstür der Mieter wieder. Auch hierzu haben nur die Mieter und die Vermieterin Zugang.

Der Konflikt nimmt derart skurrile Züge an, dass die Mieter während des Waschens zwei Stunden neben der Waschmaschine sitzen, um sicherzustellen, dass nicht wieder von Geisterhand Sicherungen ausgeschaltet oder Waschgänge von 30 auf 60 Grad hochgeschaltet werden. Immer wieder versucht die augenscheinlich verzweifelte Verteidigerin während der Verhandlung, ihre Mandantin zum Schweigen zu bringen, doch diese redet und redet und stellt dabei so allerlei Vermutungen über das Familienleben ihrer Mieter an. Als Richterin Hörauf die Angeklagte wegen Nachstellung, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch zu 100 Tagessätze à 50 Euro und dem Tragen der Gerichtskosten verurteilt, steht für die 74-Jährige eines fest: Sie wird in Revision gehen.

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