Ebersberg und die weite Welt:Austausch über den Austausch

Ebersberg und die weite Welt: Aus dem ganzen Landkreis und darüber hinaus sind sie nach Ebersberg gekommen, die Vertreter der Städtepartnerschafts-Komitees.

Aus dem ganzen Landkreis und darüber hinaus sind sie nach Ebersberg gekommen, die Vertreter der Städtepartnerschafts-Komitees.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vertreter von acht Städtepartnerschaften aus dem Landkreis Ebersberg reden über ihre Erfahrungen. Dabei kommen allerdings nicht nur positive Aspekte zur Sprache.

Von Michaela Pelz, Ebersberg

Den Horizont erweitern, voneinander lernen, gemeinsam feiern und, wenn es hart auf hart geht, Unterstützung leisten. Das ist das, was eine Städtepartnerschaft im besten Fall ausmacht. Und genau das soll auch an diesem Abend die landkreisübergreifende Veranstaltung bringen, zu der Edeltrud Scheckel, Geschäftsführerin der Städtepartnerschaft Ebersberg-Yssingeaux, an diesem Abend eingeladen hat. So sitzen nun insgesamt 18 Vertreterinnen und Vertreter diverser Partnerschaftskomitees um den Tisch im Raum Unterm First in Ebersberg.

Manche der Verbindungen zu Städten in Irland, Italien und Frankreich bestehen seit mehreren Jahrzehnten, andere stehen noch relativ am Anfang. Das gilt etwa für die Partnerschaft zwischen dem Markt Kirchseeon und Carrigaline in Irland, deren Anfang auf ein P-Seminar des örtlichen Gymnasiums zurückgeht.

Ebersberg und die weite Welt: Exportschlager Perchten: 2019 war der Markt Kirchseeon mit einer Gruppe von 40 Personen in der irischen Partnerstadt Carrigaline.

Exportschlager Perchten: 2019 war der Markt Kirchseeon mit einer Gruppe von 40 Personen in der irischen Partnerstadt Carrigaline.

(Foto: privat)

Seit 2015 fanden in unregelmäßigen Abständen diverse Reisen in beide Richtungen statt - unter anderem durften die Perchten ihr Können auf der grünen Insel zeigen. Nach den Corona-bedingten Einschränkungen sei nun auf jeden Fall eine Ausweitung der Aktivitäten geplant, berichtet Bürgermeister Jan Paeplow, der just an diesem Wochenende zu einem Antrittsbesuch nach Irland reist. Zusammen mit einer Gruppe von rund 30 Aktiven, darunter Rathausmitarbeiter und Privatpersonen, engagiert er sich für das Projekt.

Nur wenige Jahre mehr, nämlich seit 2013, gibt es die Partnerschaft zwischen Zorneding und Cappella Maggiore (Italien). Hier war der Auslöser die Reise einer Jugendfußballmannschaft in die alte Heimat des aus dem Veneto stammenden Zornedingers Sergio Bolzan. Es folgten Schweinshaxen, Bier und Blasmusik für ein schnell etabliertes "Oktoberfest".

Ebersberg und die weite Welt: Umzug vor dem "Oktoberfest" in Cappella Maggiore. Es folgen: Fassanstich durch die Bürgermeister und anschließende Ansprache des Zornedinger Bürgermeisters an die Festbesucher (in italienischer Sprache!).

Umzug vor dem "Oktoberfest" in Cappella Maggiore. Es folgen: Fassanstich durch die Bürgermeister und anschließende Ansprache des Zornedinger Bürgermeisters an die Festbesucher (in italienischer Sprache!).

(Foto: privat)

2019 kamen dorthin 4500 Besucher - in einen Ort mit etwa 5000 Einwohnern. Der Reinerlös ging an soziale Projekte in Italien. Auch Gegenbesuche fanden statt. Mittlerweile gibt es den gemeinsamen Verein "Per Noi", dessen Beiträge, zusammen mit den Erlösen aus Verkäufen regionaler Produkte bei Märkten und Veranstaltungen, laut Reinhard Puscher die Aktivitäten finanzieren. Außerdem erhält man bei Bedarf Unterstützung durch die Gemeinde, deren Bürgermeister Piet Mayr seit August 2022 dem Verein vorsteht.

Dass der Bürgermeister Vorsitzender des Partnerschafts-Vereins mit Azay-le-Ferron in Frankreich ist, ist in Gars qua Satzung so bestimmt. Die Gäste aus dem Nachbarlandkreis hatte man eingeladen, damit sie berichten, wie seit 1986 eine Verbindung zwischen zwei Orten funktioniert, die relativ klein (4000 Menschen leben in Gars, 1000 sind es in Azay-le-Ferron) und rund 1200 Kilometer voneinander entfernt sind. Wie Bruno Münch und Manuel Haas sagen, sei dies in den Anfängen sicher der Gründung durch Kriegsveteranen geschuldet, denen die Völkerverständigung ein großes Anliegen war.

Ebersberg und die weite Welt: August 2018: Deutsche und Franzosen beim Picknick im Schlosspark des Schlosses von Azay le Ferron mit Tanzgruppe aus der Brenne, wo Azay le Ferron liegt.

August 2018: Deutsche und Franzosen beim Picknick im Schlosspark des Schlosses von Azay le Ferron mit Tanzgruppe aus der Brenne, wo Azay le Ferron liegt.

(Foto: privat)

Vielleicht liege es aber auch an der Frequenz der Besuche: Nur alle zwei Jahre und dann nur jeweils in eine Richtung fänden diese statt, anders sei es nicht leistbar. Stolz ist man darauf, dass im Sommer 2022 gut 40 Personen nach Gars kamen und problemlos in Familien untergebracht werden konnten - wie auch die deutschen Gäste in Frankreich, wo die örtliche Einzelhändlerin mit entsprechender Überzeugungskraft die nötigen Quartiere unter ihrer Kundschaft fand.

Von einem solchen Engagement kann man in Grasbrunn leider nur träumen. Im Jahr 2024 könnte man 50-jähriges Bestehen der Partnerschaft mit Le Rheu (Bretagne) feiern, doch leider sei mittlerweile das Interesse auf französischer Seite deutlich erlahmt, beklagen Alexandra Puscher und Armin Kronawitter. Dabei habe die Privatinitiative von zwei Studentinnen sehr erfolgreich begonnen und sei lange mit spannenden Begegnungen gut gelaufen. Nach einem geplatzten Jugendaustausch 2022 will man jedoch 2023 einen neuen Anlauf nehmen.

Ebenfalls mit einer französischen Stadt - Allauch -verpartnert ist Vaterstetten, und zwar seit 40 Jahren. Die Erfahrungen allerdings sind komplett andere. Im Verein, so Vorsitzende Ursel Franz, seien neben den 180 regulären Mitgliedern mindestens genau so viele engagierte "Allauch-Freunde" auf deutscher Seite und auch die Franzosen engagierten sich.

Ebersberg und die weite Welt: Ein Bild aus dem Jahr 2012: Bei der Eröffnung des Volksfests sind auch Gäste aus Allauch im Festzug.

Ein Bild aus dem Jahr 2012: Bei der Eröffnung des Volksfests sind auch Gäste aus Allauch im Festzug.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Besuche auf beiden Seiten finden regelmäßig statt, in Frankreich wurde ein Bierfest etabliert, künftig wolle man auch wieder zweimal im Jahr eine Filmvorführung (OmU) abhalten, zum Stammtisch trifft man sich monatlich. Und dann ist da natürlich noch die provenzalische Krippe. 2022 wird sie nach zwei Jahren Pause wieder vom ersten Advent bis 6. Januar im Vaterstettener Rathaus zu sehen sein.

Ebersberg und die weite Welt: 26 Meter hoch war der Maibaum, den man Ende Mai 1997 in Saint Marcellin aufstellte. 500 Grafinger waren angereist.

26 Meter hoch war der Maibaum, den man Ende Mai 1997 in Saint Marcellin aufstellte. 500 Grafinger waren angereist.

(Foto: Otto Hartl/Picasa/oh)

Viel Lob für ihre seit 1993 französischen Partner in Saint Marcellin haben auch Udo Helmholz und Ulrike Kunert aus Grafing. Angebahnt hatte die Sache Ehrenbürger Adalbert Mischlewski, der 1994 einen höchst erfolgreichen ökumenischen Gottesdienst in der Partnerstadt hielt, der den Versöhnungsgedanken erheblich beförderte. Auch das Aufstellen eines 26 Meter langen Maibaums in Frankreich sorgte für Aufsehen. In Grafing und landkreisweit wiederum erfreuen sich die für Saint Marcellin typischen Walnüsse großer Beliebtheit, die dank des Engagements von Catrin Braeuer-Achatz sogar während der Corona-Zeit ihren Weg zu den Kunden fanden. 2023 wollen die Musikschulen kooperieren - ein gemeinsames Konzert ist geplant.

Trotz aller positiven Berichte sind jedoch einige strukturelle Probleme erkennbar: Der Erfolg steht und fällt mit den Verantwortlichen vor Ort. In manchen Fällen bedeutet das: Wechseln die Lokalpolitiker, ändern sich automatisch auch die Zuständigkeiten, nicht immer zum Besten. So auch einmal im Verlauf der bald 25 Jahre währenden, sehr harmonischen Verbindung zwischen Ebersberg und Yssingeaux, auf französischer Seite. Von der Lösung erzählen die neben Scheckel anwesenden Sarah Wales, Martina Lautenschläger sowie die beiden früheren Geschäftsführerinnen Jutta Bethmann und Elfriede Brilmayer: Das Komitee arbeitete einfach weiter und zwar weitestgehend ohne Einbeziehung des dortigen Bürgermeisters. Das klappte sicherlich vor allem auch aufgrund der im Lauf der Jahre entstandenen, engen persönlichen Bindungen auf beiden Seiten. Nicht zuletzt, weil manche, wie etwa die Brilmayers, seit Jahren ihre gesamte Familie in die Aktionen und Reisen einbeziehen.

Ebersberg und die weite Welt: Im Jahr 2018 erneuern die beiden Bürgermeister Walter Brilmayer (links) und Bernard Gallot (rechts) anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens den Partnerschaftsvertrag.

Im Jahr 2018 erneuern die beiden Bürgermeister Walter Brilmayer (links) und Bernard Gallot (rechts) anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens den Partnerschaftsvertrag.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Hier nun offenbart sich ein für sämtliche Komitees - auch im Ausland - bestehendes Problem: der fehlende Nachwuchs. Deutsch wird in anderen Ländern immer weniger gelernt, die Jugend knüpft via Internet eigene internationale Kontakte. Und manche der Älteren sind reisemüde, weil sie schon so oft in der Partnerstadt waren. So ist der einheitliche Tenor an diesem Abend, dass man sich generell über eine Vergrößerung, gerne auch Verjüngung, der Gruppe der Aktiven freuen würde.

Ebersberg und die weite Welt: Ein Bild aus dem Jahr 2013: Frühschoppen mit musikalischer Begleitung aus Ostra.

Ein Bild aus dem Jahr 2013: Frühschoppen mit musikalischer Begleitung aus Ostra.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wobei das nicht notwendigerweise bedeutet, dass sich alle permanent engagieren müssen, wie das Markt Schwabener Beispiel zeigt. Deren durch eine Privatinitiative entstandene Verbindung mit der italienischen Stadt Ostra besteht seit 2003; die zahlreichen Aktivitäten auf beiden Seiten wurden bis vor einem Jahr von einem Komitee organisiert. Nun aber geschieht dies in Form eines Aktivkreises im Bereich "Kunst und Kultur", unter dem Dach eines übergeordneten Fördervereins. Wer Lust hat, macht mit, und wenn Not am Mann ist, sind mehr als genügend helfende Hände am Start, wie Bernhard Wieser und Silke Staab-Thuro berichten.

In Zukunft wollen sich die Komitees gegenseitig besuchen

Auch die Vernetzung mit anderen Markt Schwabener Akteuren klappt offenbar reibungslos: Als die italienische Partnergemeinde kürzlich von einer Flutkatastrophe heimgesucht wurde, konnte unter Mitwirkung verschiedenster Gruppen eine Benefizabend veranstaltet werden. Mit privaten Spenden sind so mehr als 12 000 Euro zusammengekommen.

Wenn solche Dinge noch funktionieren, dann ist das Konzept der Städtepartnerschaft mit Sicherheit nicht überholt. Das sehen auch die Teilnehmenden dieses Abends so, die sich nach fast dreieinhalb Stunden mit dem Vorsatz verabschieden, in Kontakt zu bleiben und sich bei den diversen Events gegenseitig zu besuchen.

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