Stadtmuseum GrafingGeschichte auf die Mühlen

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Wasserkraft war vielseitig einsetzbar: Die Hammerschmiede an der Urtel um 1900.
Wasserkraft war vielseitig einsetzbar: Die Hammerschmiede an der Urtel um 1900. (Foto: Christian Endt)

Eine neue Sonderausstellung im Grafinger Stadtmuseum widmet sich einem in der Stadt seit fast 1000 Jahren ansässigen Gewerbe. Mit dabei: Gierige Müller, eifersüchtige Herzöge und die Anfänge der Elektrifizierung.

Von Merlin Wassermann, Grafing

Wie wichtig Mühlen in der Zivilisationsgeschichte waren, lässt sich schon anhand der vielen Sprichwörter ablesen, die ihnen gewidmet sind: Sie mahlen langsam, man gibt Wasser auf sie oder gräbt ihnen selbiges ab und wer sie zuerst erreicht, mahlt auch zuerst. Auch im Raum Grafing und im Landkreis Ebersberg hatten Mühlen seit jeher eine "enorme Bedeutung" inne, für verschiedenste Handwerke. Das sagt Bernhard Schäfer, Grafinger Stadtarchivar, der ihnen die neue Sonderausstellung "Wasser - Kraft - Strom" im Stadtmuseum Grafing gewidmet hat.

"Seit jeher" heißt im Fall Grafings seit spätestens dem Jahr 1040. Dann wurden die "molendinis" das erste Mal urkundlich erwähnt, wie Schäfer erklärt. Vermutlich findet man Mühlen aber schon deutlich länger. "Die Menschen haben schon immer die Nähe, aber auch die sichere Distanz zum Wasser gesucht", sagt Schäfer. Warum also nicht dessen Kraft nutzen?

Diese Karte aus dem 16. Jahrhundert zeigt die Region um Grafing, oben rechts lässt sich der Ebersberger Forst ausmachen. Die vielen Wasserläufe wurden ausgiebig genutzt.
Diese Karte aus dem 16. Jahrhundert zeigt die Region um Grafing, oben rechts lässt sich der Ebersberger Forst ausmachen. Die vielen Wasserläufe wurden ausgiebig genutzt. (Foto: Christian Endt)

Durch das Mittelalter hindurch tauchen viele verschiedene Mühlen in unterschiedlichsten Dokumenten auf. Sie werden von Grafen, Herzogen und Klöstern gebaut, als Lehen vergeben oder gleich verschenkt.

Schäfer erzählt von einem besonders bizarren Schenkungsfall: Herzog Ludwig der Strenge (1229-1294) war notorisch eifersüchtig und erhielt seinen Beinamen, weil er seine erste Frau, Maria von Brabant, fälschlicherweise des Ehebruchs verdächtigte - und sie kurzerhand hinrichten ließ. Als Teil seiner Sühne vermachte er die an der Attel gelegene Aiterndorfer Mühle dem Kloster Fürstenfeld.

Die Skepsis gegenüber den Müllern war groß

Nur selten waren die Geschichten um die Mühlen herum so dramatisch, was aber nicht heißt, dass es Horte des Friedens waren. "'Ich gebe dem Müller eine gewisse Menge Getreide und erhalte eine gewisse Menge Mehl zurück'", sagt Schäfer. "Das war den Leuten suspekt. Woher wussten sie, dass der sich nicht etwas abzwackt?" Schnell standen die Müller als Berufsstand unter Generalverdacht.

Mit sogenannten Metzen ließ sich messen, wieviel Mehl eine Mühle an einem Tag produzierte.
Mit sogenannten Metzen ließ sich messen, wieviel Mehl eine Mühle an einem Tag produzierte. (Foto: Christian Endt)

Um dem entgegenzuwirken, gab es unterschiedliche Methoden. In der Ausstellung sind einige "Metzen" zu sehen - Maßgefäße, die angeben, wieviel Mehl innerhalb von 24 Stunden von einer bestimmten Mühle gemahlen werden konnte. Dies diente bei sogenannten Mühlenbeschauungen der Obrigkeit dazu, die Mühlen auf ordnungsgemäßen Betrieb hin zu überprüfen.

Und die Mühlenbeschauer nahmen das ernst. Schäfer erzählt vom Griesmüller, der 1710 aufgrund des "ruinösen" Zustands seiner Mühle zu einer Strafe von einer Gulde, 42 Kreuzern und 4 Hellern "punieret worden" ist.

Mahlten die Mühlen der Innovation zu langsam, war bald Schicht im Schacht

Es wurde aber nicht nur Getreide in den Mühlen verarbeitet. An der Attel, dem Urtelbach und dem Wieshamer Bach drängten sich neben Mehl- auch Sägemühlen, Ölmühlen - in denen Leinsamen zu Öl verarbeitet wurden - Wasserkraft nutzende Schmieden sowie kleinere Anlagen, die von Gerbern, Loderern und Färbern verwendet wurden. "Es gab eigentlich zu viele Mühlen", sagt Schäfer. Für das Jahr 1772 zählte das Landgericht Markt Schwaben in einer Aufstellung 64 der Anlagen, 1886 waren es 73. Die Nachfrage an Produkten war groß, die Konkurrenz jedoch auch.

Ein Modell der Hammerschmiede um 1900. Oben lässt sich ein Blasebalg erkennen, der mit Wasserkraft angetrieben wurde.
Ein Modell der Hammerschmiede um 1900. Oben lässt sich ein Blasebalg erkennen, der mit Wasserkraft angetrieben wurde. (Foto: Christian Endt)

Als Beispiel dient hierfür ein Raum in der Ausstellung, der die Hammerschmiede und die Mühle Walche gegenübersteht, die beide am Oberlauf der Urtel verortet waren. Erstere stand seit 1897 im Besitz des Schmieds Bartholomäus Prabst, letztere gehörte seit 1910 dem Schmied Josef Danner. Beide nutzten Wasserkraft, um Maschinen anzutreiben: Hämmer, Blasebälge, Schleifsteine.

Allerdings ging Danner deutlich weiter mit der Verwendung von Maschinen, fertigte bald in quasi-industriellem Stil Hämmer, Sicheln und vor allem Äxte an, die er auch international vertrieb und die es teilweise bis nach Puerto Rico schafften. Prabst wiederum stand bis zuletzt selbst mit am Amboss und hatte dementsprechend auf lange Sicht das Nachsehen.

Viele Müller gingen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts dazu über, Strom zu produzieren

Doch auch an anderer Stelle waren die Müller in Sachen technischer Innovationen ganz vorne mit dabei, Stichwort: Elektrifizierung. Das erste "Elektrizitätswerk" der Umgebung ging mit der Garbmühle in Öxing im Jahr 1897 in Betrieb, zwei Jahre später erhielt es durch den Eglmüller Josef Altinger starke Konkurrenz.

Die Unternehmer verwendeten die Elektrizität nicht nur für den Betrieb ihrer eigenen Mühlen, sondern verkauften den Strom auch an die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Grafing. Dafür beantragten sie bei der Gemeinde, ihre Leitungen auch über öffentliche Plätze verbauen zu dürfen, um den Häusern Strom und damit - anfangs - Licht zu bringen.

Bernhard Schäfer mit einem Bild der Altinger-Familie. Sie gehörten mit zu den ersten, die von Mehl- und Holz- auf Stromproduktion umstiegen.
Bernhard Schäfer mit einem Bild der Altinger-Familie. Sie gehörten mit zu den ersten, die von Mehl- und Holz- auf Stromproduktion umstiegen. (Foto: Christian Endt)

Auf einem der ersten Pläne, der die Leitungen zeigt und der in der Ausstellung zu sehen ist, lässt sich erkennen, dass die Grafinger schon damals ihre Prioritäten hatten: Das Rathaus musste ohne Strom auskommen, die Brauerei war hingegen bereits früh versorgt.

Der neue Geschäftszweig erwies sich schnell als lukrativ. 1899 errichtete das Müllerehepaar Josef und Elise Rothmoser die Baumgartenmühle neu, zunächst als Mahl- und Sägemühle. Von 1908 bis in die 1960er Jahre jedoch versorgte sie auch die Gemeinden Elkofen und Straußdorf mit Strom.

Die Altingers kauften weitere Mühlen auf und bauten sie zur Stromerzeugung um, schließlich heiratete ein Rothmoser eine Altingerin und übernahm das lokale Stromimperium. Die Firma Rothmoser - bis heute ein wichtiger Stromanbieter in Grafing - feiert dieses Jahr 125-jähriges Bestehen und hat noch heute eine wasserbetriebene Turbine in Betrieb.

In der Ausstellung lassen sich noch jede Menge weiterer Aha-Momente, skurriler Geschichten und Kuriositäten entdecken und auch hier gilt die Regel: Wer zuerst kommt, lernt zuerst.

Die Ausstellung Wasser - Kraft - Strom: Aus der Geschichte der Energieversorgung des Grafinger Raums wird am Mittwoch, 22. Mai, um 19.30 Uhr im Museum der Stadt Grafing eröffnet. Dort ist sie bis einschließlich Sonntag, 8. September, immer donnerstags von 18 bis 20 Uhr und sonntags von 14 bis 16 Uhr zu sehen. Außerdem gibt es ein Begleitprogramm zur Ausstellung, dieses beginnt am Donnerstag, 23. Mai, um 19.30 Uhr in der Gaststätte Heckerbräu in Grafing mit dem Thema "Als den Grafingern ein Licht aufging - Von den Anfängen der Elektrifizierung im Grafinger Raum". Das ganze Programm gibt es auf der Seite des Museums .

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