Kultur in Grafing:Bühne mit Potenzial

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"Don Camillo zu dritt": Andreas Bittl (Mitte), Sven Hussock (links) und Christoph Theussl erzählen die humorvolle Geschichte zweier italienischer Streithähne. (Foto: Hermann Posch/oh)

Die „Theaterlust“ aus Haag schätzt die Stadthalle schon lange als Probeort. Doch das Publikum zögert. Wird „Don Camillo“ die Wende bringen?

Von Anja Blum, Grafing

Wer Musik liebt, Kabarett oder Literatur, dem wird im Landkreis Ebersberg eine Vielzahl an Veranstaltungen geboten. Wer allerdings Theater mag, der hat es eher schwer. Um professionelles Schauspiel genießen zu können, muss man in der Regel nach München fahren, oder zumindest nach Wasserburg. Insofern ist es eigentlich eine gute Nachricht, dass die Stadthalle Grafing nun versucht, ein Theaterangebot zu etablieren. Eine neue Kooperation ist man dafür eingegangen, und zwar mit der „Theaterlust“ aus Haag – eine Art Dienstleister, der Stücke für Gastspiele auf fremden Bühnen produziert. Tourneetheater also.

In Grafing gab es heuer bereits drei hochkarätig besetzte Inszenierungen bekannter Stücke wie „Der Gott des Gemetzels“ oder „Eingeschlossene Gesellschaft“ zu sehen. Doch der Zuspruch, nun ja, der war an diesen Abenden eher mau. Viel zu viele Plätze blieben leer. Trotzdem möchte Theresa Dürnecker-König, die Kulturbeauftragte der Stadt, an ihrem Traum vom Theater in der Stadthalle festhalten. Und hat in Thomas Luft, Geschäftsführer der Theaterlust, einen engagierten Mitstreiter an ihrer Seite. „In Grafing gab es jahrelang gar kein solches Theater, deswegen sind um die hundert Zuschauer aus dem Stand eigentlich schon ein Erfolg“, so seine optimistische Interpretation der Lage.

Wollen gerne Theater in der Stadthalle etablieren: Sven Hussock, Thomas Luft, Theresa Dürnecker-König und Christoph Theussl (von links). (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dazu muss man wissen: Die Ensembles der Theaterlust sind auf der Grafinger Bühne längst zu Hause. Lange, bevor dort heuer die erste öffentliche Vorstellung stattfand, kamen Regie, Darsteller, Maske und Kulisse regelmäßig in die Stadthalle, um dort zu proben. „Wir haben hier schon einige Inszenierungen reif für ihre Premiere gemacht“, erzählt Luft beim Gespräch auf den Brettern, die bekanntermaßen die Welt bedeuten. Und schon immer habe er sich gedacht: „Das ist so ein toller Saal, da müsste es eigentlich wirklich viel Theater geben.“

Auch an diesem Vormittag ist die Haager Theaterlust nach Grafing gekommen, weil schon am Freitag, 8. November, die nächste Vorstellung stattfindet. Auf dem Programm steht „Don Camillo zu dritt“, eine Bühnenadaption der beliebten Geschichten von Giovannino Guareschi. Im Zentrum steht die Rivalität zwischen Priester Don Camillo und Bürgermeister Peppone, die Geschichte spielt zur Nachkriegszeit in einem kleinen italienischen Dorf. Die Zuschauer erwartet also eine humorvolle Reise mit unvergesslichen Figuren und zugleich ein mitreißendes Stück über den Wert von Dialog und Versöhnung. „Wir wollen das Publikum ja nicht mit schwerer Kost verschrecken, sondern anspruchsvolles, aber unterhaltsames Theater bieten“, erklärt Kulturmanagerin Dürnecker-König, und in diesem Sinne sei „Camillo zu dritt“ eine hervorragende Wahl.

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Das Stück hat einen historisch-ernsten Hintergrund: Italien war nach dem Sieg über den Faschismus ein ideologisch gespaltenes Land, mit Christdemokraten auf der einen und Kommunisten auf der anderen Seite. Stellvertretend für diese politischen Kräfte lässt Guareschi seine Hauptfiguren Don Camillo und Peppone gegeneinander antreten. Aber anders als in der Realität enden deren Auseinandersetzungen um Politik, Glaube und Leben immer mit einem Augenzwinkern und bieten so bis heute Beispiel und Perspektive für ein pluralistisches Gesellschaftsbild. „Und gerade angesichts unser massiv gespaltenen Gesellschaft ist dieses zeitlose versöhnliche Moment doch von großer Bedeutung“, sagt Luft. „Wir müssen wieder miteinander ins Gespräch kommen – und dafür bietet Theater auf unterhaltsame Weise eine wunderbare Gelegenheit.“

Gespielt wird das Stück tatsächlich „zu dritt“: Andreas Bittl, bekannt aus „Tatort“ und „Rosenheim Cops“, verkörpert den Don Camillo, Sven Hussock, der auch Regie führt, hält als Peppone dagegen und der Österreicher Christoph Theussl mimt einen zu sanfter Ironie neigenden Erlöser am Kreuz. Und alle drei sehen es als ihre Aufgabe an, die Geschichte der beiden italienischen Streithähne mit allerhand Humor zu garnieren. Mit Wortspiel und Slapstick, mit österreichischem Schmäh und musikalischen Elementen. „Bei uns darf Jesus sogar Klampfe spielen“, sagt Theussl, der seine Erfahrung als Liedermacher und Kabarettist freilich gerne einbringt.

Wer schon einmal selbst auf der Bühne der Stadthalle gestanden hat, weiß: Sie ist erstaunlich tief und die Decke ziemlich hoch. Altgediente Holzdielen werden auf drei Seiten umrahmt von schweren schwarzen Vorhängen. Der Blick schweift über ein großes Parkett samt umlaufendem Balkon. „Das hier ist viel besser als jede moderne Mehrzweckhalle“, sagt Hussock. „Diese Stadthalle hat einen ganz anderen Charme, der viel Potenzial zur Identifikation bietet“, ergänzt Luft.

"Im Resi sind die auch nicht schöner", sagt Theresa Dürnecker-König mit Blick auf die Umkleiden in der Stadthalle. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und für alle Künstler sei das Arbeiten in diesen Räumen professionell und komfortabel: „Für eine solche Infrastruktur sind wir wirklich dankbar, denn in München werden die Kulturräume immer weniger, vor allem die guten“, sagt Theussl. Die Schauspieler loben die tolle Akustik in Grafing, die unverstärktes Sprechen möglich mache, und die optimale Größe der Bühne und des Saales. „Es ist nicht beengt, aber noch intim genug“, so Hussock, „außerdem ist alles da, was man braucht“: eine Gastronomie, viel Platz für Kulissen und mehrere Umkleiden, sogar mit Duschen. „Und im Resi sind die auch nicht schöner“, sagt Dürnecker-König und lacht. Dass Luft auch das „nette Team“ lobt, dürfte auf ihr Konto gehen.

An manchen Dingen kann freilich auch die Stadthallenmanagerin nichts ändern. „Für die Kultur ist nie irgendwo Geld übrig“, sagt sie. Umso wichtiger sei der politische Wille, ergänzt Luft, „und dass man einen langen Atem beweist“. In diesem Sinne wird es in der nächsten Grafinger Spielzeit wieder Theater geben. Geplant sind laut Dürnecker-König die Komödie „Jesus liebt mich“ nach dem gleichnamigen Bestseller von David Safier und Shakespeares „Sommernachtstraum“ als Musical.

„Don Camillo zu dritt“ in der Stadthalle Grafing am Freitag, 8. November, um 20 Uhr. Einlass ist ab 19 Uhr, Karten sind im Vorverkauf sowie an der Abendkasse erhältlich.

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