St. Sebastian:Auf der Suche nach den verlorenen Minuten

Ebersberger Pfarrkirche St. Sebastian

Seit Ostern vermisst: der Minutenzeiger an der Ebersberger Stadtpfarrkirche.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Einer der Zeiger der Turmuhr hat sich kurz nach Ostern gelöst und ist seither spurlos verschwunden

Von Rita Baedeker, Ebersberg

In Ebersberg gehen die Uhren anders. Zumindest einer der Zeitmesser in der Stadt zeigt seit zwei Wochen nicht mehr Minuten, sondern nur noch Stunden an. Wie Kreisheimatpfleger Markus Krammer, der seit fast fünfzig Jahren ehrenamtlich die Turmuhr der Stadtpfarrkirche St. Sebastian betreut, am Sonntag mitteilte, wird ein wesentliches Element der Zeitmessung vermisst. Auf dem Zifferblatt auf der Nordseite des Turms fehlt der Minutenzeiger, zwei Meter lang, 15 Kilogramm schwer und mit Blattgold belegt.

Die schmiedeeiserne Turmuhr gehört mit ihren 350 Jahren zu den ältesten in Bayern und hat sicher manch schwere Stunde, manchen wütenden Orkan überstanden. Doch in der Nacht von Ostermontag auf Dienstag muss wohl eine besonders heftige Bö oder aber sonst eine irdisch-himmlische Kraft an ihr gezerrt haben, der Zeiger jedenfalls hat sich gelockert, von der Achse gelöst und ist, so vermutet Krammer, auf das Dach des Langhauses der Kirche gefallen. Seit da jedoch verliert sich jede Spur.

Krammer wandte sich an Ebersbergs Bürgermeister Walter Brilmayer, der wiederum den Kommandanten der Ebersberger Feuerwehr, Uli Proske, umgehend zwecks Suche und Bergung des kostbaren Gegenstands informierte. Mittlerweile wurden das Gelände um die Kirche herum, die angrenzenden Dächer und Schneefanggitter mit dem Fernglas abgesucht. Sogar der Pfarrgarten, der Innenhof des Finanzamtes und das Dach des Langhauses wurden inspiziert. Proske organisierte eine Drohne, die auf Spähflug über die Dächer geschickt wurde. Ein Quattrocopter mit integrierter Kamera wurde gestartet, der die Dachrinnen untersuchen sollte. Vermutlich haben an das Areal der Kirche angrenzende Bewohner bereits in Erwägung gezogen, wegen Spionageverdachts den militärischen Abschirmdienst einzuschalten. Das Ergebnis der Suchaktionen brachte jedoch kein Ergebnis.

"Es muss davon ausgegangen werden, dass der Zeiger der Turmuhr vielleicht von einem Besucher als Souvenir einfach mitgenommen worden ist", sagt Krammer vorsichtig. Tatsächlich ist nur schwer vorstellbar, dass ein zwei Meter langes Eisenteil wie dieser Zeiger einfach so im Gebüsch verschwindet, in der Dachrinne hängen bleibt und unauffindbar ist. Andererseits ist auch nicht so recht klar, wie irgendein Besucher auf das Dach des Langhauses, in ein Schneefanggitter oder gar in den Pfarrgarten oder den Innenhof des Finanzamtes gelangt sein und mit dem meterlangen Ding unterm Arm das Weite gesucht haben soll. Gesichert ist nur, dass der Zeiger verschwunden ist und offenbar niemandem auf den Kopf fiel.

Es stellt sich natürlich die Frage, was man mit dem Zeiger einer Turmuhr anfangen kann. Wobei: Ein schmuckes Stück Schmiedearbeit ist dieser goldene, etwas schnörkelige Stab ja, mit dem Pfeil am vorderen Ende. Sollte das gute Stück wieder auftauchen, dann, so Krammer, werde es nicht einfach sein, den Zeiger wieder an der Uhr anzubringen. Denn die Leiter der Feuerwehr, so der Kreisheimatpfleger, ende etwa fünf Meter unterhalb des Zifferblatts. "Aber damit befassen wir uns, wenn es soweit ist."

Zunächst hoffen Pfarrei und Stadt Ebersberg aber darauf, dass der Finder das teure Stück - und damit die gestohlenen Minuten - zurückbringt, oder sich ein Zeuge findet, der weiß, wo der Uhrzeiger steckt. Bis dahin erfahren Passanten, die lediglich diese Seite des Turms schauen, nur ungefähr, wie spät es ist. So wie in der Zeit bis 1700, als es an Uhren nur einen einzigen Zeiger gab. Ein bekannter Aphorismus fordert dazu auf, nur (heitere) Stunden zu zählen. Ist aber in diesen Breiten keine gute Idee.

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