Sportlerin aus Glonn:Auszeichnung für Christina Wagner und ihre Pferde

Wagner christina

Christina Wagner aus Glonn bei einem Rennen.

(Foto: privat)

Die 18-jährige Glonnerin zählt bayernweit zu den Besten im Gespannfahren - ein Sport, bei dem man auch mal im Staub landen kann.

Porträt von Viktoria Spinrad, Glonn

Wenn Attila und Aranka losrennen, fühlt sich das an wie ein ruckeliger Flug, und das, obwohl das Duo verhältnismäßig sanft und synchron über das Gehölz rennt. Man hält sich notgedrungen fest, der Schlamm spritzt, das Geschirr ruckelt, aber das Gefühl eines Kontrollverlust auf dieser Kutsche stellt sich mit einem Blick nach rechts zügig ein. Auf dem Bock thront Christina Wagner, 18 Jahre alt, lange blonde Haare, Perlenohringe, Pudelmütze, und dirigiert die grenzenlose Energie der beiden Pferde mit Schnalzenund Rufen.

Diese Fähigkeit, ihre für den Fahrsport eigentlich ungewöhnlichen Haflinger punktgenau über verschiedene Parcoure zu jagen, hat ihr auch heuer wieder zahlreiche Titel eingebracht, für die sie am Sonntag bei der Sportlerehrung in Glonn gewürdigt worden ist. "Dieses Jahr war schon interessant", erzählt sie rückblickend, die Leinen wippen im Schritt der gebremsten Pferde sanft auf und ab, ringsum die schier grenzenlosen Felder und Weiten von Glonn.

Mit elf Jahren war sie bereits oberbayrische Seniorenmeisterin im Einspänner; mit 15 Jahren holte sie Mannschaftsgold bei der Jugend-EM in Polen. Trotz wenig Zeit hängte sie auch in diesem Jahr die Konkurrenz ab: Im vierten Jahr in Folge wurde sie bayerische Juniorenmeisterin im Einspänner. Mit Attila und Aranka fuhr sie wie im letzten Jahr im Wettbewerb der Senioren oberbayernweit das beste Ergebnis ein. Und das, obwohl sie vor den Turnieren noch einen ganz anderen Vollzeitjob zu absolvieren hatte - das Abitur.

"Man hat sein Ziel, das möchte man erreichen, und dann kommen wieder andere Zeiten", sagt Wagner nüchtern über die Zeit, in der sie bis spät in der Nacht lernte, einige Turniere verpasste und auch mal eine Siegerehrung schwänzen musste, um am nächsten Tag eine Religionsklausur zu schreiben. Trotz der turbulenten Abiturjahre erreichte sie einen exzellenten Abschluss, neben den fast täglichen Trainingseinheiten mit den Haflingern im Wald und auf den Feldern.

Ob der Sport gefährlich ist? "Ja", sagen Tochter und Mutter Andrea Wagner

Dort versucht der temperamentvolle Attila wieder, in einen Trab zu verfallen, Wagner hält ihn mit einem "Brrrr" zurück. "Beim Gespannfahren geht vieles über die Stimme", sagt sie. Wenn man die Pferde trainiert, bringt man ihnen bei, bestimmte Töne mit bestimmten Befehlen zu verbinden. Zusammen mit den Leinen (nicht Zügel wie beim Reiten) soll der Fahrer die Pferde in den drei Turnier-Disziplinen besonders schnell und punktgenau lenken.

"Ideal ist, wenn man von der Seite nur ein Pferd sieht", sagt Wagner vom Kutschbock aus über die erste Disziplin: der Dressur, bei der die Pferde verschiedene Figuren laufen. Bei der zweiten Disziplin, der Hindernisfahrt, winden sich die Pferde auf Zeit durch Pylonenpaare, auf denen ein Ball liegt und möglichst nicht runterfallen sollte; die spektakuläre Geländeprüfung wiederum gleicht oft einer Schlammschlacht.

Christina Wagner aus Glonn beim Gespannfahren mit ihrem Zweispänner und den Pferden Aranka und Attila.

Christina Wagner mit ihrem Zweispänner und den Pferden Aranka und Attila beim Training.

(Foto: Viktoria Spinrad)

Es mag passiv aussehen, wie die Fahrer gerade bei der Dressur stoisch auf dem Bock sitzen und die Pferde zu getakteten Bewegungen anweisen.. "Man muss aber ständig aktiv sein", sagt Wagner und demonstriert, wie sie die Tiere mit kleinsten Bewegungen der Finger zurückhält oder zur Seite dirigiert, "wie wenn man etwas kneten würde". Dann zeigt sie auf eines der Löcher im Gespann, an das die Pferde geschnallt sind: Hiermit ließen sich Unterschiede im Temperament der Tiere ausgleichen, und es braucht keinen Experten, um zu vermuten, welchen der beiden Haflinger sie an diesem Tag enger geschnallt hat.

Ob der Sport gefährlich ist? "Ja", sagen Tochter und Mutter Andrea Wagner, die sich hinten ebenfalls aufgeschwungen hat, wie aus einem Mund. Einmal fiel Wagners Kutsche um, 2016, als sie mit ihrem dritten Haflinger Santos bei den Verbandsmeisterschaften der Einspänner antrat. Dem Pferd ging es gut, "ich dachte, mein ganzer Arm ist offen", sagt Wagner, "dabei war ich bloß in Brennnesseln gefallen". Das Ende vom Turnier war dies nicht. Eine Stunde später startete sie mit Attila und Aranka - und belegte den dritten Platz.

Wie man in einer Familie ohne Pferdeerfahrung zum Gespannfahren kommt? Und das mit Haflingern, die nicht gerade als die wendigsten Tiere bekannt sind? "Mit vier Jahren galoppierte sie schon auf einem Nachbarspferd umher", sagt die Mutter über die Zeit, bevor die Tochter die Zügel gegen die Leinen tauschte. Dann stand die Stute Aranka, die Christina Wagner von ihren Reiterferien kannte, eines Tages zum Verkauf und fand ihren Weg zu den Wagners. Und weil Aranka sich wohl doch einsam fühlte, kam Attila dazu. Und weil die Tochter eines Tages vielleicht andere Interessen haben würde und der Mutter die Ponys zu klein sind, lernte die Mutter - selber ohne Pferdeerfahrung - eben das Fahren.

Also zog die Tochter nach, bei der Prüfung für das Abzeichen habe der Richter gesagt: "Die gehört in den Turniersport", und nach ein paar Proben war der Fall klar. "Wenn man anfängt zu gewinnen, kommt der Ehrgeiz", sagt Christina Wagner. Die damaligen Bedingungen der Eltern: Sie müsse sich selber um die Pferde kümmern, "drei Pferde anderswo einzustallen wäre keine Option", sagt die Mutter.

Und so steht hinter dem Haus in der Schießstätte ein kleiner Pferdestall, ringsum die Kutschen, einen Trainingsplatz gibt es nicht. Wenn es geht, trainiert Wagner bei ihrem Verein, den knapp 40 Kilometer entfernten Pferdefreunden Leitzachtal in Hundsham. Ansonsten "wird man kreativ", sagt Wagner und deutet nach vorne, wo der sumpfige Wald wieder anfängt. "Ich nutze jede Pfütze als Wasserhindernis, jede Kurve, jeden Baum als Trainingseinheit."

Die besondere Verbindung zum Tier

Kreativität ist auch dann gefragt, wenn ein Turnier ansteht. "Das ist immer wie ein Auszug aus Ägypten", schildert die Mutter, die sich auf Wettbewerben mit dem Vater als Ansager hinten auf der Kutsche abwechselt. Mitten in der Nacht aufstehen; Pferde waschen, Geschirr putzen, Futter verstauen; die drei Kutschen kommen in den Fiat Ducato, dann geht es los, "das ist dann auch unser Urlaub", sagt der Vater. Aber wenn dann die Nationalhymne ertönt, wie 2014 in Polen, "dann ist der ganze Stress vergessen." Klavier und Chor gab Christina Wagner schon vor Jahren auf, der Sport bedeutet für die Familie, die einen Gasthof betreibt, neben der erfüllenden Arbeit mit den Pferden auch: Verzicht.

Auf dem geteerten Weg klackern die Hufeisen, drei Reiter kommen entgegen, man grüßt sich. Ob es nicht Momente gebe, in denen man sich mal wünscht, die Pferde und die Arbeit drumherum für ein paar Tage los zu sein? Einfach jung sein, eine neue Stadt, vielleicht sogar ins Ausland? "Nein", sagt sie entschieden und lacht. "Wenn ich zwei Wochen ohne meine Tiere bin, dann gehen sie mir schon ab", schließlich gehe es auch um die Verbindung zu den Tieren.

Eine Verbindung, die für sie bedeutet, dass die jetzt nach dem Abitur über Berufswege nachdenkt, die sich auch mit ihrem Sport vereinbaren lassen. Eigentlich habe sie Tiermedizinerin werden wollen, seit sie sieben ist, aber jetzt befürchtet sie einem Teufelskreislauf aus Arbeit, um die Tiere zu finanzieren, und am Ende habe man doch keine Zeit für den Sport.

"Hier ist die Galoppstrecke", sagt Christina Wagner, als sich am Waldrand der Feldweg erblicken lässt, und schiebt sich die Mütze zurecht. Ein Schnalzen, die Arme hoch, Leinen nach vorne. Attila und Aranka fliegen wieder daher, Wagners Gesicht ist plötzlich hoch konzentriert, als wäre ein Schalter umgelegt, die Augen verengen sich, Tunnelblick, und man beginnt zu verstehen, wieso die 18-Jährige trotz ihres ungewöhnlichen Gespanns und improvisierten Trainingsmethoden immer wieder ganz vorne landet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: