Landwirtschaft:Klein, grün und voller Proteine

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Sojabohnen. (Foto: matthiasdoering.com)

Für das "Ebersberger Land" baut Familie Riedl aus Jakobsbaiern eigenes Hühnerfutter an. Vorne mit dabei sind die Sojabohnen.

Von Nathalie Stenger, Baiern

Mehr als zwanzig Hälse sind es, die sich recken und strecken, als Hans Riedl durch sein Feld stapft und ein paar Pflanzen aus dem Boden zieht. Wer sich nicht gerade täglich mit dem Thema Landwirtschaft beschäftigt, wird einen Moment brauchen, um das Proteinwunder, das er nun in der Hand hält, zu erkennen. Es geht nicht etwa um typische Sorten wie Hafer oder Mais - Thema heute ist Soja. Er sei selbst nicht so der große Redner, warnt Riedl sein Publikum vor, er habe sich deshalb alles Wichtige aufgeschrieben. Mit Cap und festem Schuhwerk steht er da, bereit, seinem Besuch - bestehend unter anderem aus neuen und alten Bürgermeistern oder deren Vertretern aus Glonn, Grafing, Bruck, Ebersberg und Egmating - alles über heimisches Soja näherzubringen.

"Bayerisches Soja, geht das überhaupt?" Mit dieser Frage hatte die Solidargemeinschaft "Ebersberger Land" am Dienstagabend zur Feldbesichtigung bei Riedls eingeladen. Die Solidargemeinschaft aus Ebersberg ist eine von insgesamt zehn in und um München und Augsburg, gemeinsam bilden sie das Netzwerk "Unser Land", dessen regionale Produkte es in den jeweiligen Landkreisen in den Supermärkten zu erwerben gibt. Weil aufgrund von Corona die übliche Mitgliederversammlung nicht abgehalten werden konnte, entschied man sich kurzerhand, diese nach draußen zu verlegen und mit einem Besuch in Jakobsbaiern zu verbinden. Und so schließt sich auch der Kreis mit Gitti und Hans Riedl: Die Freiland-Eier ihres Zehatmoarhofs aus dem kleinen Ort bei Glonn gehen nämlich in den Verkauf für "Unser Land", auch das Futter für die Hühner kommt von dort. Luise Braun, Vorsitzende der Solidargemeinschaft Ebersberg, bringt es auf den Punkt: "Das hier ist die praktische Umsetzung", sagt sie. "Der Verein macht ideelle Arbeit, die Landwirtschaft liefert."

Die Sorte auf dem Feld der Riedls in Jakobsbaiern bei Glonn wird nicht für Tofu, sondern für die eigenen Hühner angebaut. (Foto: Christian Endt)

Zurück zur Sojabohne. "Ja, das funktioniert sehr wohl", lautet die Antwort von Landwirt Riedl auf die ursprüngliche Frage, "es wächst!" Weil es mit Herumreichen aktuell schwierig ist, begutachtet ein jeder die Pflanzen in seiner Hand aus der Ferne oder stellt sich selbst an den Rand des etwa vier Hektar großen Felds. Ein paar Zentimeter lang sind die grünen Schoten, die an den Stielen hängen, "bis zu 30, oder sogar 35 Stück können es pro Pflanze sein", erklärt der Bauer. "In jeder Schote verstecken sich zwei bis vier Bohnen." Die grüne Hülle ist von feinen, braunen Härchen bedeckt. Die Ernte sei abhängig vom Zeitpunkt der Saat, so Riedl weiter, bei ihm werde es Anfang Oktober losgehen. Das kann man dann auch gut erkennen: "Bald wird die Bohne braun, die Blätter fallen ab und wenn's in der Schote scheppert, dann ist sie fertig."

Seit 2009 gibt es auf dem Zehatmoarhof Hühner, relativ bald danach begannen die Riedls auch mit der Bebauung von Soja. "Ich probiere gerne mal was aus, auch wenn es danebengeht", heißt es von dem Landwirt. So wie bei seinem ersten Versuch mit der Pflanze, die viele wohl erst mal mit Südamerika oder Südostasien verbinden. Eine verkehrt geimpfte Saatgutlieferung - die Samen müssen vorab mit Knöllchenbakterien geimpft werden - habe damals kaum Ernte erbracht, erinnert sich der 50-Jährige. Dafür sehe es heuer mit dem Soja umso besser aus. "Das werden bestimmt 30 Doppelzentner pro Hektar", vermutet er. Ein guter Ertrag also.

Auch Soja wächst auf bayerischem Boden, zeigt Hans Riedl den Besuchern. (Foto: Christian Endt)

Weil der Anbau seit vergangenem Jahr biologisch erfolgt, finden sich zwischen den gesäten Pflanzen auch einige Unerwünschte, wie etwa Hirse oder die Melde. Von einem Biokollegen habe er sich aber sagen lassen, "das bassd scho", erklärt Riedl lachend. "I nimm des so wie's is." Zum Vergleich: Im Landkreis gibt es 944 Landwirte, 76 davon bauen ökologisch an, so heißt es auf Nachfrage beim Amt für Landwirtschaft.

Unterstützung beim Reden bekommt Riedl von Vorständin Luise Braun. Sie erzählt von den Ursprüngen der Solidargemeinschaft - seit 1998 schon vertreten engagierte Frauen und Männer fünf Säulen: Landwirtschaft, Handwerk und Handel, Verbraucher, Kirchen sowie Umwelt- und Naturschutz. Heute vernetzen sie, informieren und organisieren verschiedene Projekte, wie etwa die Sonnenäcker. "Dieses Jahr ein totaler Run", sagt die Vorsitzende. "Weil in der Pandemie alle Zeit hatten und gutes Gemüse selbst anbauen wollten." Als Nächstes auf dem Programm: die Apfelsammlungen in Bruck, "das geht auch mit Corona", bestätigt die Vorsitzende. Mehr als 100 Lebensmittel sind mittlerweile im "Unser Land"-Sortiment, von Brot und Getreide bis hin zu Getränken und Gurken im Glas. Luise Braun betont erneut die Regionalität der Produkte: "Dabei kommt alles aus Bayern."

Natürlich baut Familie Riedl nicht jedes Jahr das Gleiche an, für einen guten Boden muss sich die Fruchtfolge ändern. "Ich werde die nächsten drei Jahre kein Soja mehr haben", berichtet der 50-Jährige. "Dafür aber Hafer, Erbsen, Körnermais, Weizen oder vielleicht Ackerbohnen." Von der Sorte unabhängig kommt die Ernte zum Asamhof nach Kissing bei Augsburg. Dort wird sie aufbereitet - das Soja etwa wird getoastet - und als Futtermischung in andere bayerische Landkreise und eben auch zurück an den Zehatmoarhof geliefert.

Über einen Umweg nach Augsburg landet die Bohne dann im heimischen Futtertrog. (Foto: Christian Endt)

Bevor sich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit frischen Freiland-Eiern und dem bekannten "Gackerl" - selbstgemachter Eierlikör im Glas von Gitti Riedl - im Gepäck verabschieden und somit auch die besondere Mitgliederversammlung der Solidargemeinschaft beendet wird, geht es noch kurz auf einen Abstecher zu den Hühnern der Familie. "Wegen dem vielen Regen heute leider nicht draußen", erklärt Gitti Riedl. Aber man hört sie trotzdem, wie sie leise durch die Wände gackern. Nach ein paar Umbauten, die bald anstehen, werden es 4000 sein, verkünden die Landwirte, "außerdem hat jede Henne mehr als vier Quadratmeter Platz." Und sie seien "brutal" gerne draußen.

Über einem der zwei Ställe sind nicht weit entfernt die Baumwipfel des Waldes zu sehen. "Wir haben leider Probleme mit dem Habicht", erzählt Hans Riedl, als er darauf angesprochen wird. "Holt Euch doch Alpakas!", ertönt es aus den Reihen der Anwesenden. Die seien zu teuer, antwortet er lachend, aber tatsächlich gebe es bald Schafe für die Hühner. "Damit einfach bisschen mehr los ist, da drin."

© SZ vom 03.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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