Süddeutsche Zeitung

Ebersberger Sozialdemokratin:SPD-Landesvorsitz: Rauscher schließt Kandidatur nicht aus

Bei der Suche nach einer neuen Landesvorsitzenden könnten die Genossen im Landkreis Ebersberg fündig werden.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Die nächste Landesvorsitzende der bayerischen Sozialdemokraten könnte aus dem Landkreis Ebersberg kommen. Wie die SPD-Landtagsabgeordnete und kommissarische Kreisvorsitzende Doris Rauscher auf Nachfrage sagt, schließe sie eine Kandidatur nicht aus. Allerdings mit dem Zusatz, dass dies nicht bedeute, sie werfe sofort ihren Hut in den Ring. Und es gibt noch eine Person im Kreisverband, für die ein Wechsel in den Landesvorstand zumindest grundsätzlich vorstellbar ist.

Fragt man bei den Genossen im Landkreis, was der oder die künftige Bayernvorsitzende mitbringen muss, gibt es einen gar nicht so kleinen gemeinsamen Nenner: Mehr Präsenz nach innen und außen. "Es fehlt eine charismatische Person", fasst etwa Albert Hingerl, Sprecher der SPD-Kreistagsfraktion und stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes, das Problem auf Landesebene zusammen. Was er nicht als Kritik an der Noch-Landesvorsitzenden Natascha Kohnen verstanden wissen will: "Sie hat ihr Bestes gegeben, da ziehe ich meinen Hut davor - aber das Ergebnis ist nicht so, wie man es sich erwartet hat."

Auch Magdalena Wagner, designierte Direktkandidatin für den Bundestagswahlkampf, wünscht sich, dass der oder die neue Vorsitzende sowohl die Einheit und Gemeinsamkeit der Partei stärkt als auch "eine stärkere Außenwirkung" mitbringt. Wer die Nachfolge Kohnens antritt, müsse sich mehr und wahrnehmbarer in der Öffentlichkeit äußern. Es brauche "endlich wieder eine klare Position", etwa beim Klimaschutz oder bei der Arbeitsmarktpolitik, sagt der Fraktionssprecher im Vaterstettener Gemeinderat und stellvertretende Kreisvorsitzende Josef Mittermeier.

Mehr "Menschen-Nähe" wäre außerdem wichtig, sagt Rauscher, konkret "Lust daran, in der Öffentlichkeit präsent zu sein". Die aktuelle Vorsitzende sei oft dafür kritisiert worden, "dass sie das nicht so kann". Darüberhinaus sollte ein gewisses Erfahrungsspektrum vorhanden sein, etwa durch die Arbeit auf verschiedenen politischen Ebenen, von kommunalen Gremien bis zu Land- oder Bundestag. Weshalb sie eine Doppelspitze für den Landesvorsitz gut fände. So könne man mehr Vielfalt hineinbringen, was Geschlecht, politischen Werdegang oder auch das Alter betrifft. Dass Kohnen ihren Rückzug auch damit begründet hat, dass jetzt die Jüngeren dran sind, "finde ich nicht schlecht - aber man sollte es nicht am Alter festmachen".

Was alles zusammen - Rauscher ist der gleiche Jahrgang wie die scheidende Landesvorsitzende - fast wie eine Bewerbung für deren Nachfolge klingt. Nicht zuletzt, weil Rauscher in einem Kernthema der SPD, der Sozialpolitik, quasi zuhause ist: Vor ihrer Zeit als Landtagsabgeordnete ab 2013 war sie pädagogische Leiterin bei der Kinderbetreuung des Paritätischen Wohlfahrtsverband, derzeit ist sie die Vorsitzende des Sozialausschusses des Landtages.

Seit 2002 ist sie Mitglied des Ebersberger Stadtrates, seit 2014 auch des Kreistages, kennt also verschiedene politische Ebenen. Zudem gelang es ihr, trotz der Dauerkrise der Genossen, sämtliche Mandate zu verteidigen und sie steht kurz davor, von der kommissarischen zur offiziellen Kreisvorsitzenden zu werden. Wo sie im Übrigen auf zwei Vorgänger folgt, denen wie der scheidenden Landeschefin, zu wenig Präsenz und Führungsfähigkeiten nachgesagt wurde.

Darauf angesprochen verneint Rauscher nicht, dass sie sich eine gewisse Qualifikation nicht absprechen würde, will das aber nicht als Anspruch auf höhere Parteiämter verstanden wissen - zumindest noch nicht: "Im Moment steht es nicht zur Debatte, aber man darf im Leben nie nie sagen." Derzeit "ist mir der Vorsitz im Sozialausschuss sehr wichtig". Als Landesvorsitzende müsste sie dies wohl aufgeben, sagt Rauscher, aber im Ausschuss könne sie viel bewegen für die Menschen im Freistaat. Dass sie nicht sofort "Hier" rufe, wenn es um den Parteivorsitz geht, liege auch daran, dass die Entscheidung Kohnens zum Rückzug noch sehr frisch ist und noch gar nicht klar sei, wann überhaupt über die Nachfolge entschieden werde.

Oder um wie viele Nachfolger es überhaupt geht. Magdalena Wagner begrüßt ebenfalls die Idee einer Doppelspitze, allerdings sei es damit nicht getan. "Man darf nicht nur auf die Vorsitzenden schauen." Denn mit zwei Personen lasse sich eben nicht das gesamte Spektrum politischer und gesellschaftlicher Positionen abdecken, "da müssten wir uns die Leute schon backen".

Sie würde sich darum wünschen, dass der Vorstand insgesamt möglichst vielfältig aufgestellt wird, "es muss alles abgebildet sein". Bei der Frage, ob die 29-jährige Gemeinderätin aus Egmating und oberbayerische Bezirksvorsitzende der Jusos hier für sich selbst eine Position sieht, klingt sie fast wie ihre Kreisvorsitzende: "Ich will mich noch nicht festlegen, für jedes Amt sollte man die notwendigen Zeitressourcen mitbringen."

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SZ vom 17.11.2020/koei
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