Nahverkehr:SPD Poing erwägt kostenloses Busfahren per Leihticket

Nahverkehr: Denkbar wäre, dass die Gemeinde Tickets tageweise und gebührenfrei an Fahrgäste verleiht.

Denkbar wäre, dass die Gemeinde Tickets tageweise und gebührenfrei an Fahrgäste verleiht.

(Foto: Christian Endt)

Allerdings ist noch unklar, wie das Vorhaben finanziert und Gratis-Fahrer kontrolliert werden sollen.

Von Manuel Kronenberg, Poing

Wer mit dem Bus von Poing nach Pliening fahren will, zahlt aktuell 2,90 Euro für ein Ticket. Geht es nach der Poinger SPD, soll diese Fahrt künftig gar nichts mehr kosten, ebenso alle Bus- und Bahnfahrten in Poing und den Nachbargemeinden Pliening und Anzing: Alle, die in Poing wohnen, sollen den öffentlichen Nahverkehr umsonst nutzen dürfen. So steht es in einem Antrag, den die Poinger SPD-Fraktion an den Gemeinderat gestellt hat. Ziel ist demnach, den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu machen. Das Angebot solle "zu einer Verminderung des Individualverkehrs führen", schreiben Fraktionssprecher Peter Maier und Gemeinderat Reinhard Tonollo.

Doch wie soll dieses Ziel erreicht werden? Wie soll ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr umgesetzt werden? In dem Antrag heißt es, die Verwaltung solle Verhandlungen mit dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) und den Gemeinden Pliening und Anzing aufnehmen. In den beiden Nachbargemeinden gibt man sich allerdings skeptisch. "Wünschenswert sind viele Dinge, aber machbar sind nicht alle", sagt der Bürgermeister aus Pliening, Roland Frick (CSU). Er wolle das Vorhaben nicht von vornherein einstampfen, aber er sieht einige Probleme.

"Wer will kontrollieren, wer woher kommt?", gibt Frick etwa zu bedenken. Es säßen ja nicht nur Leute aus Poing in den Bussen. Auch der Anzinger Bürgermeister Franz Finauer (Unabhängige Bürgergemeinschaft Anzing) hält nicht viel von den Plänen. "Ich kann es mir im Moment nicht vorstellen", sagt er. Es sei einfach kein Geld vorhanden.

Der Poinger Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) kann sich vorstellen, ein ähnliches Modell einzuführen wie jenes, das in Kirchheim im Landkreis München seit Beginn dieses Jahres gilt. Dort hat die Gemeinde vier Monatstickets der IsarCard angeschafft, um sie tageweise an ihre Bürger zu verleihen. Nicht nur Bedürftige oder alte Personen, sondern jeder, der in Kirchheim wohnt, kann so einen Tag lang das Gesamtnetz nutzen. Ein Ticket kann einfach abgeholt oder bis zu vier Wochen im Voraus reserviert werden.

Die Inanspruchnahme kostet allerdings einen Euro, obwohl der entgeltliche Verleih laut den Bestimmungen des MVV-Gemeinschaftstarifs eigentlich nicht gestattet ist. "Wir wissen, dass wir nichts verlangen dürfen", sagt Johannes Pinzel, Referent des Kirchheimer Bürgermeisters Maximilian Böltl (CSU). "Das tun wir aber auch nicht, wir bitten um eine Spende." Gegen eine kostenlose Ausleihe oder eine freiwillige Spende sei nichts einzuwenden, so Franziska Hartmann, Pressesprecherin des MVV.

"Das ist eine schöne Sache für den Bürger und eine Motivation, den ÖPNV zu nutzen", sagt der Kirchheimer Johannes Pinzel. Das Angebot werde hervorragend angenommen und rege nachgefragt. Obwohl momentan nur vier Tickets zur Verfügung stehen, zeigt sich Pinzel zuversichtlich, dass das Angebot nützlich ist. Dem Einzelnen sei auf jeden Fall geholfen, sagt er.

"Wir haben einfach Tickets gekauft"

Nach einer Probephase werde die Ticketanzahl gegebenenfalls der Nachfrage entsprechend angepasst. Bei dem Kauf und der Verleihung von Tickets handelt es sich um eine freiwillige Leistung der Gemeinde. Verhandlungen mit dem MVV führte Kirchheim keine. Man sei da sehr pragmatisch vorgegangen, sagt Pinzel. "Wir haben einfach Tickets gekauft." Hartmann äußert, der MVV stehe Aktionen, die den ÖPNV fördern, immer positiv gegenüber, insbesondere, wenn sie sich an Bedürftige richten.

Vorhaben, die den ÖPNV fördern sollen, aber über freiwillige Leistungen der Gemeinden hinausgehen, stellen sich dagegen als schwieriger dar. Das zeigen etwa Erfahrungen aus Vaterstetten. Dort dauerte es mehr als fünf Jahre, um mit dem MVV auszuhandeln, dass die Gemeinde vergünstigte Tickets für Kinder ausgeben darf. Auch in Kirchheim hatte man eigentlich anderes vor: nämlich mit dem MVV über ein Gratis-Angebot auf drei Buslinien zu verhandeln. Die Idee wurde verworfen, da erwartet wurde, dass der MVV wegen zu großer Auswirkungen auf die Verbundpartner kritisch reagieren würde.

Orientiert sich Poing am Kirchheimer Modell, könnte der bürokratische und finanzielle Aufwand indes geringer gehalten werden. Eine Handvoll Tickets verleihen wirkt allerdings wie ein sehr kleiner Schritt in Richtung des Ziels, das im Antrag festgehalten ist: allen Bürgern der Gemeinde die kostenlose Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zu ermöglichen und den Individualverkehr zu verringern.

Irgendwo müsse man eben anfangen, sagt Hingerl dazu. "Aus diesen Ideen können Varianten und Pilotprojekte entstehen." Es gebe kein Tabu bei solchen Überlegungen. Eines könnte laut Hingerl zudem erreicht werden: den MVV wachrütteln. Denn, sagt der Bürgermeister, "wenn wir uns als Kommune solche Gedanken machen müssen, zeigt das, dass die eigentlichen Verantwortlichen ihre Hausaufgaben nicht machen." Da die Gemeinde aber nun mal wachse, müssten kreative Problemlösungen her.

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