SPD Kirchseeon:110 Jahre und kein bisschen leise

Beim seinem Geburtstag beschäftigt sich der Ortsverein mit vergangenen Erfolgen aber auch mit Krisen und Katastrophen.

Von Alexander Sorg

SPD Kirchseeon: Kirchseeons SPD-Vorsitzender Frank Sautner (rechts) und Bundestagsabgeordneter Ewald Schurer ehren beim Geburtstag des Ortsvereins Altbürgermeisterin Uschi Bittner. Foto: Endt

Kirchseeons SPD-Vorsitzender Frank Sautner (rechts) und Bundestagsabgeordneter Ewald Schurer ehren beim Geburtstag des Ortsvereins Altbürgermeisterin Uschi Bittner. Foto: Endt

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Noch 1928 habe die NSDAP gerade zwei Prozent der Stimmen bekommen in Kirchseeon. "Aber die Machtübernahme kam, wie jeder weiß, leider trotzdem", erzählt Herbert Blöchl, der beim 110-jährigen Jubiläum der Kirchseeoner SPD die Geschichte der Partei in der Gemeinde aufarbeitet. Sofort nach der Machtergreifung seien Kirchseeoner SPD-Mitglieder verhaftet und in das KZ Dachau gebracht worden. Um die Geschichte des ältesten SPD-Ortsvereins im Landkreis zu visualisieren, haben die Verantwortlichen der SPD in den Eglhartinger Werkstätten eine große Wand mit Zeitungsartikeln, Fotos und Urkunden angefertigt.

In den Zeitungsartikeln stehe, welche Mitglieder zu welchem Zeitpunkt ins KZ gebracht wurden, erklärt Blöchl. "Das konnte jeder mitbekommen, die haben die Lager nicht verheimlicht." Zum Beweis zeigt er auf einen der Artikel. Er selbst habe viele der inhaftierten Mitglieder später noch kennengelernt, als er in die SPD eintrat. Das war im Jahr 1965. Ein Jahr später saß er bereits im Gemeinderat, in dem er bis heute geblieben ist. "Die Linken haben die Demokratie in Deutschland aufgebaut", erklärt Blöchl. So sei der erste Bürgermeister nach dem Ende des Krieges in Kirchseeon ein Kommunist gewesen. Die Amerikaner hätten ihn aus Mangel an Alternativen eingesetzt. "Es gab nur sehr wenig überzeugte Demokraten." Seit seiner Anfangszeit habe sich viel verändert in der Politik in Kirchseeon, wie auch allgemein. Zu seinem Bedauern sei in ganz Bayern die CSU zur mit Abstand stärksten Kraft aufgestiegen. "Davon ist natürlich auch Kirchseeon nicht verschont geblieben."

Auch Ewald Schurer sieht die Entwicklung seit seinen Anfangsjahren in Ebersberg kritisch. Der Abgeordnete im Bundestag und Bezirksvorsitzende der Oberbayern SPD erklärt, dass die CSU ab 1970 zu stärksten Kraft in Bayern geworden sei. Dies habe sich auch in Ebersberg bemerkbar gemacht. "Als in Kirchseeon 1990 Uschi Bittner zur Bürgermeisterin gewählt wurde, da hatte ich Tränen in den Augen", erzählt Schurer. Für ihn, dessen Heimatverband in Ebersberg sei, wäre der Ortsverein Kirchseeon die zweite politische Heimat. Nirgendswo sonst habe er so viele Besuche abgehalten. Auch das politische Handwerkszeug habe hier gelernt. "Herbert Blöchl war mein politischer Mentor."

Auch die Gewinnerin der Bürgermeisterwahl 1990 ist erschienen. Ihre erste Amtsperiode sei etwas holprig gestartet, erzählt Bittner. Die SPD habe zuvor zwölf Jahre lang aus der Opposition agiert. "Meine Fraktion war darauf geeicht, dagegen zu sein." Nach einiger Zeit wäre aber ein tolles Team entstanden, welches die Probleme in Kirchseeon mit großer Tatkraft gelöst habe. Ihm sei vor allem die brisante Situation der Kindertagesstätten in Erinnerung geblieben, erzählt Thomas Kroll, der damals schon Mitglied des Gemeinderats war. "Es gab einen riesigen Bedarf." Der Vorgänger sei schlichtweg zu ängstlich gewesen, erklärt Bittner. Dadurch, dass in den Jahren zuvor wenig gemacht wurde, hätte es ein großes Potenzial an Gestaltungsmöglichkeiten gegeben. "Das haben wir genutzt."

Die Kirchseeoner hätten sie als Frau im Amt sofort respektiert. Nur einmal sei es zu einem lustigen Zwischenfall gekommen. Bei einer Feierlichkeit habe eine Gruppe Musiker von außerhalb zum Tanz aufgefordert, mit den Worten: "Frau Bittner tanzt jetzt mit dem Bürgermeister." Eine Frau im Amt sei für die Band wohl unvorstellbar gewesen. Die zwölf Jahre als Bürgermeisterin seien eine sehr schöne Zeit gewesen, sie habe aber dennoch aufhören müssen. "Es war zu viel Stress." Damit sei allerdings keineswegs die Arbeitsbelastung gemeint, sondern Angriffe der politischen Gegner, die unter der Gürtellinie gewesen seien. Mit ihrem Nachfolger habe die Kirchseeoner SPD leider knapp die Bürgermeisterwahl verloren. Seitdem müssen sich die Genossen wieder mit der Rolle der Opposition zufriedengeben. Dies dürfe allerdings nicht der Anspruch sein, erklärt Bittner. "Wir wollen wieder gestalten."

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