SPD in Ebersberg:Wunden lecken

Bundestagswahl 2017

Lieber in die Opposition und den Ansehensverlust durch die Große Koalition wieder abschütteln möchte Ewald Schurer, der SPD-Abgeordnete (rechts).

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ewald Schurer (SPD) ist über Landesliste wieder im Bundestag

Von Thorsten Rienth

EbersbergSie wussten, dass es weniger werden würde. Weniger als die 25,7 Prozent, mit der die SPD aus der Bundestagswahl vor vier Jahren ging. 20 Prozent bescheinigt die erste Prognose den Sozialdemokraten. "Das ist am unteren Ende dessen, was die Umfragen vorhergesagt haben", sagt Ewald Schurer. "Und in jeder Hinsicht ernüchternd. Aber das muss man jetzt so annehmen." Noch ist die Stimme weich. Hilft ja nichts. Wahl ist Wahl. Schurer erschüttert auch das schlechteste Bundestagsergebnis der SPD-Geschichte nicht mehr.

Der SPD-Direktkandidat des Wahlkreises Erding-Ebersberg hat gut Reden, könnte man jetzt sagen. Auf Platz fünf der Landesliste war der Ebersberger bestens abgesichert. Solange die SPD nicht an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, würde er eine weitere Legislatur zwischen Ebersberg, Erding und Berlin pendeln. "Um mich geht es doch überhaupt nicht", sagt Schurer. Aus der eben noch so weichen Stimme ist jetzt eine sehr resolute geworden. Am Wahlabend zähle die Partei, dann erst der Abgeordnete. Punkt. Und ganz abgesehen davon: "Wenn deine Fraktion von 193 Mitgliedern auf 130 oder 140 gestutzt wird, dann hängen da eine Menge persönliche Schicksale von Kollegen dran."

Diese Reflexion liegt auch mit an Schurers Biografie. Im Jahr 1998 das erste Mal in den Bundestag gewählt, scheitert er vier Jahre später. Am Abend des 22. September 2002 kämpfte Schurer deshalb mit den Tränen.

15 Jahre und zwei Tage später steht er wieder im Ebersberger "El Macho" - und hadert mit der SPD-Strategie. "Die SPD hat das Elterngeld durchgesetzt, den Mindestlohn, die Ehe für alle." Er wolle sich nicht ausmalen, wie das Land aussähe, hätte die Union mit der FDP regiert. "Aber es ist uns überhaupt nicht gelungen, das im Wahlkampf auch darzustellen."

Was heißen die 20,7 Prozent nun also für die SPD? "Meine Tendenz ist", baut Schurer den Spannungsbogen auf: "Man geht in die Opposition und ist dort der Oppositionsführer." Vier Jahre, um eine "GroKo"-verschlissene Reputation wieder aufzubauen, lautet das Kalkül.

Es ist nicht ohne Mut, dass Schurer sich schon um 18 Uhr als Sympathisant einer solchen Marschrichtung outet. Der Parteivorstand tritt mit der Ansage erst wenig später vor die Mikrofone. Schurer müsste das Statement irgendwo im Ebersberger Forst aus dem Autoradio hören. Er ist auf dem Weg ins Erdinger "AWO Café". Dort trifft sich die Erdinger SPD. "Ich komme später wieder", ruft er seinen Ebersberger Genossen zu.

In der kleinen "El Macho"-Runde kann die Analyse derweil eine Stufe tiefer gehen. Daniel Kalteis, Geschäftsführer des Ebersberger SPD-Kreisverbands und mit seinen 33 Jahren so etwas wie Schurers Nachfolgegeneration, versucht diese Skizze: "Viele der Themen, die gerade so drängen, sind unglaublich komplex. Selbst diejenigen, die sich dafür interessieren, müssen sich bei der Rente oder der Digitalisierung wahnsinnig reinfuchsen." Sie wahlkampfgerecht - aber dennoch mit allen wesentlichen Aspekten und Wechselwirkungen - anzusprechen, erscheine ihm schier unmöglich.

Den großen strategischen Fehler verortet Kalteis trotzdem nicht in der jüngeren Vergangenheit. "Wir haben die Leute über einen langen Zeitraum Stück für Stück in die Politikverdrossenheit verloren." Die gingen dann entweder gar nicht mehr zum Wählen - oder stimmten für die AfD.

Deren Erfolg ist freilich das zweite bestimmende Thema im "El Macho". "Nazis", zischt ein Jugendlicher. Schurer will es differenzierter sehen. "Wir dürfen jetzt auf keinen Fall den Fehler machen und so tun, als wären alle AfD-Wähler rechtsextreme Gaulands." Das würde dem Problem nicht gerecht. "Bei unseren Wahlkampfständen habe ich ganz deutlich gespürt: Es gibt ganz viele, die uns etablierten Parteien einen ordentlichen Denkzettel verpassen wollten."

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