Spatenstich:24 Millionen Euro teure Lagerhalle entsteht in Poing

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Wie Bauklötzchen sind die Metallbehälter übereinander gestapelt, die neue Halle wird sogar noch ein gutes Stück höher als die bestehenden. (Foto: Christian Endt)

Das Bauwerk wird für die Staatsoper in München gebaut. 2023 soll das Vorhaben fertig sein, das dem bayerischen Staat viel Geld wert ist.

Von Alexandra Leuthner, Poing

Es wird ganz still im Zuschauerraum, dann klingen die ersten Akkorde, steigen aus dem Orchestergraben nach oben. Vielleicht ist es auch ein Paukenschlag, der zu hören ist. Es öffnet sich der Vorhang und gibt den Blick frei auf die Bühne. Ach was, Bühne; eine Landschaft ist es, mit Bergen und Tälern. Oder ist es ein antiker Tempel? Ein Schloss? Ein Zimmer oder ein Festsaal? Vielleicht auch eine dystopische Vision, deren Bestandteile nicht so leicht zu identifizieren sind?

Ganz egal, was der Zuschauer sieht, der Blick auf das Bühnenbild setzt den Ton, den ersten Eindruck, den Charakter einer Inszenierung. Es ist integrativer Teil - der Felsen, auf dem die Walküre aus dem Schlaf erwacht, der Thron, auf dem der Kaiser sitzt, oder das Schiff, mit dem der Fliegende Holländer unterwegs ist. "Wenn der Vorhang sich öffnet, dann gibt es kein Vertun", sagt Karsten Matterne. In diesem Moment muss jedes Schräubchen und jeder Nagel, jedes Brett und jedes Scharnier an seinem Platz sein.

Matterne ist Technischer Direktor der Bayerischen Staatsoper in München und an diesem Freitag in einer Umgebung anzutreffen, die mit der prunkvollen Atmosphäre eines Opernabends nur wenig zu tun zu haben scheint. Er steht zwischen Bauzäunen und einem Haufen aus aufgeworfenen Felsbrocken, Baumaschinen warten auf einer freigeräumten Fläche darauf, wieder zum Einsatz zu kommen, wenn das Grüppchen aus Politikern, Ministeriumsmitarbeitern, Vertretern der Staatsoper, der beauftragten Baufirmen, des Staatlichen Bauamts Rosenheim und der Presse wieder verschwunden ist. Zumindest einer jener Lkw, die regelmäßig im Münchner Stadtverkehr zu sehen sind, kündet mit großen Lettern und den Worten "Bayerische Staatsoper" davon, dass es hier draußen nicht um ein Poinger Wohnbaugebiet geht, sondern um die ganz große Kultur.

Zwei große Lagerhallen gibt es in Poing bereits, 357 Container mit Bühnenaufbauten sind dort untergebracht. (Foto: Christian Endt)

24 Millionen kostet die neue Halle zur Lagerung von Bühnendekorationen des Münchner Opernhauses, die hier in den kommenden zwei Jahren errichtet werden und die beiden schon bestehenden Hallen ergänzen soll. Ein Bauwerk von 138 Metern Länge, 31 Metern Breite und 20 Metern Höhe, in das mit seinen "100 000 Kubik umbautem Raum mein ganzes Ministerium hineinpassen würde", scherzt Kerstin Schreyer, die ebenso wie Wissenschaftsminister Bernd Sibler (beide CSU) zum Spatenstich nach Poing gekommen ist. Hinein in das in Silobauweise errichtete Gebäude sollen aber nicht die Akten der Bauministerin und ihrer Mitarbeiter, sondern Turandot und der Rosenkavalier, Tannhäuser, Parsifal und Mozarts Figaro - beziehungsweise all die Möbel und Bauwerke, Requisiten und Lampen, die für die Inszenierungen der Opern gebraucht werden.

Drei Produktionen gleichzeitig können im Opernhaus am Münchner Max-Joseph-Platz gelagert werden. Der Rest aber, sechs bis acht sind es pro Jahr, hat dort keinen Platz. Das Zubehör ist seit 1986 in maßgefertigten Containern in Poing und in vier weiteren Lagern im Großraum München untergebracht. Dass die Ausstattungsbestandteile so weit verteilt sind, macht den ohnehin enormen Logistikaufwand, der für die Oper, das "Aushängeschild Bayerns mit internationaler Strahlkraft", so Minister Bernd Sibler, ohnehin schon betrieben werden muss, noch größer. "Wir sind froh, wenn wir künftig hier das ganze Lager haben", sagt Matterne.

Der Platz für die zahlreichen Requisiten wird knapp in den bestehenden Lagerhallen. (Foto: Christian Endt)

40 Produktionen hat das Münchner Opernhaus in petto, wie er erläutert, dazu kommen noch 20 Ballettinszenierungen pro Jahr, sechs bis 20 Container pro Produktion seien nötig, um alles was dazu gehört unterzubringen, insgesamt 286 sind derzeit in den vier Außenhallen untergebracht, 357 in den beiden Bestandshallen an der Gruber Straße in Poing. In ihrem Innern sind die Metallkäfige rechts und links eines je knapp zehn Meter breiten Gangs, wie in einem Bauklötzchensystem gestapelt, immer drei übereinander, zusammen an die zehn Meter hoch.

Gleich zwei Kabinettsmitglieder beim Spatenstich: Bauministerin Kerstin Schreyer (Dritte von links) und Kunstminister Bernd Sibler (Mitte). (Foto: Christian Endt)

Jeder von ihnen mit einem Eigengewicht von 1,4 Tonnen, sechs Tonnen schwer, wenn sie gefüllt sind. Bauteile aus Holz oder Metall stehen oder liegen darin, manche erkennbar als Stücke von Schränken oder Bühnenböden. Die Bühnendekorationen von heute seien nicht mehr vergleichbar mit jenen Pappkulissen etwa der 70er Jahre, erklärt Matterne. Viel Stahl und Technik seien in ihnen verbaut, um all die Illusionen zu zaubern, von denen das Theater lebt. Allein zwei dieser riesigen Container seien nötig, um die 18-Millimeter-Bühnenbretter für eine einzige Produktion zu verwahren.

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Dass jedes einzelne Holzklötzchen, jedes Metallscharnier exakt beschriftet und nummeriert sein muss, versteht sich von selbst. Innerhalb von drei bis vier Stunden soll so eine Dekoration auf der Opernbühne aufgebaut sein - nicht nur in München, sondern auch mal in Hongkong oder anderswo, wohin die Dekorationen für Gastspiele verliehen werden. Und so muss auch die Technik in den Hallen ohne Reibungsverluste funktionieren - in der neuen Halle werden statt der drei je fünf Container übereinander gestapelt sein, wie Logistikleiter Florian Kunz erläutert. Die Technik aber wird sich nicht grundsätzlich ändern.

Ein kleiner Pavillon markiert die Schaltstelle dieses enormen Unternehmens - Heinz Rotermunds Zuständigkeitsbereich als Leiter der Betriebstechnik. Ein Lkw und ein einzelner Fahrer genügen, um die Gittercontainer von der Oper nach Poing und zurück zu befördern. Der Fahrer rangiert seinen Sattelauflieger rücklings ans Hallentor, gibt über einen Bildschirm im Pavillon den Namen der Opernproduktion ein, für die er Zubehör braucht - Rotermund demonstriert den Vorgang anhand des Buttons mit der Aufschrift "Holländer", und es erscheinen genau die Container mit Bezeichnung und Standort, die er mitnehmen muss auf dem Bildschirm.

Über Schienen, die durch die ganze Halle führen, schiebt sich das riesige RBG -kurz für Regalbedienungsgerät, eine massive Plattform, an die richtige Stelle in der richtigen Höhe und transportiert die Gitterbox nach vorne zu einem eisernen Schwenkdeck. Das sie in den Lkw hebt. Und dann kann der Fliegende Holländer ganz profan per Dieselkraft auf die Reise in die Münchner Innenstadt gehen.

Von einem für das Staatliche Bauamt Rosenheim ungewöhnlichen Hochbauprojekt sprach dessen Leiterin Doris Lackerbauer am Freitagmorgen. Sie gehe davon aus, dass die dritte Lagerhalle der Bayerischen Staatsoper wie geplant bis 2023 fertig sein wird. Wo dann die Schlosser, Theatermaler, Raumausstatter, Schreiner und Plastiker der Staatsoper - alles in allem um die 70 Personen -, deren Werkstätten ebenfalls hier untergebracht sind, wieder in Ruhe daran arbeiten können, dass in der Münchner Oper vollendete Kunst mit allen Sinnen erfahrbar wird.

© SZ vom 05.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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