Hilfe in Not:25 Jahre Sozialpsychiatrische Dienste in Ebersberg

25 Jahre SPDI Ebersberg

Gesamtleiter Georg Knufmann zeigt Erinnerungsboxen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

In betreuten Wohnformen, mit Beratungsangeboten und Krisenintervention sind die Sozialpsychiatrischen Dienste im Einsatz für Klienten und Angehörige.

Von Michaela Pelz, Ebersberg

Fünfzig Prozent, also jeder Zweite: Die Kollegin im Büro nebenan, der Mann an der Supermarktkasse, zwei der vier S-Bahn-Reisenden im nächsten Gang. Sie alle haben das Risiko, so Georg Knufmann, mindestens einmal im Leben psychisch zu erkranken, beratungs- und behandlungsbedürftig zu werden oder als Angehörige mitbetroffen zu sein. Bei den Kindern sind es immerhin 25 Prozent, die in seelischen Nöten und Krisen stecken.

Der Leiter der Sozialpsychiatrischen Dienste Ebersberg weiß, wovon er spricht, hat ihn doch seit seinem Sozialpädagogikstudium dieses Thema nie losgelassen. Der Bauernsohn aus dem Münsterland hat aber auch früh das Anpacken, Organisieren und als eines von sieben Geschwistern das Vermitteln gelernt - beste Voraussetzungen also, um aus einer kleinen Ein-Mann-Außenstelle den Sozialpsychiatrischen Beratungsdienst Ebersberg in seiner heutigen Form mit etwa 50 Voll- und Teilzeitbeschäftigten sowie 24 Kriseninterventionskräften und fast 90 Ehrenamtlichen zu machen. An diesem Mittwoch, 2. Oktober, feiert die Einrichtung der Inneren Mission, die ihre Mittel vor allem vom Bezirk Oberbayern und Spendern wie vom Adventskalender der Süddeutschen Zeitung erhält, ihr 25-jähriges Bestehen.

Der Krisendienst ist innerhalb einer Stunde beim Betroffenen

In dieser Zeit wurde viel erreicht: Neben dem Beratungsangebot, den unterschiedlichen betreuten Wohnformen, der Tagesstätte "Gartenhof", der gerontopsychiatrischen Fachstelle, dem Zuverdienstbetrieb "Diakonia" sowie einer Genesungsbegleitung, darf sich der "SpDi" rühmen, seit 2016 aufgrund eines bundesweit einmaligen Projekts für Stadt und Land einen Krisendienst zu betreiben. Wenn dieser von der Leitstelle, bei der die Telefonate eingehen, verständigt wird, ist von Montag bis Freitag innerhalb einer Stunde jemand beim Anrufer, egal, um welche Krise es geht. Abendstunden, Wochenenden oder Feiertage werden vom AWF-Team abgedeckt - derzeit noch nicht rund um die Uhr, aber diese Ausweitung ist, abhängig von der Finanzlage, schrittweise geplant. Der Krisendienst ist jedoch nur eine Säule des breit gefächerten Angebots - wenn auch für viele der im Jahr 2018 erreichten, etwa 1200 psychisch Kranken und ihre Angehörigen sicher ein Rettungsanker in höchster Not.

Wer die Beratungsstelle nicht aufsuchen kann, wird zu Hause besucht. Es gibt Einzel- und Gruppengespräche, Kurse aller Art, Arbeitstraining, Begleitung bei Behördengängen und Unterstützung im Alltag. Alles ist bewusst niederschwellig - für einen Termin benötigt man weder ein Attest vom Arzt noch eine Diagnose, auf Wunsch darf man sogar anonym bleiben.

25 Jahre SPDI Ebersberg

Auf dem Grundstück in der Sieghartstraße stand um 1930 noch eine Fabrik.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das gemeinsame Leben steht im Vordergrund

Das gerade wollen die Männer und Frauen aber nicht, die sich regelmäßig in der psychiatrischen Tagesstätte "Gartenhof" einfinden. Für sie zählen die sozialen Kontakte und sie genießen es, sich wie in einer großen WG in Haus und Garten beim Ernten, Kochen oder Saubermachen einzubringen, Bilder zu malen oder in der Filz-, Näh-, Holz- und Keramikwerkstatt etwas herzustellen. Gemeinsames Leben steht auch bei den diversen betreuten Wohnformen im Vordergrund, zu denen dank dem von Knufmann "sehr geschätzten Vermieter" Georg Reischl unter anderem eine barrierefreie, gerontopsychiatrische WG und zwölf Apartments im "Rosenhof" gehören. Die Klienten dort helfen sich als Nachbarn auch untereinander.

Wie diese Bewohner, Teilnehmende der Gruppenstunden, aber auch Mitarbeiter und Ehrenamtliche ihre Erfahrungen mit den Sozialpsychiatrischen Diensten sehen, zeigen die aufwendig gestalteten "Erinnerungsboxen". Knufmann hat in seine Fotos, Gummitiere, Puppen und Kasperlefiguren gepackt. Sie stehen unter anderem für seine vier Töchter und die Lebendigkeit im Arbeitsalltag. Der wiederum wird deutlich bei einem Blick auf das Zubehör, das in Gruppen- und Einzelsitzungen zum Einsatz kommt. Da sind Tiere und Symbolfiguren für Familienaufstellungen, weiche Kegel für Bewegungsspiele, Karten für kognitives Training oder Anleitungen für Entspannung nach Jacobson. Außerdem steht dort ein Sammelsurium ganz unterschiedlicher Dinge - von Gummibändern über Wimmelbücher bis hin zu Brausetabletten und Tabasco-Sauce. Alles potenzielle Bestandteile eines jeweils individuell zusammengestellten Notfallkoffers, mit dessen Inhalt sich Klientinnen und Klienten Ablenkung verschaffen können, wenn sie unter starker Spannung stehen.

Psychische Erkrankungen sind, wie Knufmann immer wieder betont, ein ganz normales "Lebensrisiko" - ob in Phasen des Übergangs, etwa von der Schule in den Beruf, bei Verlusten durch Tod oder Trennung, bei steigendem Druck im Beruf oder durch die Angst vor dem Alter. Deswegen ist ihm so wichtig, die Stigmatisierung ab- und das Angebot der Sozialpsychiatrischen Dienste weiter auszubauen, etwa mit einem Eltern-Kinder-Projekt: Um "respektvoll und gemeindenah" die stützen und stärken zu können, die gerade alleine nicht klarkommen.

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