Sozialer Wohnungsbau:Mangel an günstigen Mietwohnungen

Wer im Landkreis eine Bleibe sucht, muss tief in die Tasche greifen - auch weil es immer weniger Sozialwohnungen gibt.

Alexandra Leuthner

Der Landkreis braucht Krankenschwestern. Und Kassiererinnen. Und Arbeiter für seine Bauhöfe. Sie alle brauchen Wohnungen, die sie bezahlen können, doch sie müssen tief in die Tasche greifen; vor allem wenn sie in der Nähe der S-Bahn wohnen wollen. Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen klagen längst darüber, kaum qualifiziertes Personal zu bekommen, weil sich eine Erzieherin mit einem Durchschnittsgehalt von 1500 Euro schwer tut, eine Wohnung zu finanzieren. Ulrich Krapf, Vorsitzender der Wohnungsgenossenschaft Ebersberg, kennt die Nöte: "Wenn 60 Prozent des Nettoeinkommens für die Miete draufgehen, ist die Angst groß, dass mal die Waschmaschine kaputt geht."

Sozialer Wohnungsbau: Auch in Kirchseeon (hier die Siedlerstraße) gibt es kaum noch Sozialwohnungen. Foto: Endt

Auch in Kirchseeon (hier die Siedlerstraße) gibt es kaum noch Sozialwohnungen. Foto: Endt

(Foto: EBE)

Man dürfe nicht aufhören, den Wohnungsbau zu fördern, warnt Roman Dienersberger, Sachgebietsleiter Wohnungswesen der Regierung von Oberbayern, "sonst fahren wir den Karren gegen die Wand". Mit dem Karren meint er den Gesamtbestand an Mietwohnungen, vor allem in München und Oberbayern, wo der Bedarf am größten ist. 215 Millionen Euro waren dieses Jahr im bayerischen Fördertopf. "Im Prinzip reicht das", sagt Dienersberger, aber: "Wir haben keine Wohnungsbaugesellschaften mehr."

In der Regie der Bauträger entstünden nur noch Eigentumswohnungen, der Verwaltungsaufwand für Mietobjekte sei zu hoch und rechne sich nicht: "Das kann keine Baufirma leisten." In der Folge hätten Kommunen zunehmend Probleme, geeignete Partner für den Mietwohnungsbau zu finden - was ja auch nicht alle versuchen.

"Das Problembewusstsein ist unterschiedlich", sagt Ulrich Krapf. Die Ebersberger Wohnungsgenossenschaft stellt im Landkreis 300 von 673 Sozialwohnungen, 550 Wohnungen gehören ihr insgesamt, aber viele sind schon aus der Sozialbindung gefallen. Zwar können auch diese Mieten durch das Genossenschaftsmodell niedrig gehalten werden, aber die Tatsache steht für eine allgemeine Entwicklung, die die Mietsituation verschärft.

Viele der früheren Sozialwohnungen stammen aus den 50er und 60er Jahren und werden nach 40 Jahren frei vermietet. Ihre Zahl im Landkreis ist seit 2001 fast um die Hälfte gesunken. In Kirchseeon etwa habe es 2002 noch 330 Sozialwohnungen gegeben, heute seien es kaum mehr 50, erklärt Erika Schlesier vom Sozialamt. Gemeinden wie Zorneding versuchen mit eigenen Angeboten, die Situation auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen, 80 Wohnungen hat die Gemeinde im Bestand. Zudem baue die Wohnungsgenossenschaft derzeit eine Wohnanlage an der Pfarrstraße, berichtet Bürgermeister Piet Mayer. "Ich denke, dass wir den Bedarf decken können."

Poings Bürgermeister Albert Hingerl ist da vorsichtig. Außerhalb geförderter Anlagen sei günstiger Wohnraum nur schwer zu bekommen, sagt er. 99 Sozialwohnungen halte die Gemeinde vor, dazu 33, die der Wohnungsgenossenschaft gehören. "Den Bedarf zu decken, ist schwierig", sagt Hingerl. In Vaterstetten sind knapp 100 Wohnungen im gemeindlichen Besitz - "nicht gerade üppig", sagt der zweite Bürgermeister Martin Wagner. Immer wieder verließen Kinder einheimischer Familien die Gemeinde, weil sie keine günstige Bleibe fänden. "Ich bedaure das, aber wir sind finanziell nicht in der Lage, mehr in den Mietmarkt zu investieren." Vielmehr überlege man, gemeindliche Wohnungen zu verkaufen - allerdings müsse die Sozialbindung erhalten bleiben.

Das so genannte Ebersberger Modell, das gemeinsame Bauen mit der Wohnungsgenossenschaft, ist für viele Gemeinden ein Ausweg aus dem Dilemma. Die Kommune stellt das Grundstück und alles andere - Bauen, Vermieten, Verwalten - übernimmt die Genossenschaft. So stehe Markt Schwaben auf der Warteliste, erzählt Krapf, 2012 solle am Kurt-Rohde-Platz in Ebersberg eine neue Anlage entstehen, in Poing werde 2014/2015 gebaut, und Anzing habe angefragt.

Zwar sind noch andere Träger sozialen Wohnungsbaus im Landkreis tätig, wie die Wasserburger Wohnungsbaugenossenschaft oder das Diakonische Werk, aber viele potentielle Träger hätten ihr Engagement zurückgefahren, so Krapf. "Das Klientel ist schwieriger geworden", formuliert er vorsichtig. Wenn ein Mieter den Mietbescheid gar nicht erst verstehe, dann müsse man hinfahren und mit ihm reden, ihm vielleicht mit den Formularen helfen. "Das kann doch ein privater Träger gar nicht mehr leisten."

Dabei sind es gar nicht unbedingt nur Menschen mit Migrationshintergrund, die auf günstige Mieten angewiesen sind, sondern häufig Familien mit mehr als zwei Kindern oder alte Menschen, wie Roman Dienersberger erklärt.

"Im Münchner Umland gibt es überall Wartelisten, nachlassen dürfen wir auf keinen Fall."

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