Süddeutsche Zeitung

Sorge um Glonner Mittelschule:Existenz gefährdet

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80 Prozent der Glonner Grundschüler wechseln nach der vierten Klasse auf die Realschule oder das Gymnasium. Nun sorgt sich Bürgermeister Martin Esterl um den Erhalt der Mittelschule in seiner Gemeinde

Fares Kharboutli

Glonn Mit deutlichen Worten hat der Glonner Bürgermeister Martin Esterl (SPD) die Situation der örtlichen Grund- und Mittelschule, ehemals Volksschule, kritisiert. Esterl spricht in einem Vorwort zum aktuellen Gemeindeblatt von einer "Entwicklung, die dramatisch genannt werden darf". Auf Nachfrage der SZ bekräftigt er seine Haltung: Die Mittelschule sei ernsthaft in ihrer Existenz bedroht, sie sei nur noch "Restschule". Als Beleg führt Esterl, der selbst lange als Lehrer tätig war, die Schülerzahlen aus der jüngsten Vergangenheit an: Demnach haben zu Beginn des Schuljahres 2010/2011 noch 180 Jungen und Mädchen die Glonner Mittelschule besucht. Im aktuellen Schuljahr sind es dagegen nur noch 143, und im kommenden Jahr rechnet die Schulleitung nach derzeitigem Anmeldungsstand mit gerade einmal 100 Schülern. Inzwischen sei es schwierig, überhaupt noch zumindest eine fünfte Klasse bilden zu können.

Angesichts dieser Zahlen sei "offensichtlich, wohin die Reise geht", sagt Esterl, auch wenn Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) noch immer versuche, die Entwicklung "schön zu reden". Esterl wirft der bayerischen Regierung "hektische Reformen" vor, die nicht nur zur Verunsicherung aller Beteiligten beitragen würden, sondern auch "viel Geld kosten". Auch die Einführung von Mittelschulverbünden, die laut Staatsregierung der "pädagogisch-fachlichen Kooperation" dienen, sei nicht zielführend gewesen, sondern "eine reine Sparmaßnahme". Die Mittelschule Glonn zählt neben Ebersberg, Grafing, Aßling und Kirchseeon zum Verbund Ebersberg Süd, für dessen Einrichtung der Ebersberger Stadtrat Ende 2010 einstimmig votiert hatte.

Derjenige, um dessen Schule sich Esterl derart sorgt, ist Rektor Karl-Alexander Groitl. Er bewertet die Situation ganz ähnlich wie Esterl. Weit über achtzig Prozent der Grundschüler würden in Glonn nach der vierten Klasse auf Gymnasium und Realschule gehen, "das muss man sich mal vorstellen". Die Gründe liegen für Groitl auf der Hand: "Die Aufnahmekriterien wurden immer weiter erleichtert." Mit anderen Worten: Groitl wirft der bayerischen Staatsregierung vor, "aus politischen Gründen" die Zugangshürden für Realschule und Gymnasium stetig abzusenken. Die Eltern könne er ja noch verstehen, meint Groitl. Denn schließlich habe "jeder das Recht, die bestmögliche Schule für sein Kind auszusuchen". Er habe allerdings das Gefühl, dass Eltern ihre Kinder vor allem aus "Prestigegründen" auf Gymnasium und Realschule schicken. Das macht er auch an folgender Beobachtung fest: "Manche kehren in der achten oder neunten Klasse wieder zu uns zurück, weil sie es anderswo nicht geschafft haben." Die Mittelschule werde damit mehr und mehr zum "Auffangbecken für gescheiterte Gymnasiasten und Realschüler".

Auch die Verbundlösung greift Groitl scharf an: Dabei handele es sich um eine "Mogelpackung". Im Zuge dieser Lösung sei das Stundenkontingent so stark gekürzt worden, dass "eigentlich nur noch Basisunterricht möglich wäre. Für zusätzliche Angebote wie Chor oder Theater habe man dagegen keinerlei personelle Ressourcen mehr. Groitls Vorschlag: "Ich halte es weiterhin für sinnvoll, Kinder länger gemeinsam lernen zu lassen, etwa bis zur fünften oder sechsten Klasse", sagt er. Und: Die Übertrittshürden müssten angehoben werden. Dies sei "mit einem Federstrich des Ministeriums" machbar, allerdings fehle dazu der politische Wille.

Mit der 2009 beschlossenen Einführung der Mittelschule will die schwarz-gelbe Landesregierung der Schließung kleinerer Volksschulen vor allem auf dem Land entgegenwirken. Inzwischen sind fast alle bisherigen Hauptschulen in Bayern in Mittelschulen umgewandelt worden. Dort kann man neben dem qualifizierenden Hauptschulabschluss auch den mittleren Bildungsabschluss erwerben, der gleichwertig mit einem Realschulabschluss sein soll. Ab der achten Klasse können sich die Schüler auf einen technischen, wirtschaftlichen oder sozialen Zweig zu spezialisieren.

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Quelle:
SZ vom 11.07.2012
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