Sonntagsbegegnungen:Gott und die Welt

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Benediktiner-Abt Johannes Eckert und Moderatorin Nina Ruge sind nur auf den ersten Blick ein sehr ungleiches Paar. (Foto: Christian Endt)

TV-Moderatorin Nina Ruge und Abt Johannes Eckert sprechen in Markt Schwaben über Spiritualität im Alltag

Von Karin Kampwerth, Markt Schwaben

Als Nina Ruge davon sprach, dass - angelehnt an den Titel ihres neuen Buches - jeder Mensch sein eigener Leuchtturm sein sollte, konterte Abt Johannes Eckert von der Benediktinerabtei Sankt Bonifaz mit Karl Valentin: "Heute besuche ich mich selbst, hoffentlich bin ich daheim."

Kalenderspruch trifft auf klugen Kopf - so hätte die Schwabener Sonntagsbegegnung zum Thema "Arbeit, Alltag, Spiritualität" zwischen der Fernsehmoderatorin und dem Klostervorsteher leicht untertitelt werden können. Ruge, 61, ist Autorin von Alles-wird-gut-Lebensratgebern wie "Stille - Balsam für Herz und Seele", "Das Geheimnis der Selbstheilung", "Länger jung und gesund" und eben "Sei du der Leuchtturm deines Lebens". Eckert, 49, übernahm 2013 von Abt Odilo Lechner die Leitung von Sankt Bonifaz und Andechs, wo er seit 1995 die Exerzitien für Manager begleitet und sich einen Namen als Berater im Ethikmanagement machte. Es wäre leicht, hier eine ungleiche Paarung auszumachen. Doch wer Ruge aufgrund von austauschbaren Buchtiteln intellektuelle Oberflächlichkeit unterstellt, den strafte die Moderatorin mit der sehr persönlichen Schilderung ihrer inneren Zerrissenheit auf der Suche nach Geist und Geborgenheit Lügen. Die Fernsehfrau hatte viel zu erzählen und genoss es an diesem Vormittag, von sich zu reden, ohne ich-bezogen zu wirken. Und der Abt hörte zu, "weil das als Seelsorger zu meinen Hauptaufgaben gehört".

Wohl die wenigsten der mehr als 200 Zuhörer haben vermutlich gewusst, dass die TV-Frau in Mathematik und Physik Abitur machte und studierte Biologin ist. Sie sei immer ein braves Mädchen und eine gute Schülerin gewesen, beschrieb Ruge ihre Kindheit und Jugend in Pfaffenhofen.

Als Teenager klebte die Moderatorin Sinnsprüche an die Wand

Geprägt worden sei sie von der Lebensauffassung ihrer Eltern, beide Jahrgang 1923 und vom Krieg seelisch gezeichnet. Ruge wuchs in einer Zeit auf, in der es keine Traumatherapeuten gab und "in der man nicht fragte, wie es einem geht, sondern ob man ein Haus bauen kann". Ihre Eltern hätten nicht im Glauben Kraft gefunden, sondern im Aufbau. Auch sie habe sich zunächst in der Welt der Ratio wohlgefühlt und lange nicht erkannt, dass sie eine "Gottsuchende" sei. Als junge Frau, die alles ausprobierte, bis hin zur Gegenwart, in der sie inzwischen wisse, dass - Achtung, Kalenderspruch - das Leben vorwärts gelebt und rückwärts verstanden werde.

Das Markt Schwabener Publikum erfuhr, dass Ruges Leidenschaft für Lebensweisheiten nicht von ungefähr kommt. "Den Kopf in einen warmen Schoß legen und die Sorgen in einen großen Schrank", dieser Spruch aus einem Konfirmanden-Gottesdienst hatte es ihr als Teenager angetan, "danach habe ich Sinnsprüche an meine Wände geklebt", sagte sie. Die Sehnsucht nach Frieden, die Suche nach der Ganzheit habe sie schließlich zum Glauben gebracht. Darunter verstehe sie aber mehr als nur den Besuch eines Gottesdienstes.

Nina Ruge wurde von ihrem Ehemann Wolfgang Reitzle, Aufsichtsratsvorsitzender der Linde-AG, begleitet. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Dass auch ein Geistlicher reich an Lebensweisheiten sein kann, selbst wenn er sich für ein Dasein im Kloster entschieden hat, unterstrich der gut gelaunte Abt mit seiner Beobachtung, dass in der Maxvorstadt, wo er häufig spazieren gehe, an jeder Ecke ein Yogastudio sei. Ein Zeichen für eine "starke Suchbewegung nach Innerlichkeit", wie Eckert sagte. Auch lehrten ihn die Managerexerzitien im Kloster, worauf es im Leben ankomme. Eckert berichtete von einem Mann, der am letzten Tag der Exerzitien bitterlich vor ihm geweint habe. "Ich habe so viel Erfolg", habe der Mann gesagt, "aber ich habe niemandem, dem ich danken kann".

Die Gesprächspartner dieser 90. Sonntagsbegegnung, die Markt Schwabens Alt-Bürgermeister Bernhard Winter 1992 ins Leben gerufen hat, mussten an diesem Vormittag sicherlich nicht um Sympathie ringen, weder beim Publikum noch beim jeweiligen Gegenüber. Die Spur der Gemeinsamkeit auf der Suche nach dem Glauben, nach Spiritualität, verlor sich dann aber doch im Alltag, wo der Leuchtturm des Lebens an unterschiedlichen Standorten zu finden ist. Während die Fernsehfrau das Licht im Inneren sieht, dient es dem Kirchenmann als Wegweiser in der Ferne, der einen sicher in den Hafen lotst.

Dass manche Dinge sich nicht allgemeingültig fassen lassen, dafür hatte Gastgeber Bernhard Winter am Ende das passende Geschenk: "Lost in Translation" ist ein Buch, das unübersetzbare Wörter erklärt. Das malayische "Pisan Zakra" zum Beispiel heißt soviel wie "die Zeit, die man braucht, um eine Banane zu essen". Oder "Poronkusema", im Finnischen "die Entfernung, die ein Rentier bequem zurücklegen kann, bevor es eine Pause braucht", und wäre eigentlich zum klugen Kalenderspruch ausbaufähig.

Zum 90. Mal begrüßte Markt Schwabens Alt-Bürgermeister Bernhard Winter seine Gäste zu einer Sonntagsbegegnung. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)
© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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