Sonderausstellung:Eine Geschichte im Konjunktiv

Das Museum Wasserburg stellt einen verloren geglaubten Künstler aus: Ludwig Weninger. Von einer Spurensuche bis nach Kroatien und einer Liebe ohne Happy End

Von Theresa Parstorfer

Mit "Anka" fing alles an. Mit zwei ihrer kleinen, farbigen Zeichnungen, die Jochen Müller in einem Antiquariat fand. "Über die Anka habe ich den Ludwig kennengelernt", sagt Müller. Er ist Politikredakteur beim Mitteldeutschen Rundfunk, von Kunst habe er damals keine Ahnung gehabt. "Vor fünf Jahren beschloss ich aber, dass ich gerne richtige Kunst in meine Wohnung hängen wollte", sagt er. Erschwinglich sollte sie aber sein, deshalb begann Müller seine Suche auf Ebay und in Antiquariaten. "Irgendwo im Allgäu habe ich dann die Zeichnungen von Anka gefunden und war sofort Fan", sagt er. 1915 zum Beispiel hatte sie eine berühmte Tänzerin porträtiert.

Anka Krizmanić selbst ist eine bis heute bekannte Malerin des frühen 20. Jahrhunderts im damaligen Jugoslawien. Und ihr Freund, der hieß Ludwig Weninger. Auch er war Künstler. Müller nennt die beiden nur beim Vornamen - "den Ludwig" und "die Anka". Denn seit fünf Jahren beschäftigt er sich intensiv mit den Biografien des Paares, kauft alle Bilder, die er finden und sich leisten kann. Wie Freunde kommen sie ihm vor. "Ich habe mich total in die beiden verliebt", sagt Müller und lacht.

Bilder von Ludwig Weninger, ein vergessener Maler aus Wasserburg, Ausstellung im Heimatmuseum

Wasserburg: Seine Heimat hat Ludwig Weninger künstlerisch festgehalten.

(Foto: Veranstalter)

Über Anka Krizmanić gibt es einen langen Eintrag in ihrer Muttersprache auf Wikipedia. Über Ludwig Weninger gibt es auch einen. Bis auf die Eckdaten seines Lebens bleibt er jedoch ein Unbekannter: 1904 kam er in Gunzenhausen auf die Welt, 41 Jahre später wurde er in Gaibach von amerikanischen Soldaten erschossen. Drei Wochen vor Kriegsende. Ein Detail sticht allerdings heraus: 1994 haben Bauarbeiter Weningers zerstört geglaubten Werke auf einem Dachboden in Wasserburg am Inn gefunden. Was da nicht steht, ist, dass Weningers Mutter gebürtige Wasserburgerin war, dass es sich bei dem Bräuwinkelhaus in der Salzsenderzeile, das die Werke 50 Jahre lang verborgen hatte, vermutlich um das Familienhaus handelt, und dass die Bauarbeiter nicht nur über Bilder, sondern einen ganzen Nachlass gestolpert sind. Briefe, Skizzen, Kleidung.

All das befindet sich jetzt bei Müller zuhause. Seit Jahren sammelt der Journalist aus Magdeburg alles, was er von und über Weninger und Krizmanić finden kann, folgt jeder Spur und sagt, dass "diese beiden Schicksale mein Leben total verändert haben". Nach wie vor habe er nicht alle Briefe gelesen, "denn es ist immer ein intensives Erlebnis, in die Welt eines vergangenen Lebens einzutauchen", sagt Müller. Dafür brauche man Zeit und Ruhe.

Für eine Sonderausstellung im Museum Wasserburg hat Müller nun eine Auswahl aus Weningers Werken zurück nach Wasserburg gebracht. Richtig heimisch fühle er sich hier mittlerweile, in jedem Wirtshaus saß er schon, und seit Langem besteht der Kontakt zum Museum, auch einige Wasserburger sammeln bereits seit längerem Weninger-Werke. "Ich glaube, es ist wichtig, dass der Ludwig eine Würdigung in seiner Heimatstadt erfährt", sagt Müller. "Denn zur verschollenen Generation gehört er ganz bestimmt", fügt er hinzu und meint jene Künstler, Schriftsteller und Kulturschaffende, deren Lebensläufe eine zusätzliche Geschichte im Konjunktiv erzählen. Weil das "Dritte Reich" und der Krieg dazwischenkamen.

Bilder von Ludwig Weninger, ein vergessener Maler aus Wasserburg, Ausstellung im Heimatmuseum

Künster Ludwig Weninger im Selbstporträt.

(Foto: Veranstalter)

"Wer weiß, was der Ludwig noch alles erreicht hätte?", sagt Müller. Talentiert sei Weninger bestimmt schon als Kind gewesen, studiert hat er bei Hans Hofmann an der Münchner Akademie für bildende Künste. "Er war ganz bestimmt kein Picasso, aber seine Sachen waren gut", sagt Müller, der ehemalige Kunst-Nicht-Kenner. Unglaublich modern, seien Ludwigs Bilder. Neue Sachlichkeit würde es nicht ganz treffen, expressiver Realismus mit kubistischen Einflüssen vielleicht schon eher. Farben, kraftvolle, sich manchmal auflösende Linien. Er malte Kulissen für die bayerische Landesbühne, war ein "Vagabund", der mit einer Theatergruppe durchs Land zog und sich irgendwann in den 1930er-Jahren während eines Zeichenurlaubs auf der Adria-Insel Mljet, die auch "Odysseus-Insel" genannt wird, in die acht Jahre ältere Anka Krizmanić verliebte.

Auf den Spuren des Paares reist Müller deshalb auch regelmäßig nach Kroatien. "Ich habe die These aufgestellt: Wenn es in Wasserburg Hinweise auf die beiden gibt, dann sollte es in Ankas Heimat genauso sein." Und Müller sollte Recht behalten. Mittlerweile weiß er, dass Weninger ein nicht sehr großer, schlanker, dunkelhaariger Mann war, den Krizmanić in einem ihrer ersten Briefe fragt, ob er denn immer ein so schweigsamer, wundersamer Herr sei? Etwa 40 Werke werden in der Wasserburger Ausstellung zu sehen sein. Porträts, Stillleben, kroatische Landschaften, Bar-Szenen, natürlich Ansichten der Heimatstadt, umflossen vom Inn. Nur ein Bild von Anka Krizmanić, das fehlt.

Journalist Jochen Müller vor einem Bild des Wasserburger Malers Ludwig Weninger

Journalist Jochen Müller sammelt und recherchiert, was er über den bislang vergessenen Maler finden kann.

(Foto: Veranstalter)

Ausstellung Ludwig Weninger im Museum Wasserburg, Vernissage an diesem Dienstag, 16. Oktober, um 19.30 Uhr, zu sehen bis 6. Januar. Führungen mit Jochen Müller finden statt am Sonntag, 18. November, und Sonntag, 6. Januar, jeweils 14.30 Uhr.

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