Süddeutsche Zeitung

Solidarität mit Seenotrettung:Grafing tritt Bündnis "Städte Sicherer Häfen" bei

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Bundesweit sind bisher 70 Städte dabei - der vierte bayerische Teilnehmer kommt aus dem Landkreis Ebersberg

Von Thorsten Rienth, Grafing

Jeder, der in Seenot gerät, muss gerettet werden. Dass ein lokales Gremium mit diesem Marinegrundsatz argumentiert, mag ungewöhnlich erscheinen - in der Sitzung des Grafinger Stadtrats am Dienstagabend ist es aber so geschehen. Mit dem Ergebnis, dass die Stadt Grafing als erste Kommune im Landkreis Ebersberg dem Bündnis "Städte Sicherer Häfen" beitritt. Zumindest unmittelbar entstehen daraus aber keine Verpflichtungen.

"Es geht um ein humanistisches Zeichen gegen die Situation im Mittelmeer", begründete Heinz Fröhlich (Bündnis für Grafing) den Antrag seiner Fraktion. Grafing gehöre "mit zu den Vorzeigestädten in Sachen Asylpolitik und Willkommenskultur." Ein Beitritt zu dem deutschlandweiten Zusammenschluss sei deshalb nichts anderes als folgerichtig. Obendrein sei das Thema aktueller denn je: Fröhlich verwies auf das unlängst von Italien beschlagnahmte Rettungsschiff "Sea Watch 3". Weniger Rettungsschiffe bedeuteten schließlich zwangsläufig mehr Ertrinkende.

"Wir sind der festen Überzeugung, dass dort, wo die Bundespolitik ihrer Verantwortung nicht gerecht wird, die kommunale Politik tätig werden muss", beschreiben die Initiatoren des Bündnisses "Städte Sicherer Häfen" ihre Motivation. Mit dem Beitritt unterbreitet eine Stadt oder Gemeinde das Angebot, Geflüchtete über die üblichen Verteilmechanismen hinaus aufzunehmen.

Nach eigenen Angaben gehören dem Bündnis mittlerweile knapp 70 Städte an. Der Online-Auflistung zufolge ist Grafing nach Aschaffenburg, Erlangen und Regensburg jedoch erst die vierte Stadt aus Bayern.

In der Grafinger Stadtratssitzung zeichnete sich schnell eine recht breite Zustimmung ab. "Uns ist wichtig, dass wir uns hier öffentlich gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung aussprechen", ergriff SPD-Stadträtin Regina Offenwanger das Wort. Angesichts dessen, was da nach wie vor im Mittelmeer passiere, sei ein Zeichen der Menschlichkeit dringend nötig.

Ihr Fraktionskollege Franz Frey sagte: "Für die Abweisung an den Grenzen haben wir viel Geld - dieses Geld ist im Rahmen von Humanität besser eingesetzt." Der Stadtrat müsse sich die Frage stellen, wem er näherstünde: "Den Europäern und Humanisten. Oder den Scharfmachern und Populisten."

"Es geht mir um die grundsätzliche Bereitschaft, zu der wir uns bekennen", erklärte Sepp Biesenberger (Grüne). CSU-Stadtrat Sepp Carpus und Freie Wähler-Stadtrat Christian Einhellig äußerten sich ebenfalls positiv zum Beitritt. "Diejenigen, die helfen können, die sollen auch helfen", sagte Carpus. "Ich werde das auf jeden Fall unterstützen", kündigte Einhellig an.

Ein Gremium voller Unterstützer? Nur so lange, bis Max Graf Rechberg an der Reihe war. "Ich halte das für einen Schaufensterantrag", kritisierte der CSU-Fraktionschef. "Anträge zu stellen, damit man in die Zeitung kommt oder die Bevölkerung animiert, das ist mir leider zu dünn und zu wenig." Natürlich müsste insbesondere Afrika dringend geholfen werden - mit einer neuen Entwicklungspolitik und "echter Hilfe zur Selbsthilfe". Dass sich die Stadt Grafing ein Label dafür verpasst, hilft aus seiner Sicht hingegen wenig.

Mit den Stimmen von Grünen, Freien Wählern, Bündnis für Grafing, jenen der beiden CSU-Stadträte Sepp Carpus und Schorsch Schlechte sowie Regina Offenwanger und Franz Frey von der SPD ging der Antrag schließlich durch.

Einem Votum für bestimmte Maßnahmen - etwa Neu- oder Umbauten von Asylbewerberunterkünften - kommt der Beschluss allerdings nicht gleich. Solche Entscheidungen müsste der Stadtrat dann stets separat beschließen, also etwa über die Aufstellung von neuen Bebauungsplänen.

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Quelle:
SZ vom 04.07.2019
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