Wird es einen Einbruch bei der Nutzung von Sonnenstrom geben? Das ist gerade wieder die Frage, nachdem Wirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) angekündigt hat, die Einspeisevergütung für private Sonnenstrom-Produzenten streichen zu wollen. Dabei ist gerade Photovoltaik in mancher Hinsicht ein Erfolgsmodell: In den vergangenen Jahren wurde die Solarnutzung massiv ausgebaut, sowohl auf dem Dach als auch auf der Freifläche. Das zeigen nun veröffentlichte Zahlen aus einer Kooperation des Recherchenetzwerks Correctiv.Lokal mit dem Verein Klimadashboard.de. Der Datensatz umfasst Solar-Daten für drei Zeitpunkte: 1. Januar 2015, 1. Januar 2021 und 1. Juni 2025. Alle Angaben sind in Kilowatt-Peak (kWp), sie beschreiben also die theoretische Maximalleistung. Nicht überall ist die Entwicklung freilich gleich, das sieht man auch bei einem Blick aufs Münchner Umland.
Der Power-Landkreis
Der Zeugnistag ist längst vorbei, das gute Gefühl, der Klassenbeste zu sein, darf der Landkreis Freising dennoch haben: In keinem anderen Landkreis im Münchner Umland gibt es ein so großes Potenzial zur Produktion von Solarstrom wie hier – 367 365 Kilowatt-Peak (kWp) sind es laut der Zahlen von Correctiv.Lokal im Jahr 2025. Auf Platz zwei und drei landen mit einigem Abstand Dachau (282 819 kWp) und Erding (249 020 kWp). Doch was macht Freising besser als andere? Klimaschutzmanager Daniel Siflinger verweist auf einen Beschluss des Freisinger Kreistags, 2035 unabhängig von fossilen Energien zu sein – ein ehrgeizigeres Ziel als Bund oder Freistaat, die das erst 2045 oder 2040 erreichen wollten. Allerdings hat der – freilich etwas kleinere – Nachbarlandkreis Ebersberg sogar 2030 als Ziel, hier wird aber nur halb so viel Solarstrom produziert wie im Kreis Freising.

Doch laut Siflinger gibt es auch noch viele andere Gründe: In der „Solarkreisliga“ werden die Gemeinden ausgezeichnet, die hier am meisten leisten. Dazu gibt es eine Broschüre „Strom aus Erneuerbaren Energien im Landkreis Freising“, die laut dem Klimaschutzmanager „eine fundierte Analyse zum Ausbau der Erneuerbaren im Landkreis und seinen Kommunen“ bietet und sowohl erreichte Fortschritte als auch noch ungenutzte Potenziale zeigt. „Hiermit hat der Landkreis Freising fast schon ein Alleinstellungsmerkmal“, so Siflinger.
Und schließlich gibt es natürlich auch ein paar Entwicklungen, die weder Kreis noch Gemeinden in der Hand haben: ein erhöhtes Bewusstsein für Klimaschutz, die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Planungssicherheit bei Anlagen und der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger, angesichts der drastisch gestiegenen Energiekosten, selbst etwas zu unternehmen, sind für Siflinger weitere Gründe für die Entwicklung im Landkreis Freising.
„Besonders sichtbar werden diese verbesserten Rahmenbedingungen auch bei den Freiflächenanlagen: Zwischen 2021 und 2023 machten sie im Landkreis Freising fast zwei Drittel des gesamten PV-Zubaus aus – trotz gleichzeitiger Rekordwerte bei den Dachanlagen“, erläutert der Klimaschutzmanager. Dabei stechen einige Gemeinden im Landkreis deutlich heraus. Gammelsdorf, Rudelzhausen und Hörgertshausen sind die – was den Solarausbau betrifft – vorbildlichsten Gemeinden im vorbildlichen Landkreis Freising.
Das Sonnendorf
Betrachtet man das gesamte Umland, verdrängt aber eine Gemeinde aus dem Landkreis Dachau die Freisinger Orte vom obersten Treppchen. Altomünster hat die Kapazitäten zur Produktion von 69 735 kWp – das ist halb so viel wie der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen insgesamt. Kein Wunder eigentlich, hier ist einer der größten Solarparks im Landkreis Dachau entstanden, der 18,2 Megawatt Strom produziert. Die Firma Altoland Solar hat sogar auf eigene Faust eines der größten Probleme gelöst, nämlich das der fehlenden Einspeisemöglichkeit: Man nutzt jetzt ein Umspannwerk im Nachbarlandkreis Aichach. In neun Monaten stand so laut Reinhard Schmutz von Altoland der Netzanschluss, sonst kann so etwas schon drei bis fünf Jahre dauern.

Doch es gibt in Altomünster sogar noch mehr Potenzial: Maximal zwei Prozent der Gemeindefläche dürfe für Freiflächenanlagen genutzt werden, dazu gebe es einen Grundsatzbeschluss des Gemeinderats, erläutert Bürgermeister Michael Reiter (FW), derzeit sei gerade mal die Hälfte erreicht. Im Gemeinderat habe man durchaus diskutiert, wie viel landwirtschaftliche Fläche für Photovoltaik vorgesehen werden solle, so Reiter, eines der Argumente dafür sei gewesen, dass bei einer Energieproduktion durch Biogas noch viel größere Flächen nötig wären. „Ich persönlich bin überzeugter Befürworter der Nutzung von Sonnen- und Windenergie“, sagt Reiter, er habe auch eine Bürgerenergiegenossenschaft mit initiiert, die dazu beitrage, dass die Stromerzeugung in regionaler Hand bleibe. Kritik an Freiflächen-PV gebe es in seiner Gemeinde überhaupt nicht, so Reiter, jedenfalls werde sie – falls doch – nicht an ihn herangetragen.
Die Nachzügler
Betrachtet man die Karte mit dem stärksten Zuwachs bei der Solarproduktion, schaut es eigentlich so aus, als müsste der Landkreis Starnberg Vorbild für alle anderen Landkreise im Münchner Umland sein. Zwischen 2015 und 2025 wurden die Kapazitäten zur Solarproduktion hier um stolze 290 Prozent gesteigert, sieht man sich nur den Zeitraum zwischen 2021 und 2025 an, sind es immer noch 180 Prozent. Kein anderer Landkreis kann ein derartiges Wachstum vorweisen.
Auf Platz zwei liegt der Landkreis München, hier beträgt der Zuwachs zwischen 2015 und 2025 244 Prozent. Allerdings relativiert sich Starnbergs Rolle als Wachstumsgewinner, wenn man die Ausgangsdaten ansieht: Die Kapazität zur Produktion von 37 387 kWp gab es 2015, damit bildete Starnberg das Schlusslicht unter allen Landkreisen – zu den meisten mit großem Abstand. Unter anderem half eine Solarkampagne des Energiewendevereins Landkreis Starnberg und der Landkreisverwaltung, den Ausbau doch erheblich voranzutreiben.
Im Jahr 2015 folgte am Ende der Tabelle auf Platz zwei damals der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen mit 53 873 kWp. Seither ist zwar auch hier der Ausbau in Gang gekommen, aber nicht so stark wie in Starnberg. 135 420 kWp konnten zum Stichtag 1. Juni 2025 theoretisch produziert werden, das ist unter den Landkreisen im Umland inzwischen der geringste Wert. Kurioses Detail am Rande: Bei der Stromproduktion in Freiflächenanlagen hat Bad Tölz-Wolfratshausen zwischen 2015 und 2025 eine Steigerung von 1116 Prozent hingelegt – einfach, weil 2015 Freiflächenanlagen im Landkreis so gut wie keine Rolle spielten. Heute liefern sie immerhin 13 Prozent des Solarstroms im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, deutlich mehr also als etwa in den Landkreisen Erding (7,8 Prozent) oder Ebersberg (8 Prozent). Spitzenreiter ist auch hier der Landkreis Freising: Mehr als 40 Prozent der Solarleistung werden durch PV-Anlagen erzeugt.
Strom vom See
Der Solarbericht von Correctiv.Lokal und des Vereins Klimadashboard liefert viele spannende Daten – und im Falle des Münchner Umlands auch ein kleines Kuriosum. Denn seit 2022 produziert demnach eine PV-Anlage im – nicht am – Starnberger See Strom. Doch wo? Das war bei der SZ-Recherche zunächst gar nicht so einfach herauszufinden: Weder auf der Roseninsel – der einzigen Insel im See – gibt es eine Solaranlage, noch sind die Kursschiffe mit Solaranlagen bestückt, wie die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung sowie die Bayerische Seenschifffahrt auf Anfrage mitteilten. Auch die Firma Sinn Power, die auf dem Gilchinger Jais Weiher Strom produziert, winkte ab, ebenso wie die Experten im Landratsamt. Ein Fachmann vom Verein Klimadashboard liefert schließlich die Auflösung: Die Anlage wird von der Wasserrettung (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft) mit Sitz in Possenhofen betrieben und befindet sich auf dem Dach ihres Bootshauses.
Und was jetzt?
Eigentlich könnte die Entwicklung fröhlich stimmen: sehr viel sauberer Strom, vor Ort produziert, mit regionaler Wertschöpfung – nur positive Nachrichten also? Leider nein, denn ein Problem ist nach wie vor nicht gelöst: dass der Strom massenhaft dann produziert wird, wenn er nicht massenhaft benötigt wird. Schaut etwa Reinhard Schmutz von der Firma Altoland im Landkreis Dachau an einem strahlenden Augusttag auf seine Solaranlage, kann es gut sein, dass sie gar keinen Strom produziert, weil sie abgeregelt wurde. Zwischen 11 und 15 Uhr, wenn die PV-Anlagen Höchstleistung brächten, könne der Strom oft weder abtransportiert noch gespeichert, noch verbraucht werden, sagt Schmutz.
Sein Unternehmen fährt deshalb keine Verluste ein, es erhält die vereinbarte EEG-Vergütung, „aber volkswirtschaftlich ist sowas natürlich nicht sinnvoll“. Ein Ausbau der Netze und Speichermöglichkeiten sei daher vordringlich, sagt der Solarpionier, der selbst gerade über die Errichtung eines Stromspeichers nachdenkt. Zudem sollte bei der Genehmigung von neuen großen PV-Anlagen schon ein Konzept für die Stromnutzung verlangt werden, so sein Vorschlag. Nach wie vor sinnvoll seien hingegen PV-Anlagen auf Privatdächern, bei denen der Strom auch privat genutzt werde – etwa fürs Aufladen von Elektroautos oder eine Wärmepumpe.
Diese Recherche ist Teil einer Kooperation des Vereins Klimadashboard.de mit Correctiv.Lokal, einem Netzwerk für Lokaljournalismus, das datengetriebene und investigative Recherchen gemeinsam mit Lokalredaktionen umsetzt. Correctiv.Lokal ist Teil des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv, das sich durch Spenden finanziert. Mehr unter correctiv.org/lokal
Anmerkung der Redaktion: In einer Überarbeitung des Textes wurde klargestellt, dass es sich bei den Zahlen um die theoretische Maximalleistung der Anlagen handelt, also nicht um die tatsächlich produzierte Strommenge. Die Angaben im Text wurden entsprechend angepasst.

