Skulptur für Ebersberg:Perspektivwechsel

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"Heute ist das Gestern von Morgen" heißt die würfelförmige Skulptur von Maximilian Erbacher, die nach ihrer Enthüllung nun bis November am Ebersberger Marienplatz stehen soll

Von Peter Kees, Ebersberg

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?" Im Märchen gibt der Spiegel eine Antwort. Vielleicht tut er dies auch mitten in Ebersberg. Dort nämlich wurde am Samstag ein drei mal drei Meter großer und vier Meter hoher verspiegelter Kubus enthüllt. Eine ganze Nacht lang stand der 1,4 Tonnen schwere Klotz inkognito auf dem Marktplatz, fast so als wäre Christo am Werk gewesen. Erst am Samstagnachmittag wurde dann in einem feierlichen Akt das große Tuch von dem würfelartigen Gebilde gezogen und die polierten Edelstahlflächen an seinen vier Seiten kamen glänzend zum Vorschein. Bis November wird das Objekt zwischen Rathaus und Mariensäule stehen bleiben.

Die Proportionen des Kubus sind dem Sockel der gegenüberliegenden Mariensäule nachempfunden, nur vergrößert. Im Gegensatz zum Obelisken aber kann man den Spiegelkubus drehen. Während er rotiert, ergeben sich wundervolle, sich wandelnde, skurrile, mitunter gebrochene Abbilder des Ebersberger Marienplatzes. Für Momente bekommen Häuser einen Bauch, blähen sich auf und scheinen schon im nächsten Augenblick verschwunden. Ihre Linien werden verschoben, schräg und lustig. Da taucht das Rathaus auf, völlig verändert, ein Fenster groß und nach oben drängend, ein anderes klein, und schon sieht man einen Baum scheinbar künstlich zusammengesetzt. Auch die Menschen werden in Zerrbildern gespiegelt, einmal dick aufgebläht, ein andermal ganz dünn gepresst. Gerade Linien werden krumm, Proportionen auf den Kopf gestellt, perspektivische Fluchten haben keine Bedeutung mehr. Auch wenn der Kubus steht, bleibt dieses faszinierende Spiel. Nun ist es dem Betrachter überlassen, zu wandeln und das Ebersberger Zentrum spiegelverkehrt wie durch ein Kaleidoskop zu betrachten.

Den Marienplatz von einer neuen Seite zeigt die Skulptur des Künstlers Maximilian Erbacher. Der Kubus kann gedreht werden und spiegelt dabei. (Foto: Christian Endt)

"Heute ist das Gestern von Morgen" nennt der Künstler Maximilian Erbacher die Skulptur, die er für das diesjährige Skulpturenprojekt des Ebersberger Kunstvereins entworfen hat. Sein Experiment, das Zentrum von Ebersberg spielerisch zu verfremden, ist aufgegangen. Der zentrale Platz eines Ortes, so der Künstler, gibt Auskunft über die soziale Gesundheit seiner Ortschaft. In Ebersberg diskutiert man bereits seit einiger Zeit über eine Umgestaltung des Marienplatzes, verändert sich doch die Ebersberger Mitte durch den Standortwechsel verschiedener Geschäfte. "In diesen Spiegeln habe ich meine neue Ebersberger Mitte bereits gefunden," erklärt er Vorsitzende des Kunstvereins, Andreas Mitterer, strahlend. Auf seine Initiative ist dieses Kunstwerk entstanden.

Als Mitterer den Künstler Maximilian Erbacher einlud - nach der Lichtinstallation von Philipp Geist im Jahr 2014, dem Blüh- und Bienenhaus-Objekt "35⁰C" des Münchner Künstlers und Stadtimkers Christoph Scheuerecker im vergangenen Jahr - das dritte Skulpturenprojekt des Kunstvereins zu gestalten, sei man sich schnell über das Konzept einig gewesen.

Und, ja, Erbachers Plan ist aufgegangen - als eine Bereicherung für Ebersberg. Eine Intervention, die ganz im Sinne ihres Erfinders andere Sichtweisen auf das Gewohnte bietet. Das Eröffnungspublikum jedenfalls konnte nicht genug haben, von den aufregenden, immer neuen Blicken. Natürlich wurde der Kubus sofort gedreht und da sah man die Stadt kreisen. "Genauso, wie ich es mir vorgestellt habe," schwärmt der Künstler bei der Enthüllung.

Eine Nacht lang stand der tonnenschwere, eingepackte Klotz auf dem Marktplatz in Ebersber - bis er als spiegelnder Kubus am Samstag enthüllt wurde. (Foto: Christian Endt)

Einige Besucher hatten selbst Spiegel mitgebracht, denn die Idee der Macher war, eine Seite mit diesen Mitbringseln zu bestücken. Doch als Erbacher und Mitterer das fertige Objekt zum allerersten Mal am Originalstandort stehen sahen, war ihnen schnell klar, an diesem Kubus gibt's nichts mehr zu verändern. Er ist perfekt. Tatsächlich, die Ästhetik des Objekts ist formvollendet und bedarf keiner weiteren Zutat.

Noch vergangene Woche war man auf dem Werkgelände der Kunstschmiede Bergmeister am Schweißen der Grundkonstruktion. Mitterer, selbst Künstler, hat hier fleißig mitgetan. Am Freitag wurde die Plastik mit schwerem Gerät nach Ebersberg gebracht. Für einen kurzen Moment spitzten da schon mal die Spiegelflächen hervor, als man die Schutzfolien vom Edelstahl abzog. Die feierliche Enthüllung war dann durchaus ein Akt mit Pathos. Begleitet von Blasmusik der Jazzpiraten. Vom Werden und Vergehen wird da nun im öffentlichen Raum erzählt. Der Titel "Heute ist das Gestern von Morgen" ist treffend formuliert. Sichtweisen kommen und gehen, Momente währen immer nur temporär, alles ist relativ. Doch, doch - dieses Kunstwerk ist eine kleine Sensation für Ebersberg.

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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