Der Bote der Stadt Ebersberg hatte viele Jahre einen Vollzeitjob. Solange, bis eine wesentliche Aufgabe aus seiner Stellenbeschreibung gestrichen wurde: Im Jahr 2014 änderte die Kreisstadt ihre Geschäftsordnung und das System des Versands. Seither fährt der Bote nicht mehr mit dem Auto vom Rathaus zu den Stadträten nach Hause. Die Zeit, in der sämtliche Mitglieder stoßweise mit Papier beliefert wurden, ist vorbei. Die Ebersberger Verwaltung verschickt die Einladungen und Beschlussvorlagen seit knapp sechs Jahren per E-Mail. Die Botentätigkeit für die Stadt Ebersberg ist so zu einem Teilzeitjob geworden. Deswegen ist der Bote nun zudem ein Teilzeit-Hausmeister.
Am Beispiel der Kreisstadt lässt sich erkennen, wie mittlerweile viele Kommunen Zeit, Geld und Energie sparen, indem sie auf Papier verzichten. In den beiden Städten und den großen Gemeinden im Landkreis Ebersberg lässt sich ein eindeutiger Trend erkennen. Mit einer Ausnahme werden die Sitzungsunterlagen mittlerweile für jedes Gremium digital übermittelt - also entweder in ein passwortgeschütztes System hochgeladen oder als verschlüsselte E-Mail versandt. Einige Rathäuser ziehen diese Vorgehensweise konsequent durch, andere bieten die Wahl zwischen Papier und Digital. Eine Gemeinde stellt die Unterlagen weiter per Papiersendung zu.
Markt Schwaben will sein Zustellverfahren nun ändern
In Markt Schwaben fährt der Gemeindebote mit dem Auto durch den Ort und steckt die Tagesordnung und die Sitzungsunterlagen in die Briefkästen der Gemeinderäte. Einer seiner Empfänger will dieses Prozedere nun ändern. Sascha Hertel, Gemeinderat und Bürgermeisterkandidat für "Zukunft Markt Schwaben", hat Anfang der Woche einen entsprechenden Antrag formuliert, der demnächst im Gemeinderat behandelt werden soll. Hertels Forderung: "Die Gemeinde Markt Schwaben verpflichtet sich, zukünftig die Unterlagen für jede Ausschusssitzung und Gemeinderatssitzung den einzelnen Gemeinderäten CO₂-neutral zuzustellen." Was er damit genau meint, erklärt Hertel auf Nachfrage. Er nennt drei Optionen: Zustellung zu Fuß, per Fahrrad oder per E-Mail.
Die gängigste Variante in den großen Gemeinden im Landkreis Ebersberg ist ein sogenanntes Ratsinformationssystem, kurz Ris. Also eine passwortgeschützte Webseite, auf der die Verwaltung die Unterlagen zum Download bereitstellt. In Poing wird dieses System seit den Kommunalwahlen 2014 von ausnahmslos allen Gemeinderäten genutzt. Dort sitzen die Mitglieder vor einem Tablet, auf dem die Unterlagen digital gespeichert sind. Der Poinger Gemeinderat ist hier so etwas wie der digitale Vorreiter im Kreis Ebersberg.
In manchen Gemeinden wird Papierverzicht mit Geld belohnt
Ähnlich laufen die Dinge in Grafing, auch dort gibt es ein Ris, das von allen Mitgliedern für den Download der Dokumente und Beschlussvorlagen genutzt wird. Anders als in Poing wird die ein- bis zweiseitige Einladung samt Tagesordnung nach wie vor per Post verschickt. In Zorneding haben die Gemeinderäte generell noch die Wahl zwischen Papier oder Download. Von der dortigen Verwaltung ist zu erfahren, dass der Gemeindebote derzeit noch etwa 50 Prozent des Gremiums mit sortierten Ausdrucken versorgt. Ähnlich ist die Quote beim Ebersberger Landratsamt, das etwa noch die Hälfte der 60 Kreisräte per Postsendung analog beliefert. Wer auf Papier verzichtet erhält im Gegenzug eine Pauschale fürs Endgerät. Im Kreistag sind das monatlich 15 Euro, in Poing 60 Euro pro Monat, in der Stadt Ebersberg 100 Euro pro Jahr.
Bei der Digitalisierung geht es nicht nur um Sitzungsunterlagen für Politiker. Im Landkreis Ebersberg lässt sich das kaum woanders besser festmachen, als an seiner höchsten Behörde, dem Landratsamt, wo sich in den vergangenen zehn Jahren viel verändert hat. "Ein großer Teil unseres Schriftverkehrs läuft mittlerweile digital ab", erklärt Sprecher Norbert Neugebauer. Dennoch wird aus bürokratischen Gründen mehr Post verschickt als noch vor zehn Jahren. 2008 lagen die Ausgaben des Landratsamts für Porto bei 116 000 Euro, 2018 waren es 140 000 Euro, ein Anstieg um 21 Prozent. Die Behörde nennt mehrere Gründe: neue Schulen, mehr Landkreisbürger, mehr Verwaltungsverfahren - etwa im Bereich Asyl - und gestiegene Portokosten. Ein Thema, das offenbar auch die Regierung von Oberbayern beschäftigt. Von dort erreichte das Ebersberger Landratsamt im Sommer die Bitte, "dass sie keine Papierpost mehr bekommen wollen", so Neugebauer.
Die Umstellunmg ist häufig ein recht aufweniger Prozess
Die Umstellung von Papier auf Digital ist ein aufwendiges Prozedere, weil laut den Vorgaben des Bayerischen Gemeindetags garantiert sein muss, dass bei einer digitalen Zustellung der Unterlagen ein Zugriff von Dritten ausgeschlossen ist. Georg Kast, der Geschäftsführer der Gemeinde Vaterstetten, ist mit dem Regelwerk vertraut. Vor einer Umstellung empfehle er dringend eine ordentlich geprüfte Änderung der Gemeindesatzung (in aller Regel ein Vorgang, der in einer der ersten Sitzungen nach einer Kommunalwahl stattfindet). Ansonsten sei zu befürchten, dass die Ladung unwirksam sei und somit die Sitzung verschoben werden muss. "Das kann massive finanzielle Schäden für die Gemeinde bedeuten", so Kast. Im Vaterstettener Gemeinderat ist das Verhältnis von Papier zu Digital derzeit 18 zu zwölf.
Und in Markt Schwaben? Der dortige Bürgermeister Georg Hohmann (SPD) erklärt, dass auch er prinzipiell ein Ratsinformationssystem oder eine Zustellung per E-Mail für sinnvoll halte. Ihm würden aber spontan sieben Ratskollegen einfallen, die entweder "nur sehr rudimentär" auf ihr Mailprogramm zugreifen oder erst gar keine E-Mail-Adresse haben. Von einer Zustellung per Fahrrad oder Fußmarsch bei Wind und Wetter halte er wenig, so Hohmann. "Dann sucht sich unser Bote einen neuen Nebenverdienst." Hohmanns Prophezeiung: Jeder Gemeinderat müsste sich die Unterlagen dann selbst im Rathaus abholen, "aber bitte ohne Auto".