Silvester:Feuerwerks-Firma aus Grafing: "Das ist eine Katastrophe"

Silvester: Vor einem Jahr blickte Andreas Büttner noch optimistisch in die Zukunft. Jetzt weiß er nicht, wie es für seine Firma weiter geht.

Vor einem Jahr blickte Andreas Büttner noch optimistisch in die Zukunft. Jetzt weiß er nicht, wie es für seine Firma weiter geht.

(Foto: Christian Endt)

Ausgefallene Volksfeste, Hochzeiten, Geburtstagsfeiern - und auch noch nun Silvester: Fast das ganze Geschäft von Pyrotechniker Andreas Büttner ist 2020 weggebrochen.

Von Serafina Rumm, Grafing

Seit 18 Jahren ist Andreas Büttner nun im Geschäft. Der Pyrotechniker aus Grafing war bisher "Umsatzkönig", wie er selber sagt. Dieses Jahr sind er und seine Branche mit dem Verkaufsverbot von Feuerwerkskörpern und einer Ausgangssperre ab 21 Uhr am Silvesterabend jedoch vor ganz besondere Herausforderungen gestellt.

SZ: Herr Büttner, was machen Sie dieses Jahr an Silvester?

Andreas Büttner: Wir machen alles genauso wie jeder: Daheim rumsitzen, viel bleibt da nicht übrig, man kann ja nichts machen. Trotzdem wünscht man sich natürlich, den Silvesterabend miteinander zu verbringen. Durch die Ausgangssperre wird es jetzt für viele ziemlich kompliziert, denn ein schöner Abend ist nun mal nicht um 21 Uhr zu Ende. Ich mache mir wirklich Sorgen um viel e Menschen, denen es in der jetzigen Situation psychisch und finanziell sowieso schon schlecht geht, die dann den Silvesterabend auch noch alleine zuhause verbringen müssen - im Dunkeln. Wir alle sind in einer existenziellen Extremsituation. Das betrifft nicht nur uns als Firma - viele Menschen sind dem wirtschaftlichen Ruin nahe.

Haben Sie denn, bevor Sie wissen konnten, dass es dieses Silvester dunkel bleibt, schon viel Ware eingekauft?

Klar, die Lager für Silvester sind voll. Das ist nicht einfach, schließlich machen wir ungefähr 75 Prozent unseres Jahresumsatzes mit dem Silvestergeschäft. Dadurch, dass wir mehr oder weniger das ganze Jahr wegen der Corona-Regelungen Berufsverbot hatten und nicht arbeiten durften oder konnten, haben wir natürlich auch an keinen Veranstaltungen teilgenommen. Das trifft fast jeden Sektor der Unterhaltungs- und Veranstaltungsbranche schwer, egal ob das die Wirte, die Fahrgeschäfte oder die Schausteller sind.

Was machen Sie jetzt mit der Ware, wenn es dieses Jahr mit den Feuerwerken und dem Verkauf so schlecht steht?

Man versucht trotzdem, die Hoffnung nicht aufzugeben, weil man natürlich mit Herzblut an seinem Engagement und an seiner Firma hängt. Man gibt sein Bestes, um das Geschäft am Laufen zu halten. Für unseren Online-Verkauf haben wir Filme gedreht, auf denen die Feuerwerke zu sehen sind, als Ersatz für das Sicherheitsschießen, das es sonst jedes Jahr gibt: Damit der Kunde trotzdem sieht, was er kauft. Außerdem wollten wir für Silvester auf großen Ladenflächen verkaufen. Mit Sicherheitskonzepten, damit die Abstände eingehalten werden können. Dafür haben wir Banner und Plakate drucken lassen, aber durch das Verbot des Silvestergeschäfts sind uns die Hände gebunden. Wir wissen aktuell nicht, wie wir unsere Branche am Leben erhalten können. Corona ist ja morgen nicht vorbei. Die Großveranstaltungen, wie zum Beispiel das Volksfest, werden auch nächstes Jahr noch zum Großteil ausfallen müssen, denke ich. Die Ware können wir außerdem auch nicht einfach so zurückschicken. Das ist mit einem großen Kostenaufwand verbunden, der sich für uns als Fachhändler nicht rentiert. Das bedeutet letztendlich, wir bleiben auf unserer Ware sitzen, sie wird bis nächstes Jahr eingelagert, und wir wissen auch nicht, was nächstes Jahr möglich ist.

Wissen Sie überhaupt schon, ab wann es wieder Aufträge gibt?

Das ist alles sehr ungewiss. Es gibt zwar Anfragen für Hochzeiten oder Geburtstagsfeiern, die auf nächstes Jahr verschoben wurden, aber uns fehlen schon jetzt die Umsätze von diesem Jahr, um unsere laufenden Kosten, wie Lagerkosten oder Versicherungen, zu decken. Die Ausgaben müssen momentan aus eigener Tasche gestemmt werden. Zwar gibt es an Silvester kein Abbrennverbot auf dem eigenen Grundstück, aber das ändert nichts an dem aktuell geltenden Verkaufsverbot: Wir haben keine Möglichkeit, unsere Ware zu verkaufen. Nicht nur unsere Aussichten auf Aufträge stehen damit schlecht, sondern auch die unserer Zulieferer. Die warten nämlich noch auf das Geld für die bestellte Ware von diesem Jahr, von dem wir bisher erst 50 Prozent bezahlen konnten, den Rest können wir aktuell kaum aufbringen. Einige aus der Branche sitzen mittlerweile auf einem Schuldenberg, der sie vermutlich in den Ruin treiben wird. Das zieht einen riesen Rattenschwanz nach sich: Bei einem unserer Hauptzulieferer zum Beispiel stehen 450 Arbeitsplätze auf der Kippe. Auch anderen Firmen geht es ähnlich.

Welche Branchen sind betroffen?

Das sind zum Beispiel Chemiezulieferer für die Substanzen in den Feuerwerken oder die Papierindustrie, die Verpackungen und Hülsen für uns herstellt. Der ganze Handel wird einbrechen, denn auch wenn unsere Lager und die unserer Zulieferer zurzeit noch voll sind: Für nächstes Jahr müssen wir nichts produzieren lassen. Da werden Arbeitsplätze verloren gehen, von denen der Normalverbraucher gar nicht weiß, dass sie im Zusammenhang mit Feuerwerken stehen. Das ist eine Katastrophe.

Würden Sie dann sagen, Ihre Branche hat überhaupt noch Zukunft? Es kommt in den letzten Jahren immer mehr Kritik an den Feuerwerken auf...

Bisher waren wir oft de Bösen der Nation. Die Kritik kommt vor allem von der deutschen Umweltbehörde und der politisch grünen Richtung. Die deutsche Umweltbehörde hat in der Vergangenheit aber oft mit den falschen Zahlen argumentiert: Bei der CO2-Bilanz wurde bisher mit dem Bruttogewicht an Feuerwerkskörpern gerechnet, nicht dem Nettogewicht. Die neue CO2-Bilanz, ausgerechnet mit dem Nettogewicht an Feuerwerken, zeigt, dass der Kohlenstoffdioxid-Anteil am Silvesterfeuerwerk 0,00013 Prozent beträgt. Das ist ein so geringer Betrag, da sagt selbst das Bundesamt für Umwelt, dass das Feuerwerk in der Bilanz zu vernachlässigen ist.

Welche Maßnahmen ergreift Ihre Branche denn konkret, um vor allem auch der Kritik an der Umweltverschmutzung entgegen zu treten?

Wir haben beantragt, dass die Kappen der Silvesterraketen aus Papier produziert werden. Da sind schon plastikfreie Produkte vorbestellt, die aber bisher noch keine Zulassung haben und deshalb noch nicht ausgeliefert werden können. Ähnlich ist es mit den Plastikverpackungen, in denen die Feuerwerke eingepackt sind: Wir wollen Karton anstelle von Plastikverpackung. Die Zulassung dauert aber, weil es sich bei den Verpackungen von Feuerwerken um Sicherheitsverpackungen handelt. Unsere Branche bemüht sich um Nachhaltigkeit: Die Idee ist da, der Wille ist da und das Produkt ist auch da. Aber das geht nicht immer so schnell, wie man es gerne hätte.

Gibt es denn überhaupt in ihrer Branche noch positive Nachrichten?

In den letzten Tagen hatte ich sehr viele Gespräche mit Kunden, die mich wirklich berührt haben. Der Rückhalt ist da wirklich unfassbar groß: Viele hatten schon im Vorfeld online Bestellungen aufgegeben. Wegen dem Verkaufsverbot haben wir unseren Online-Shop vorerst geschlossen und allen das Geld für die Feuerwerke zurückerstattet. Viele wollten es aber nicht annehmen und haben gesagt, ich solle die Raketen einlagern bis nächstes Jahr oder ich solle das Geld einfach behalten, sie wüssten ja, dass es dieses Jahr schlecht lief. Einige Kunden wollten auch spenden, aber das konnte ich nicht annehmen, obwohl die Gesten wirklich sehr schön waren. Wir haben einen sehr festen Kundenstamm hinter uns stehen, der uns unterstützt.

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