"Sicher ist manches erläuterungsbedürftig":Eine Kirche, die Fragen aufwirft

Poings neuer Sakralbau bietet auch drei Monate nach der Weihe weiterhin Diskussionsstoff. Eine Bestandsaufnahme mit Gemeindepfarrer Christoph Klingan

Interview von Moritz Kasper

Noch vor der feierlichen Weihe Anfang Juni hat die neue katholische Pfarrkirche Seliger Rupert Mayer in Poing polarisiert: "Sprungschanze" war noch einer der liebevolleren Spitznamen für das Gebäude mit der schimmernden Fassade und dem schlichten Innenraum, doch es gab auch Lob für die moderne Architektur. Drei Monate hatten die Poinger nun die Gelegenheit, sich an ihre neue Kirche zu gewöhnen. Christoph Klingan, seit zwei Jahren Pfarrer in Poing, spricht im Interview über die ersten Erfahrungen.

SZ: Herr Pfarrer Klingan, wie hat Ihre Gemeinde auf die neue Kirche reagiert?

Christoph Klingan: Insgesamt positiv. Man merkt, dass die Kirche angenommen wird. Manche Vorbehalte konnten abgebaut werden.

Was störte die Leute denn?

Von manchen habe ich die Rückmeldung erhalten, dass sie die Kirche zu nüchtern finden. Andere sagen dagegen, dass ihnen gerade diese Nüchternheit hilft, um sich beim Gebet auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich kann beide Positionen verstehen.

Wie sieht es denn mit den praktischen Aspekten aus? Erfüllt das Bauwerk seine Funktion?

Wie bei jedem Neubau gibt es noch ein paar "Kinderkrankheiten". Wir haben zum Beispiel Probleme mit den Portalen an den beiden Eingängen. Da muss beim Schließmechanismus nachgebessert werden. Wir sind dazu schon im Gespräch mit der beteiligten Firma. Aus der Gemeinde haben wir zudem die Rückmeldung erhalten, dass Sitz- und Kniepolster gewünscht werden. Gerade für ältere Gemeindemitglieder ist das ein Thema. Hier suchen wir auch bereits nach einer geeigneten Lösung.

Weihe der Kirche Seliger Rupert Mayer in Poing, 2018

Ein moderner Bau für eine moderne Gemeinde: Vor drei Monaten wurde die neue Pfarrkirche in Poing geweiht. Inzwischen haben sich die meisten Kirchenbesucher an die ungewöhnliche Architektur gewöhnt, nur an ein paar Kinderkrankheiten des Baus müssen die Verantwortlichen noch arbeiten.

(Foto: Christian Endt)

Die Lage des Taufbeckens vor dem Panoramafenster zum See hat bei der Eröffnung viel Lob geerntet. Allerdings ist die Ecke auch recht klein und bietet nur eine begrenzte Sitzkapazität. Ist es deswegen schon zu Platzproblemen bei Taufen gekommen?

Wir hatten schon viele Taufen, und den Familien gefällt der Taufort, nicht zuletzt wegen des schönen Blickes nach draußen. Meistens sind so 20 bis 30 Personen bei den Taufgottesdiensten. Da passt der Bereich um das Taufbecken von der Größe her gut. Aber es wird ja, wenn Familien das wünschen, auch in der früheren Pfarrkirche St. Michael getauft. Dort finden größere Taufgesellschaften auch gut Platz.

Ein Ziel des neuen Kirchenbaus war es, Alt- und Neu-Poing miteinander zu verbinden. Wird er diesen hohen Erwartungen gerecht?

Mein erster Eindruck ist schon, dass sich etwas verändert hat. Nicht wenige aus Alt-Poing, auch manche ältere Gemeindemitglieder, kommen zu den Gottesdiensten in der neuen Kirche. Und zu bestimmten Anlässen, die eben nur in der neuen Pfarrkirche gefeiert werden, kommen auch einige, von denen ich weiß, dass sie den Bau kritisch sehen. Insgesamt hat sich die Teilnehmerzahl gerade bei unseren Sonntagsgottesdiensten in diesen ersten Wochen und Monaten schon erhöht.

In dem Buch "Kirche und Stadt" von Ansgar und Benedikt Schulz stellt der Architekt Andreas Meck den Bau als sehr durchdachtes Zusammenspiel von Formen vor. Verstehen die Gemeindemitglieder diese zuweilen recht abstrakten räumlichen Bezüge oder gibt es hier oft Klärungsbedarf?

Sicher ist manches an der Gestaltung der Kirche erläuterungsbedürftig. Deshalb gab es schon Kirchenführungen. Das Interesse, auch über unsere Pfarrei hinaus, ist weiterhin groß. Ich glaube, dass die Erklärungen wichtig sind. Viele bedeutsame Details erschließen sich nicht, wenn man einfach nur einen Blick in die Kirche wirft.

"Sicher ist manches erläuterungsbedürftig": Christoph Klingan ist seit zwei Jahren Pfarrer in Poing. Zuvor war er persönlicher Sekretär von Kardinal Reinhard Marx. Den Landkreis kennt Klingan aber seit langem gut: Er ist schließlich in Baldham aufgewachsen.

Christoph Klingan ist seit zwei Jahren Pfarrer in Poing. Zuvor war er persönlicher Sekretär von Kardinal Reinhard Marx. Den Landkreis kennt Klingan aber seit langem gut: Er ist schließlich in Baldham aufgewachsen.

(Foto: Christian Endt)

Ist es heutzutage schwerer, eine Form- und Symbolsprache zu finden, die für jeden Kirchenbesucher verständlich ist?

Ja, ich denke, das ist heute schon eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. So sind moderne Kirchen auch ganz unterschiedlich gestaltet. Manche lassen sich vielleicht leichter erschließen. Für viele Menschen sind bildliche Darstellungen immer noch hilfreich. Ich denke auch an die Marienfigur im Eingangsbereich unserer neuen Kirche. Sie ist auf ganz eigene Weise gestaltet, und doch ist deutlich erkennbar, wer hier dargestellt wird. Das kann den Zugang zur Kirche erleichtern. Aber ein Sakralbau darf und soll natürlich auch Fragen aufwerfen.

Sie bieten auch extra Führungen für Kinder an. Wie bringen Sie diese an das ungewöhnliche Bauwerk heran?

Viele Schulklassen haben schon eine Führung erhalten, das Interesse ist groß. Wir versuchen, für die Kinder und Jugendlichen den Besuch zu einem Erlebnis zu machen. Sie sollen die Kirche wirklich als Kirche wahrnehmen. Da geht es dann also nicht nur um die Architektur. Sie dürfen dann zum Beispiel den Altar berühren. Besonders beeindruckt sie immer von den sichtbaren Spuren der Altarweihe, wo ja an fünf Stellen auf dem Altar Weihrauch entzündet und verbrannt wurde. Den können sie dann sogar noch riechen. Sie dürfen auch per Fernbedienung die Kirchglocken läuten oder unserer digitalen Orgel einen Ton entlocken. Das alles sorgt dann für hohe Aufmerksamkeit. Doch auch architektonische Besonderheiten wie das große Raumkreuz beeindrucken die jungen Leute, wenn man es ihnen erklärt.

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